Rieppur [Rüeppurg, Rippenburg, Rüppur], Ernst Friedrich von; Obristleutnant [ – ] Rieppur stand als Obristleutnant[1] in württembergischen Diensten und nahm 1632/1633 an der Belagerung und Eroberung Rottweils[2] teil.[3]
„Anfang Dezember 1632 griffen Rottweiler Bauern bei Seedorf[4] auf dem Gebiet der Reichsstadt 300 württembergische Musketiere[5] unter Hauptmann[6] Maisenbach, die nach württembergischer Darstellung in guter Ordnung von St. Georgen[7] nach Balingen[8] unterwegs waren; Maisenbach konnte sich nur mit knapper Not nach Sulz retten.[9] Württemberg wollte den Vorfall offenbar als Kriegserklärung verstehen, worauf Oberstleutnant von Rieppur Rottweil angriff. Schon am 19. Dezember 1632 wurden von den Angreifern in Deißlingen[10] 29 Häuser niedergebrannt und die Kirche schwer beschädigt.[11] Bald standen württembergische Streitkräfte des Herzogadministrators Julius Friedrich von Württemberg[12] vor der Reichsstadt und belagerten sie vom 24. Dezember 1632 an. Nach tapferer Gegenwehr und unterstützt von einer kleineren kaiserlichen Einheit, die offenbar im letzten Augenblick vor der Schließung des Belagerungsringes der Stadt erreicht hatte, wurde Rottweil am 5. Januar 1633 erstmals in seiner Geschichte zur Kapitulation gezwungen, nachdem es bei einem Ausfall an der Roten Steige zu besonders verlustreichen Kämpfen gekommen war. Schwer beschädigt wurde im Verlauf der Belagerung die Johanniterkommende,[13] von deren Hof aus Rottweiler Geschütze den Kampf mit der württembergischen Artillerie aufgenommen hatten“.[14]
Auf die Nachricht von der Annäherung der kaiserlichen Truppen gegen Tuttlingen[15] hatte der zum Schutz dieser Gegend in Rottweil und Schwenningen[16] aufgestellte Rieppur seinen Posten verlassen und sich über Mönchweiler[17] und St. Georgen nach Hornberg[18] und den 11./ 21.2.1633 sogar über Schiltach[19] bis nach Sulz[20] zurückgezogen.[21]
An Georgii 1633 wurde er Obristwachtmeister,[22] 1634 Obristleutnant.[23]
Rieppur wird mehrmals in dem Bericht des Obristen[24] Holtz[25] über den Rückzug der Württemberger von Villingen[26] nach Straßburg[27] im September 1634 erwähnt.
„1. Sept. Das Volk, so oberhalb Sulz gelegen, samt den bresthaften Stück aus Rottweil gegen Horb[28] marschieren lassen. Ein Ordinanz[29] von Herren Rheingrafen[30] einkommen. Obristlieutenant Rüppur mit Fürstl. Befehl von Stuttgart[31] zu Sulz angekommen“.[32]
„3. Sept. Ist alles Volk im Quartier still gelegen und des Herren General Rheinegrafen Ordre erwartet. Weil man nach Aussag des Oberstlieut. Rüppurs in Hoffnung gestanden, das ein Corpus formirt und am Neckar wieder ein Posten gefasst werde, ist die übrige und vermeint unnöthige Artillerie auch nach Tübingen[33] gesandt worden“.[34]
„9. Sept. Morgens um 8 Uhr dem Oberstlieut. Rüppur das Commando bei allem Volk anbefohlen, darauf in Person zu Herren General Rheingrafen nach Vayhingen[35] gereist“.[36]
„9. Sept. ]…] unterdessen kommt sein Gültlingers[37] Regiments-Schultheiss[38] Namens Christoph Beutelsbacher, dem ich (in Beisein des Ob. Lieut. Rüppur, item des Obervogts[39] und des Stadtschreibers zu Zell[40]) allen Verlauf erzählt.[…]
Abends um 6 Uhr zu Zell alles Volk aufgebrochen, den Marsch gegen Neuenbürg[41] genommen und folgender Gestalt aufgestellt:
1. 200 Mussquetier
2. Die Regiments-Stückhlein[42]
3. Alle Bagagy[43]
4. eine Prigade,[44] so Major[45] Kohl geführt.
