Morrien zu Nordkirchen, Johann Freiherr von; Obrist [1597 – 30.3.1628] Morrien zu Nordkirchen,[1] als Erbmarschall des Stifts Münster ein prominenter Vertreter der Ritterschaft, wurde mit 21 Jahren am 23.5.1619 von Ferdinand von Köln für das Stift Münster zum Rittmeister bestellt und mit der Werbung von fünfzig Arkebusierreitern beauftragt. Die Musterung erfolgte am 21.6.1619 in Gegenwart von Vertretern der Landstände in Coesfeld.[2] Für die Kompanie wurden monatlich 850 Rt. bereitgestellt, wovon 350 Rt. an die Offiziere für Besoldung und „avantagiegelt“ gehen sollten. Die einfachen Soldaten erhielten je 10 Rt.
Der reformiert gesinnte Morrien scheint allerdings nicht lange in den Diensten seines Landesherren geblieben zu sein, sondern hat sich offenbar in den folgenden Jahren nach lukrativeren Bestallungen umgesehen und dazu auch Kontakte mit fremden Fürsten aufgenommen. Ferdinand von Köln hatte wiederholt Kanzler und Räte in Münster[3] angewiesen, ein vollständiges Verzeichnis aller Personen zu erstellen, die in die Dienste Mansfelds oder Christian von Braunschweigs getreten waren.[4] Dadurch geriet er bei Ferdinand von Köln in Verdacht und konnte nur auf Fürsprache des Bischofs von Osnabrück, des Kardinals Eitel von Hohenzollern, die Gnade seines Landesherren zurückgewinnen, der ihm am 26. März 1626 einen schriftlichen Pardon gewährte. Die damit verbundene Warnung ignorierte Morrien allerdings.
Schon Anfang 1627 stand er in Verhandlungen mit Christian IV. von Dänemark, der nach den Verlusten in der Schlacht bei Lutter am Barenberge[5] (1626) dringend Soldaten benötigte und den doch relativ unerfahrenen Morrien am 11.4.1627 zum Obristen bestallte. Morrien erhielt den Auftrag, „daß unß er nicht allein ein regiment zu pferdt auff 1000 roß, besonderen auch eins zue fueß auff 3000 heupt guter ohnstraffbahrer teutscher reuter und knecht in unserm nahmen so ehist müglich werben, uff die beine bringen undt unß zuführen soll“.[6] Das Anrittgeld für ein Pferd sollte in der dänischen Armee 10 Rt., das Mustergeld für einen Soldaten 4 Rtl. betragen. Ein Kürassier musste mit einem 16 „Palmen“ hohen Pferd, Degen und Pistolen antreten. Der Kürass kostete ihn 15 Rt. Er durfte ein kleineres Gepäckpferd und einen Jungen mitbringen. Der Arkebusier hatte ebenfalls Pferd, Degen und Pistolen mitzubringen, durfte aber ein 2. Pferd nur halten, wenn er von Adel war. Für Brust- und Rückenschild musste er 11 Rt. zahlen. Der Infanterist brachte den Degen mit und ließ sich für das gelieferte Gewehr einen Monatssold im ersten halben Jahr seines Dienstes abziehen. Bei der Auflösung des Regiments erhielten die Soldaten sämtliche Waffen mit einem Drittel des Ankaufspreises vergütet, falls der Infanterist noch nicht 6 Monate, der Kavallerist noch nicht 10 Monate gedient hatte; andernfalls mussten sie die Waffen ohne jede Vergütung abliefern. Der Kürassier erhielt für sich und seinen Jungen täglich 2 Pfd. Fleisch, 2 Pfd. Brot, 1/8 Pfd. Butter oder Käse und 3 „Pott“ Bier. Arkebusier und Infanterist bekamen die Hälfte. Die tägliche Ration betrug 12 Pfd. Heu, Gerste oder Hafer nach den Vorräten. An das Kommissariat musste der Kürassier für Portion und Ration monatlich 7 Rt., an den Wirt im eigenen oder kontribuierenden Land musste der Kürassier 5, der Unteroffizier 4, der Sergeant 3, Arkebusier und Infanterist 2 1/2 Rt. zahlen. Im besetzten Land, das keine Kontributionen aufbrachte, wurde ohne Bezahlung requiriert. Ein Teil des Handgeldes wurde bis zum Abschied zurückbehalten, um Desertionen zu verhüten, beim Tode wurde der Teil an die Erben ausbezahlt. Kinder und Witwen bezogen einen sechsmonatlichen Sold. Die Werbung durch Morrien sollte zwar für den Dänen in dessen Eigenschaft als Obrist des Niedersächsischen Kreises erfolgen, doch richtete sich die Intention ganz klar gegen Ferdinand II., da die Mittel für die Anwerbung von Karl I. von England aufgebracht wurden, dessen Schwester Elisabeth Stuart die Aktion brieflich aus ihrem Den Haager Exil unterstützte. Morrien scheint sich zwar in der folgenden Zeit um die Aufbringung der Truppen bemüht zu haben, hatte dabei aber offenbar große Probleme. Vergebens wartete er auf das Geld aus England und war schließlich gezwungen, selbst Mittel durch Belastung seiner Güter aufzubringen und davon das Mustergeld und die Kosten für die Ausrüstung der Soldaten aufzubringen. Allerdings konnte er einen Teil der Kosten an die ihm unterstellten Offiziere weitergeben, mit denen er Verträge über die Aufstellung einzelner Truppenteile abschloss. So bestallte er am 13.6.1627 den Wilhelm Johanßen zum Obristleutnant mit der Verpflichtung, „500 unthadelbare wollgemuntirte reutter sampt den darzue gehörigen officirern“ zu stellen.