Isengard, Johannes; Wachtmeister [ – ] Isengard [Isengardt] stand 1631/1632 noch als Kapitän in schwedischen Diensten.
„Es ist anzunehmen, daß die verschiedenen Kriegsparteien sich in den Städten des öfteren abwechselten. Für die Stadt Neuenhaus[1] ist dieses jedenfalls durch den Bericht des dort ansässigen gräflichen Rentmeisters Kerckering belegt. Am 27. Juli 1631 hatte der schwedische Kapitän Isengard mit seinen Soldaten die gräfliche Burg in Neuenhaus eingenommen, welche jedoch am 31. Juli 1632 durch den Grafen [Ferdinand Lorenz; BW] von Wartenberg erobert wurde. Aber schon am 8. November erstürmten die schwedischen Kapitäne Roewehr und Isengard die gräfliche Burg, erschossen dabei einen bentheimischen Soldaten und jagten die übrigen davon. Lange dürften sie sich indes nicht in Neuenhaus aufgehalten haben, denn schon am 17. November rückten auf Befehl des Generalzeugmeisters Graf [Jost Maximilian; BW] von Gronsfeld sieben Kompanien des kaiserlichen Regiments von Oer [Oer v. Palsterkamp; BW] in Neuenhaus ein, zogen aber am 5. Dezember 1632 wieder ab. Für den 24. Januar ist dann überliefert, daß es dem von den Schweden verjagten kaiserlichen Hauptmann von der Hegge gelang, sich wiederum der Burg zu bemächtigen“.[2]
Isengard war 1642 Oberwachtmeister in weimarisch-französischen Diensten unter Schönbeck und nach der Eroberung von Stadt und Burg in Kempen[3] einquartiert.
Der katholische Chronist Wilmius aus Kempen berichtet: „Am 10. und 11. Februar [1642; BW] wurden die mit Soldaten voll bespickten Bürgerhäuser entgegen den vertraglichen Abmachungen ausgeplündert. Alle Arten von Lebensmitteln wurden weggeholt und das Bier ausgetrunken. Wein konnte nur mit größter Mühe beschafft werden. Die Soldaten nahmen darauf keine Rücksicht. Man wurde gezwungen, Eßwaren zu beschaffen nach der Devise: woher du es nimmst, wird nicht gefragt, wichtig, es ist zur Stelle. Die Franziskanerpatres blieben keineswegs verschont. Die Soldaten drangen in ihr Kloster ein und durchsuchten die äußersten Winkel nach dem Eigentum der Bürger, das der größeren Sicherheit wegen dorthin gebracht worden war. Von den sichergestellten Sachen verboten sie unter Androhung schwerer Strafen, irgendetwas herauszuschaffen. Die übrigen Herren des Klerus stöhnten sehr unter der Last der Einquartierung. Sie mußten schmähliche Dinge über sich ergehen lassen. Fast ihres ganzen Eigentums beraubt, sahen sie sich wegen der wilden Soldateska, die alles durchstöberte, gezwungen, ungefähr acht Tage lang den Gottesdienst in der Pfarrkirche zu unterbrechen und die Kirche zu schließen. Darüber hinaus wurde alles zum Leben Notwendige sehr knapp. Bürger und Soldaten mußten das Vieh der Bauern, das Hunger litt, schlachten. Die Häuser hatten ein derart verwahrlostes Aussehen, daß die Stadt Kampen gar nicht mehr sie selbst zu sein schien. Überall war das Weinen und Jammern der ausgeplünderten Bürger zu hören. Ja, ich könnte mit einem alten Schriftsteller sagen, selbst die Steine schienen mit uns zu klagen. Frauen und Jungfrauen wurden in ihrer Schamhaftigkeit belästigt und vergewaltigt. Das Vieh der Bauern, das aus Sicherheitsgründungen vor der Belagerung in die Stadt getrieben worden war, hatte wegen Futtermangel kein Aussehen mehr und wurde von den Soldaten notgeschlachtet. Häute und Eingeweide blieben auf der Straße liegen, was einen abscheulichen Gestank verursachte.
Der Oberwachtmeister dieser Soldaten, Johannes Isengard mit Namen, quartierte sich in meinem Hause ein. Wenn er zum Mittag- oder Abendessen kam, brachte er einige Regimentskommandeure oder Obersten mit, denen ich reichlich Bier und Wein vorsetzen mußte ohne Rücksicht auf die große Teuerung aller Speisen und Getränke. Häufig kam es vor, daß man weder Weißbrot noch gewöhnliches Brot oder Bier für Geld bekommen konnte.