5. eine Prigade, so Ob. Lieut. Rüppur geführt.
6. das geworbene Regiment.[46]
7. 200 Mussquetier.
8. die Dragoner[47] samt etlichen Franzosen“.[48]
„9. Sep. Unter anderem ist an Ob. Lieut. Rüppur ein Schreiben von Christoph Deimler einkommen, worin vermeldet, 100 Reichsth. herzugeben, dahrn man ihm gewähren wollte, mit fort auf Strassburg kommen, deme hierauf zur Antwort worden, wenn sie damit morgenden Tags den 10. dies frühe um 8 Uhr zu Neuenbürg auf dem bestimmten Rendezvous erscheinen und ferners gefolgen könne“.[49]
„11. Sept. Morgens früh kommt der Ob.Lieut. Rippur, so sich um etwas zurückverweilet und in der Nacht verirrt gewesen, bringt den Rittmeister[50] Herwart und etliche Reiter mit sich, die berichten, dass Gültlinger gestern eine Stunde in der Nacht (zwischen 8 und 9 Uhr) in Neuenbürg ankommen, der Feiind kurz darauf im Städtlein eingefallen, alles geschlagen und zertrümmert“.[51]
Von Martini 1642 bis zu seiner Entlassung am 16.6.1650 fungierte Rieppur als Kommissar.
[1] Obristleutnant: Der Obristleutnant war der Stellvertreter des Obristen, der dessen Kompetenzen auch bei dessen häufiger, von den Kriegsherrn immer wieder kritisierten Abwesenheit – bedingt durch Minderjährigkeit, Krankheit, Badekuren, persönliche Geschäfte, Wallfahrten oder Aufenthalt in der nächsten Stadt, vor allem bei Ausbruch von Lagerseuchen – besaß. Meist trat der Obristleutnant als militärischer Subunternehmer auf, der dem Obristen Soldaten und die dazu gehörigen Offiziere zur Verfügung stellte. Verlangt waren in der Regel, dass er die nötige Autorität, aber auch Härte gegenüber den Regimentsoffizieren und Soldaten bewies und für die Verteilung des Soldes sorgte, falls dieser eintraf. Auch die Ergänzung des Regiments und die Anwerbung von Fachleuten oblagen ihm. Zu den weiteren Aufgaben gehörten Exerzieren, Bekleidungsbeschaffung, Garnisons- und Logieraufsicht, Überwachung der Marschordnung, Verproviantierung etc. Der Profos hatte die Aufgabe, hereingebrachte Lebensmittel dem Obristleutnant zu bringen, der die Preise für die Marketender festlegte. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, waren umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen notwendig. Nicht selten lag die eigentliche Führung des Regiments in der Verantwortung eines fähigen Obristleutnants, der im Monat je nach Truppengattung zwischen 120 und 150 fl. bezog. Voraussetzung war allerdings in der bayerischen Armee die richtige Religionszugehörigkeit. Maximilian hatte Tilly den Ersatz der unkatholischen Offiziere befohlen; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Dreißigjähriger Krieg Akten 236, fol. 39′ (Ausfertigung): Maximilian I. an Tilly, München, 1629 XI 04: … „wann man dergleich officiren nit in allen fällen, wie es die unuorsehen notdurfft erfordert, gebrauchen khan und darff: alß werdet ihr euch angelegen sein lassen, wie die uncatholischen officiri, sowol undere diesem alß anderen regimentern nach unnd nach sovil muglich abgeschoben unnd ihre stellen mit catholischen qualificirten subiectis ersezt werden konnde“. Von Piccolomini stammt angeblich der Ausspruch (1642): „Ein teutscher tauge für mehrers nicht alß die Oberstleutnantstell“. HÖBELT, „Wallsteinisch spielen“, S. 285.
[2] Rottweil [LK Rottweil]; HHSD VI, S. 676ff.
[3] ENGERISSER; HRNČIŘÍK, Nördlingen, S. 50, Anm. 59 (die umfassendste und detaillierteste Darstellung der Schlacht).
[4] Seedorf, heute Ortsteil von Dunningen [LK Rottweil].
[5] Musketier: Fußsoldat, der die Muskete führte. Für den Nahkampf trug er ein Seitengewehr – Kurzsäbel oder Degen – und schlug mit dem Kolben seiner Muskete zu. In aller Regel kämpfte er jedoch als Schütze aus der Ferne. Deshalb trug er keine Panzerung, schon ein leichter Helm war selten. Eine einfache Muskete kostete etwa 3 ¼ Gulden, die qualitativ besseren Suhler Waffen das Doppelte, so dass seine Ausrüstung nicht so kostenintensiv war. Im Notfall wurden die Musketiere auch als Dragoner verwendet, die aber zum Kampf absaßen. Der Hildesheimer Arzt und Chronist Dr. Jordan berichtet den einzigen bisher bekannten Fall (1634), dass sich unter den Gefallenen eines Scharmützels auch ein weiblicher Musketier in Männerkleidern gefunden habe. SCHLOTTER; SCHNEIDER; UBBELOHDE, Acta, S. 194. Allerdings heißt es schon bei Stanislaus Hohenspach (1577), zit. bei BAUMANN, Landsknechte, S. 77: „Gemeiniglich hat man 300 Mann unter dem Fenlein, ist 60 Glied alleda stellt man welsche Marketender, Huren und Buben in Landsknechtskleyder ein, muß alles gut seyn, gilt jedes ein Mann, wann schon das Ding, so in den Latz gehörig, zerspalten ist, gibet es doch einen Landsknecht“. Bei Bedarf wurden selbst Kinder schon als Musketiere eingesetzt (1632); so der Benediktiner-Abt Gaisser; STEMMLER, Tagebuch Bd. 1, S. 181f.; WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß; BRNARDÍC, Imperial Armies I, S. 33ff.; Vgl. KEITH, Pike and Shot Tactics; EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 59ff.
[6] Hauptmann: Der Hauptmann (schwed. Kapten) war ein vom Obristen eingesetzter Oberbefehlshaber eines Fähnleins der Infanterie, das er meist unter Androhung einer Geldstrafe auf eigene Kosten geworben und ausgerüstet hatte. Der Hauptmann warb daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. In der Kompanie-Stärke wurden sogenannte „Passevolants“ mitgerechnet, nichtexistente Söldner, deren Sold ihm zustand, wenn er Deserteure und verstorbene Soldaten ersetzen musste. Der monatliche Sold eines Hauptmanns betrug 160 fl. (Nach der Umbenennung des Fähnleins in Kompanie wurde er als Kapitän bezeichnet.) Der Hauptmann war verantwortlich für Werbung und Soldzahlung, für Disziplin, Ausrüstung und Verpflegung sowie für die Ernennung der untergebenen Führer. Er musste die standesgemäße Heirat seiner Untergebenen bewilligen. Oft war er in erster Linie für die materielle Versorgung der Truppe zuständig, und die eigentlich militärischen Aufgaben wurden von seinem Stellvertreter, dem Kapitänleutnant, übernommen. Der Hauptmann marschierte an der Spitze des Fähnleins, im Zug abwechselnd an der Spitze bzw. am Ende. Bei Eilmärschen hatte er zusammen mit einem Leutnant am Ende zu marschieren, um die Soldaten nachzutreiben und auch Desertionen zu verhindern. Er kontrollierte auch die Feldscher und die Feldapotheke. Er besaß Rechenschafts- und Meldepflicht gegenüber dem Obristen, dem Obristleutnant und dem Major. Dem Hauptmann der Infanterie entsprach der Rittmeister der Kavallerie. Junge Adlige traten oft als Hauptleute in die Armee ein. Jedoch muss man wohl davon ausgehen, dass nicht alle Offizierschargen in gleichem Umfang an diesen lukrativen Geschäften beteiligt waren. Die bei DAMBOER, Krise, S. 150, dargestellte „Schatzkammer“ eines Hauptmanns ist nicht unbedingt typisch.