Volle acht Tage lang wurden die Bürger ausgeraubt und Kleider, Geld und vieles andere, was vergraben war, von den Soldaten ans Tageslicht befördert, die auf solche Dinge sehr versessen waren. Am 16. Februar, den Sonntag Septuagesima, haben wir wieder begonnen, ohne Chorgebet um acht Uhr in der Pfarrkirche die hl. Messe zu feiern und auch zu predigen. Nur die Tür unter dem Turm war geöffnet. Zu groß war die Angst vor den ohne Zucht und Ordnung in der Stadt umherstreunenden Soldaten, die stets auf Raub und Diebstahl bedacht waren.
Am 17. Februar wurden um Mitternacht die Kellerfenster meines Hauses aufgebrochen. Man drang gewaltsam in den Keller ein und stahl mir zwei Töpfe Butter, ein Fäßchen Wein und einige Bekleidungsstücke, Frauengewänder, Unterjacken, Unterhosen, Kerzen, Heu und vieles andere. Indes auf Veranlassung des bei mir einquartierten Wachtmeisters bekam ich die Butter und einiges andere zurück. Eine Durchsuchung der benachbarten Häuser war vorausgegangen.
Am 20. Februar wurde unsere Kempener Kirche durch eine häretische Predigt geschändet. Anlaß war die Beerdigung eines häretischen Hauptmanns mit Namen Ramsteter, der in unserem Kirchenkeller von einem häretischen Prediger zur letzten Ruhe geleitet wurde. Seinen Dienst versah der Prediger im Pfarrhaus, wo er mit vielen anderen Offizieren Wohnung genommen hatte. Alles, was an Mehl und anderen Lebensmitteln vorgefunden wurde, fand Verwendung, während der Herr Pastor, durch einen Schlagfluß gelähmt, im Franziskanerkloster krank darniederlag“.[4] Wilmius versuchte sich bei dem französischen Oberkommandierenden Guébriant – allerdings vergeblich – für seine Mitbürger zu verwenden: „Am 26. Februar war der erlauchte Graf Guébriand, Kommandant und General des französischen Heeres, in Kempen. In der Franziskanerkirche sprach ich ihn an und bat ihn, er möge doch die Maßlosigkeit, um nicht zu sagen Grausamkeit und Tyrannei der französischen Soldaten, die hier in Kempen lebten, durch eine bessere Zucht zügeln und einschränken. Er antwortete mir freundlich und versprach gründliche Besserung. Kurz darauf nahm er bei Schönbeck im Hause des Kellners das Mittagessen ein und ritt wieder fort, ohne etwas zu tun, was seiner Großsprecherei und seinen Zusagen entsprochen hätte die Räubereien in den Bürgerhäusern werden nach wie vor fortgesetzt.
Am gleichen Tag verließ mein Neffe Heinrich Reck, Vikar der hl. Anna, mit seiner Mutter sein Haus. Lange hatte er dort wie auch im väterlichen Hause den Soldaten zur Verfügung gestanden und alles geliefert. Jetzt sah er keine Möglichkeit mehr, diese Last zu tragen. Er nahm Wohnung bei mir, wurde aber verraten und von den Soldaten in meinem Haus gesucht. Als er sich heimlich entfernen und zur Pfarrkirche gehen wollte, wurde er von ihnen in der Kirche aufgegriffen und in sein Haus zurückgebracht. Am folgenden Tag kaufte er sich los, wurde aber von denselben Soldaten in schnöder Weise in das St. Annahaus gebracht. Hier hielt sich ein Hauptmann auf, der alles mitgehen ließ, was er vorfand. Reck wurde von diesem gefesselt und konnte seine Freiheit nur durch ein zweites Lösegeld erkaufen.
Am vorletzten und letzten Februar durchsuchten die Soldaten, die nach wie vor ohne jede Ordnung durch Kempen streiften, Tag und Nacht sozusagen alle Häuser. Entdeckten sie irgendwo versteckten Hausrat gleich welcher Art, dann raubten sie ihn, zerstörten Häuser und Scheunen, um an Brandholz zu kommen. Achtung vor ihren Vorgesetzten kannten sie nicht mehr.
Am 3. März suchten mich die angesehenen Frauen der Stadt in meinem Hause auf und legten mir gänzlich verzweifelt unter tränen und Wehklagen ihre bemitleidenswerte Lage dar. Sie hofften, durch meine Fürsprache bei dem in meinem Hause einquartierten Wachtmeister etwas Erleichterung ihrer bedrückten Lage zu bekommen. Einige von ihnen mußten 8, 9, 10, andere sogar 20 Soldaten in ihrem Hause beköstigen, ungeachtet der großen Teuerung sämtlicher Lebensmittel. Dazu mußten sie täglich noch 3, 5 oder 6 Reichstaler bezahlen.