[7] Sankt Georgen im Schwarzwald [Schwarzwald-Baar-Kr.]; HHSD VI, S. 687f.
[8] Balingen [Zollernalbkr.]; HHSD VI, S. 61ff.
[9] GEISELHART, Zur Geschichte, S. 40ff.
[10] Deißlingen [LK Rottweil].
[11] SPICKER-BECK, Feuer, S. 200ff.
[12] Julius Friedrich von Württemberg-Weiltingen, Herzogadministrator [3.6.1588 Mömpelgard-25. 4.1635 Straßburg] war Herzog, Herzogadministrator u. Stifter v. Württemberg-Weiltingen.
[13] Johanniter: Johanniter, Rhodiser, Hospitaliter; der älteste geistliche Ritterorden, nach der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzritter 1099 als Orden begründet. In der Ordensregel von 1137 als Militär-Ritterorden verstanden. 1308-1310 Eroberung von Rhodos und seiner Nachbarinseln, 1523 Verlust von Rhodos, 1524 Malta und seine Nachbarinseln von Karl V. erbeten und 1630 als Lehen erhalten. – Kommende: I. erledigte, einstweilen von einem Nachbargeistlichen mitverwaltete Pfarrstelle, II. eine geistliche Pfründe, die einem Geistlichen oder Laien zum Genuss der Einkünfte zur Verfügung gestellt wurde, ohne dass er die Pflichten des damit verbundenen Amtes ausüben musste. III. bei den Ritterorden das Grundvermögen, das einem einzelnen Komtur zur Verwaltung und Nutzung überlassen wurde, IV. Ordenshaus der Johanniter oder des Deutschen Ordens, von einem Komtur geleitet, auch Komturei genannt.
[14] HECHT, Rottweil 1529-1643, S. 134d.
[15] Tuttlingen [LK Tuttlingen]; HHSD VI, S. 806f.
[16] Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kr.]
[17] Mönchweiler [LK Schwarzwald-Baar-Kreis].
[18] Hornberg [Ortenaukr.]; HHSD VI, S. 364f.
[19] Schiltach [LK Rottweil].
[20] Sulz am Neckar [Kr. Rottweil]; HHSD VI, S. 780f.
[21] MARTENS, Geschichte, S. 331.
[22] Obristwachtmeister: Der Obristwachtmeister mit einem monatlichen Sold von 50 fl. entsprach vom Rang her dem Major in der schwedischen Armee. Er sorgte für die Ausführung der Anordnungen und Befehle des Obristen und Obristleutnants. Im Frieden leitete er die Ausbildung der Soldaten und war verantwortlich für die Regimentsverwaltung. Im Krieg sorgte er für Ordnung auf dem Marsch und im Lager, beaufsichtigte die Wach- und Patrouillendienste und stellte die Regimenter in Schlachtordnung. Zudem hatte er den Vorsitz im Kriegs- und Standgericht.
[23] Freundlicher Hinweis von Herrn Jan Wöllper.
[24] Obrist: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S.388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide. II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.
[25] Vgl. WÖLLPER, Georg Friedrich von Holtz, unter: http//www.koni.onlinehome.de; HOLTZ, Generalfeldzeugmeister Georg Friedrich vom Holtz.
[26] Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kr.]
[27] Straßburg [Strasbourg, Dép. Bas-Rhin].
[28] Horb am Neckar [LK Freudenstadt].
[29] Ordinanz, Ordonnanz: (militärische) Verfügung; Befehl; Anweisung, Verordnung, die nicht immer eingehalten wurde. Zum Teil wurde den Soldaten von ihren Vorgesetzten in aller Öffentlichkeit sogar verboten, sich an die Ordonnanzen zu halten; MAIER, Unterpfalz, S. 321.
[30] Otto Ludwig, Wild- und Rheingraf von Salm in Kirburg, Mörchingen und Tronecken; General [13.10.1597 – 16.10.1634].
[31] Stuttgart; HHSD VI, S. 768ff.
[32] HOLTZ, Holtz, S. 54. Freundlicher Hinweis von Herrn Jan Wöllper.
[33] Tübingen [LK Tübingen]; HHSD VI, S. 801ff.
[34] HOLTZ, Holtz, S. 54.
[35] Vaihingen an der Enz [Kr. Ludwigsburg]; HHSD VI, S. 832.
[36] HOLTZ, Holtz, S. 56.
[37] Jakob Bernhard Ritter von Gültlingen; Generalproviantmeister, Obrist [ – 1645].
[38] Auditor (Regimentsschultheiß): militärischer Justizbeamter: Richter eines Unterkriegsgerichts, der für sämtliche militärische Gerichtssachen innerhalb eines Regimentes und dessen Trosses zuständig war. Mit dem Unterkriegsgericht stand der Auditor einer Instanz vor, die im 17. Jahrhundert das genossenschaftliche Schultheißengericht (vgl. BLAU, Die deutschen Landsknechte, S. 54ff.) ablöste, und so war der Auditor kein erfahrener Söldner, sondern ein ausgebildeter, nicht dem Regiment angehörender Jurist (vgl. BURSCHEL, Söldner, S. 141ff.), der aus der Beamtenschaft des Kriegsherrn rekrutiert wurde. Er unterstand dem Befehl des Obristen, erhielt aber nur 20 Rt. samt Gebühren pro Monat und war deshalb empfänglich für „Verehrungen“, zumal auch er meist mit Familie, immer aber mit Gesinde und einem Soldatenjungen reiste. Er wurde in der Regel auf die Initiative des Feldmarschalls bzw. des Obristen hin tätig. Ihm waren zwölf Geschworene und ein Gerichtsschreiber zugeordnet. Der Auditor bedurfte der Erfahrung in Inquisitions- und Kriegsprozessen sowie in bürgerlichen und natürlichen Rechten, genoss aber teilweise ein recht fragwürdiges Ansehen. Die nach den Grundsätzen des Militärstrafrechts verhängten Urteile betrafen zumeist Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung. Todesurteile wurden teilweise, insbesondere bei entstehenden Unruhen in der Truppe, dem Kommandeur vorgelegt und nach dessen Bestätigung in der Regel öffentlich vollstreckt. Vgl. auch STIELER, Auditeur, über seine Erfahrungen in der brandenburg-preussischen Armee; dazu BERG, Der Spate.
[39] Landvogt: zur Verwaltung gefährdeten Reichsgut eingesetzter landesherrlicher Beamter für die gesamte Verwaltung einschließlich Finanzen und Militärwesen der Landvogtei. Er besaß die hohe Gerichtsbarkeit, zumeist vergleichbar mit der Stellung eines Oberamtmanns.
[40] Zell am Harmersbach [Ortenaukr.]; HHSD VI, S. 905f.
[41] Neuenbürg [Enzkr.]; HHSD VII, S. 561.