Am 6. März floh der Kempener Bürger Heinrich Gelen, Sohn des Adam Gelen, aus Verzweiflung an einer Besserung seiner Lage nach Rheinberg[5] und schloß sich den holländischen Truppen an. Man hatte ihm das Notwendigste zum Leben weggenommen. Er hatte wie viele seiner Mitbürger die schwere Last französischer Einquartierung zu tragen und manche Schmach zu erdulden. Nach drei Tagen kam er zu Pferd nach Kempen zurück, um seine Frau und Kinder aus der Knechtschaft der Franzosen zu befreien. Doch er wurde von den Franzosen ergriffen, bekam die Hände auf dem Rücken gebunden und die Füße gefesselt. Dann schlossen sie ihn für drei Tage in den Keller, wo er gefesselt auf dem Rücken liegen mußte. Feltberg, der Kommandant der Hessen, erhielt durch meinen Gast, den Wachtmeister Isengard, Kunde von der abscheulichen Bestrafung. Doch solch grausames Vorgehen gerührt, wurde er mehrmals bei Schönbeck vorstellig. Doch vergebens ! Da ging er kurz entschlossen zu dem Gelenschen Haus auf dem Markt hin, öffnete die Kellertür und rief den Heinrich an. Der hörte zwar das Geräusch, konnte sich aber nicht bewegen. Nach Lösung der Fesseln stellte sich Gelen sofort dem Feltberg. Die im Hause anwesenden Franzosen murrten über den Großmut des Feltberg, riefen Leute hinzu und warfen sich mit ihren Bombarden den deutschen Hessen entgegen. Es fehlte nicht viel, dann wären beide Parteien aneindergeraten. Gelen stand mitten zwischen ihnen, wurde von Schönbeck in Freiheit gesetzt und zum Haus des Kellners geführt. Zuvor war noch einer der Streithähne getötet worden. Gelen wurde nur dann die Rückkehr nach Rheinberg erlaubt, wenn er vorher den Franzosen Genugtuung leiste. Er weigerte sich aber oder war besser gesagt nicht mehr dazu imstande. Tausendmal lieber wolle er sterben, als noch einmal in diese Folterkammer zurückkehren.
Am 14. März war ich wegen der großen Ausgaben, die ich täglich in meinem Hause für die Beköstigung sovieler Menschen bei der großen Teuerung zu machen hatte, traurig und mißmutig gestimmt. Den Wachtmeister bat ich um Erleichterung und Hilfe. Er schickte seinen Schreiber zu mir und entschloß sich, die Kosten für den Tisch in Zukunft selbst zu tragen. Als Gegenleistung sollte ich monatlich 90 Reichstaler an ihn zahlen. Über diesen Vorschlag war ich entsetzt. Ich begann ernstlich auf Flucht zu sinnen, zumal fast alle übrigen Geistlichkeiten unserer Pfarrkirche geflohen waren. Aber ich konnte nur schwerlich einen Weg zur Ausführung der Flucht finden.
Die übrigen Bürger verließen zum größten Teil ihre Häuser und überließen den Soldaten sozusagen ihren ganzen Hausrat. Die Einquartierung und Beschaffung der Lebensmittel dafür waren eine zu schwere Belastung für sie. Die Soldaten kennen nur Raub und Plünderung. Ständig graben und suchen sie nach Geld und den Wertsachen, die die Bürger dem Schoß der Erde anvertraut haben. Ein großer Verlust für die Bürger, aber Glück und Freude für die Soldaten. […]
Am 1. April mußte ich infolge der Taktlosigkeit und Schwatzhaftigkeit der Dienstboten, die alles, was die Herrschaft lieber innerhalb der Familiengemeinschaft behalten möchte, ausplappern, ein zweites Mal zu einer Vereinbarung wegen der Tagegelder zum Wachtmeister kommen. Diese Tagegelder hatte ich zu dem mir schwer fallenden Lebensunterhalt noch zusätzlich zu zahlen. Meine Neffen Ägidius und Robert nahm ich als Begleitung mit. Anfangs hatte ich keinen Erfolg, weil ich den Wachtmeister unfreundlich und mürrisch antraf. Er redete mich auch von oben herab an. Dann gab er durch die Schroffheit der anderen nach und nahm 80 Reichstaler von mir. Damit war die verstrichene Zeit abgegolten. Künftig beköstigt er sich nun auf eigene Kosten. Dafür soll ich wöchentlich 18 Reichstaler geben, was ich beim besten Willen nicht aufbringen kann. Letzten Endes muß aber ein Ausweg gefunden werden. Ordnung kennen die Soldaten überhaupt nicht mehr. Für ihren Magen unternehmen sie gegen die Bürger alles und richten deren Häuser zugrunde. […]
Am 15. April brach mitten in der Nacht auf der Rabenstraße ein schrecklicher Brand aus. Die Ursache war Brandstiftung oder Fahrlässigkeit. Die Franzosen hatten in der Nacht in Neuß ihren Sold bekommen und sollten von Kempen wegziehen. Deshalb verübten sie vor ihrem Abmarsch noch jegliche Art von Übermut, Grausamkeit und Bosheit. Der Brand breitete sich in kurzer Zeit aus und vernichtete sehr viele Gebäulichkeiten, besonders Scheunen, bevor die Bürger überhaupt, welche insbesondere Räubereien der Soldaten befürchten mußten, durch die Brandglocke alarmiert, zum Löschen herbeigeeilt waren. Die allgemeine Gefahr für die Stadt war umso größer, als alle Leitern von den Soldaten verheizt und sozusagen sämtliche Ledereimer aus dem Rathaus fortgeholt waren. Mit Gottes Hilfe wurde der Brand jedoch alsbald gelöscht. Am Morgen verließen die Franzosen unter Trommelwirbel in großer Zahl die Stadt. Ein Trost und eine Erleichterung für die sehr bedrückten Bürger. Diese Entspannung war aber nur ein Tropfen auf einen heißen Stein.