[42] Regimentsstück: leichtes Feldgeschütz, durch Gustav II. Adolf eingeführt, indem er jedem Infanterie-Regiment ständig zwei leichte Geschütze zuordnete. Die Bedienung übernahmen erstmals besonders eingeteilte Soldaten. Die Regimentsstücke waren meist 3-Pfünder-Kanonen. Sie wurden durch eine Protze im meist zweispännigen Zug, gefahren vom Bock. d. h. der Fahrer saß auf der Protze, beweglich gemacht. [wikipedia]
[43] Bagage: Gepäck; Tross. „Bagage“ war die Bezeichnung für den Gepäcktrain des Heeres, mit dem die Soldaten wie Offiziere neben dem Hausrat auch ihre gesamte Beute abtransportierten, so dass die Bagage während oder nach der Schlacht gern vom Feind oder von der eigenen Mannschaft geplündert wurde. Auch war man deshalb darauf aus, dass in den Bedingungen bei der freiwilligen Übergabe einer Stadt oder Festung die gesamte Bagage ungehindert abziehen durfte. Manchmal wurde „Bagage“ jedoch auch abwertend für den Tross überhaupt verwendet, die Begleitmannschaft des Heeres oder Heeresteils, die allerdings keinen Anspruch auf Verpflegungsrationen hatte; etwa 1, 5 mal (im Anfang des Krieges) bis 3-4mal (am Ende des Krieges) so stark wie die kämpfende Truppe: Soldatenfrauen, Kinder, Prostituierte 1.-4. Klasse („Mätresse“, „Concubine“, „Metze“, „Hure“), Trossjungen, Gefangene, zum Dienst bei der Artillerie verurteilte Straftäter, Feldprediger, Zigeuner als Kundschafter und Heilkundige, Feldchirurg, Feldscherer, Handwerker, Sudelköche, Krämer, Marketender, -innen, Juden als Marketender, Soldatenwitwen, invalide Soldaten, mitlaufende Zivilisten aus den Hungergebieten, ehemalige Studenten, Bauern und Bauernknechte, die während der schlechten Jahreszeit zum Heer gingen, im Frühjahr aber wieder entliefen, Glücksspieler, vor der Strafverfolgung durch Behörden Davongelaufene, Kriegswaisen etc. KROENER, „ … und ist der jammer nit zu beschreiben“; LANGER, Hortus, S. 96ff.
[44] Brigade: Anfangs bestand die schwedische Brigade aus 4 Schwadronen (Squadrons) oder Halbregimentern, also 2016 Mann und 256 Offizieren, ab 1631 nur noch aus 3 Schwadronen Fußvolk zu je 504 Mann und 64 Offizieren. Die insgesamt 1512 Mann waren in 648 Pikeniere und 864 Musketiere eingeteilt, die in Rotten zu je 6 Mann aufgestellt waren.
Bresche, brescia, bresica, breccia: durch Geschützfeuer erreichte Sturmlücke in der Stadtmauer.
[45] Major: Der Major war im Dreißigjährigen Krieg der Oberwachtmeister des Regiments (zunächst nur in der Infanterie). Er sorgte für die Ausführung der Anordnungen und Befehle des Obristen und Obristleutnants. Im Frieden leitete er die Ausbildung der Soldaten, sorgte für die Instandhaltung ihrer Waffen, hatte die Aufsicht über die Munition und war verantwortlich für die Regimentsverwaltung. Im Krieg sorgte der Major für Ordnung auf dem Marsch und im Lager, beaufsichtigte die Wach- und Patrouillendienste und stellte die Regimenter in Schlachtordnung. Zudem hatte er den Vorsitz im Kriegs- und Standgericht.
[46] Regiment: Größte Einheit im Heer: Für die Aufstellung eines Regiments waren allein für Werbegelder, Laufgelder, den ersten Sold und die Ausrüstung 1631 bereits ca. 135.000 fl. notwendig. Zum Teil wurden die Kosten dadurch aufgebracht, dass der Obrist Verträge mit Hauptleuten abschloss, die ihrerseits unter Androhung einer Geldstrafe eine bestimmte Anzahl von Söldnern aufbringen mussten. Die Hauptleute warben daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. Wegen der z. T. immensen Aufstellungskosten kam es vor, dass Obristen die Teilnahme an den Kämpfen mitten in der Schlacht verweigerten, um ihr Regiment nicht aufs Spiel zu setzen. Der jährliche Unterhalt eines Fußregiments von 3.000 Mann Soll-Stärke wurde mit 400- 450.000 fl., eines Reiterregiments von 1.200 Mann mit 260.-300.000 fl. angesetzt. Zu den Soldaufwendungen für die bayerischen Regimenter vgl. GOETZ, Kriegskosten Bayerns, S. 120ff.; KAPSER, Kriegsorganisation, S. 277ff. Ein Regiment zu Fuß umfasste de facto bei den Kaiserlichen zwischen 650 und 1.100, ein Regiment zu Pferd zwischen 320 und 440, bei den Schweden ein Regiment zu Fuß zwischen 480 und 1.000 (offiziell 1.200 Mann), zu Pferd zwischen 400 und 580 Mann, bei den Bayerischen 1 Regiment zu Fuß zwischen 1.250 und 2.350, 1 Regiment zu Roß zwischen 460 und 875 Mann. Das Regiment wurde vom Obristen aufgestellt, von dem Vorgänger übernommen und oft vom seinem Obrist-Leutnant geführt. Über die Ist-Stärke eines Regiments lassen sich selten genaue Angaben finden. Das kurbrandenburgische Regiment Carl Joachim von Karberg [Kerberg] sollte 1638 sollte auf 600 Mann gebracht werden, es kam aber nie auf 200. Karberg wurde der Prozess gemacht, er wurde verhaftet und kassiert; OELSNITZ, Geschichte, S. 64. Als 1644 der kaiserliche Generalwachtmeister Johann Wilhelm von Hunolstein die Stärke der in Böhmen stehenden Regimenter feststellen sollte, zählte er 3.950 Mann, die Obristen hatten 6.685 Mann angegeben. REBITSCH, Gallas, S. 211; BOCKHORST, Westfälische Adlige.
[47] Dragoner (frz. dragon): leichter Reiter, der auch zu Fuß focht, benannt nach den mit Drachenkopf (dragon) verzierten Reiterpistolen, nach KEITH, Pike and Shot Tactics, S. 24, aus dem Holländischen „dragen“ bzw. „tragen“. Der Dragoner war ein berittener Infanterist (der zum Gefecht absaß), da das Pferd zu schlecht war, um mit der Kavallerie ins Gefecht reiten zu können. Berneck, Geschichte der Kriegskunst, S. 136. Auch äußerlich war der Dragoner nicht vom Infanteristen zu unterscheiden. Zudem verfügte in der schwedischen Armee 1631/32 etwa nur die Hälfte der Dragoner überhaupt über ein Pferd. Oft saßen daher zwei Dragoner auf einem Pferd. Falls überhaupt beritten, wurden die Dragoner als Vorhut eingesetzt, um die Vormarschwege zu räumen und zu sichern. Zum Teil wurden unberittene Dragoner-Einheiten im Kampf auch als Musketiere eingesetzt. „Arbeiter zu Pferd“ hat man sie genannt. Eine Designation vom 13.7.1643 über die Verwendung des Werbegeldes bzw. die Abrechnung für einen Dragoner stellt 44 Gulden 55 Kreuzer in Rechnung. Vgl. WALLHAUSEN, Kriegs-Kunst zu Pferd.
[48] HOLTZ, Holtz, S. 57.
[49] HOLTZ, Holtz, S. 57.
[50] Rittmeister (Capitaine de Cavallerie): Oberbefehlshaber eines Kornetts (später Esquadron) der Kavallerie. Sein Rang entspricht dem eines Hauptmannes der Infanterie (vgl. Hauptmann). Wie dieser war er verantwortlich für Werbung und Soldzahlung, für Disziplin, Ausrüstung und Verpflegung sowie für die Ernennung der untergebenen Führer. Oft war er in erster Linie für die materielle Versorgung der Truppe zuständig, und die eigentlich militärischen Aufgaben wurden von seinem Stellvertreter, dem Leutnant, übernommen. Bei den kaiserlichen Truppen standen unter ihm Leutnant, Kornett, Wachtmeister, 2 oder 3 Korporale, 1 Fourier oder Quartiermeister, 1 Musterschreiber, 1 Feldscherer, 2 Trompeter, 1 Schmied, 1 Plattner. Bei den schwedischen Truppen fehlten dagegen Sattler und Plattner, bei den Nationalschweden gab es statt Sattler und Plattner 1 Feldkaplan und 1 Profos, was zeigt, dass man sich um das Seelenheil als auch die Marsch- und Lagerdisziplin zu kümmern gedachte. Zudem wurde der Rittmeister, der in einer Kompanie Kürassiere 150 fl. Monatssold beanspruchte, bei seiner Bestallung in der Regel durch den Obristen mit Werbe- und Laufgeld zur Errichtung neuer Kompanien ausgestattet. Junge Adlige traten oft als Rittmeister in die Armee ein.
[51] HOLTZ, Holtz, S. 58f.