Zwei Tage vor dem Osterfest nämlich ließ Schönbeck, der im Hause des Kellners auf der Judenstraße wohnte, den Herrn Leonius, den Bürgermeister Nicolaus Claber und meinen Neffen Ägidius Wilmius verhaften und im Hause des Schultheißen festsetzen. Sie hatten laufend Lebensmittel und alle übrigen Bedarfsgegenstände für ihn zu beschaffen und dafür schon mehr als tausend Reichstaler ausgegeben. Er verlangte nunmehr von ihnen noch die zusätzliche Summe von 1.400 Reichstalern. Ihre Zahlungsverweigerung hatte zur Folge, daß sie zur Burg gebracht und schmählich in Haft gehalten wurden. Genau so ging Feltberg vor, der im Hause des Bürgermeisters Koy wohnte. Er verlangte von seinen Quartierswirten, die ihm alle Erfordernisse beschaffen mußten, 800 Reichstaler.
Ich hingegen mußte zur Ablösung der wöchentlichen Zahlungen wieder einmal 36 und noch einmal 18 Reichstaler geben.
Am 1. Mai, dem Fest der hl. Apostel Philippus und Jacobus, wurde ich ein weiteres Mal wegen der wöchentlichen Zahlung angesprochen. Ich war darob sehr bestürzt, weil ich vollkommen ausgeplündert war und keinen Weg mehr wußte, woher ich das Geld nehmen sollte.
Anfang Mai wurden, um das Unglück für unsere liebe Vaterstadt voll zu machen, die Giebel und Dächer der Mauern und Türme rund um die Stadt entfernt unter dem fadenscheinigen Vorwand, die Stadt würde auf diese Weise besser zu verteidigen sein. In Wirklichkeit lag eine Verteidigung der Stadt gegen die Kaiserlichen gar nicht in ihrer Absicht, sonst hätten sie ihr Zerstörungswerk an so vielen Häusern, sogar an den schönsten der Stadt, so beharrlich betrieben. Überdies sprachen gegen diese Absicht ihre dauernden Plünderungen und Belästigungen der Bürger, die sie bis ins Mark ausgesogen und vollständig ruiniert hatten. Das Aussehen der Stadt war so entstellt, daß sie ihren alten Glanz völlig verloren hat und sozusagen in eine Wüste verwandelt ist.
Am letzten Mai zogen die noch in Kempen stationierten Weimarer und Hessen zur Freude aller Bürger fort und marschierten in Richtung Köln.[6] Doch nach kurzer Zeit gings wieder zurück in Richtung Erft,[7] wo sie ihr Lager aufschlugen“.[8]
Wilmius erwähnt Isengard noch einmal Ende 1644: „Zwei Tage vor der Beschneidung des Herrn wurde der Herr Peter Wolter, Pastor von Vorst, von dem Wachtmeister Johannes Isengardt mit fünf oder sechs Musketenträgern zur großen Schmach des Klerus als Gefangener abgeführt. Es handelte es sich um einen Geldbetrag, den der Pastor von dem Wachtmeister geliehen, aber noch nicht zurückerstattet hatte“.[9]
[1] Neuenhaus [Kr. Grafschaft Bentheim]; HHSD II, S. 340.
[2] STEINWASCHER, Krieg, S. 60f.
[3] Kempen [LK Kempen-Krefeld]; HHSD III, S. 384ff.
[4] WILMIUS, Chronicon, S. 124ff.
[5] Rheinberg [LK Moers]; HHSD III, S. 636f.
[6] Köln; HHSD III, S. 403ff.
[7] Die Erft ist ein knapp 107 km langer linksseitiger bzw. südwestlicher Nebenfluss des Rheins in Nordrhein-Westfalen.
[8] WILMIUS, Chronicon, S. 128f.
[9] WILMIUS, Chronicon, S. 149.