[7] Morrien als Kriegsunternehmer minimierte damit nach seiner Auffassung das eigene Risiko und band zugleich den Obristleutnant, der hier als Subunternehmer fungierte, fest an sich. Trotz dieser Maßnahmen – denn ähnliche Verträge wird er auch mit den Offizieren des aufzustellenden Fußregiments abgeschlossen haben – hat er nach eigenen Angaben mehr als 30.000 Rt. aus eigenen Mitteln eingesetzt. Neben der sehr schwierigen Finanzierung ergab sich auch das Problem, dass er in seinem Heimatbereich nur sehr begrenzt Werbungen durchführen konnte. In Westfalen hatten sich seine Aktivitäten rasch herumgesprochen und waren hier auf Widerstand und Ablehnung gestoßen. Ferdinand von Köln untersagte jegliche Unterstützung Morriens, der sich mit einem offenbaren Reichsfeind verbunden hatte. Mitten in den Werbungen stürzte Morrien unglücklich vom Pferd und starb am 30.3.1628 an den Folgen des Unfalls.
In der Chronik des niederrheinischen Chronisten Heinrich von Weseken aus Wesel[8] heißt es dazu unter 1629: „9. Apr[ilis] ist auff dem Abend hier kommen Burchardus Brinckman Mindensis,[9] viertzehn Jahr gewesener Pastor zu Werden,[10] darnach ist er bey dem Marschalck Johan Morrien (welcher baronnirt) ein zeitlang gewesen und auff dem Residentz-Hauß zu Nort-Kercken, ein Meil Wegs dißseits Lunen[11] gelegen, gepredigt, rühmete den Marschalck sehr wegen seines Eyffers in der reinen Lehr und beklagte noch seinen jämmerlichen Todt. Sagte, daß alß die vier Graven von Ritbergh [Rietberg; BW] ungefehr fur ein Jahr da kommen, hab einer, Enno genandt, den Marschalck dahin beredet mit seinem Pferdt so ganz [fehlt] und [fehlt] zu pichthiren und in der Wedde aver die Brugge zu rennen, welches geschehen. Daruber der Graff vorhin gerant und ihm der Marschalck gefolget, so geschwind rennend, daß des Graven Pferdt hinder auff daß ander aver des [fehlt] gesprungen, daruber zu ruck uber geschlagen, und der Marschalck auff die Läne der Bruggen mit dem Haupt dermaßen geschlagen, daß ihm die Hernen[12] auß dem Haupt gesprungen und mit dem Gaulen vort in den Graben gefallen. Da seyn ihm 2 Lackheyen nha gesprongen, so zwar noch lebendig gereddigt, aber doch baldt darnha ohn einige Sprach verstorben. Alß er nun todt wahr, hat seine Gemahlin, eine Gräfin von Styrumb (dero Bruder Gouverneur sein bey den Staten, Graff Herman Ott zu Groll,[13] der ander zu Zutphen[14]) so gantz papistisch, und zuvor im Clooster zu Vreden[15] gewesen, nha die Jesuiter gesandt, welche baldt kommen, und alles reformirt (ohn Zweiffel auß Anstifftung deß Dhom-Capittels zu Münster, habe das Gesinde deß Hauses, welches viel gewesen so nicht päpstisch werden wollen, abgedanckt, Burchadum mit der Kinder Praeceptorem auch, haben ihm doch Verbotung viel promittirt, wan er abfallen wolte, hette sich aber, Gott lob, fur ihrer List und Betrug bestendig gehalten. Erzehlte auch, daß der Marschalck sehr grosse Guter hette, an Geld allein (ohn die Korn-Renthen) jährlich 30000 R[i]xd[a]l[e]. hette uber 30 Pferdt auff der Strew gehaalten, auff der Vestung wehren bey die 22 Stücken Geschütz und 60 Soldaten auff seinem Hause unterhalten pro defensione“.[16]
Morrien hinterließ seine Witwe und vier unmündige Kinder in einer außerordentlich schwierigen Lage. Ferdinand II. vertrat die Auffassung, dass Morrien wegen seiner „hochschädlichen conspirationen“ mit der Konfiszierung seiner Güter bestraft werden müsse und hatte sie schon für den Präsidenten des Reichshofrates, Graf Wratislaw von Fürstenberg, bestimmt. Nur die Tatsache, dass die Werbungen nicht zum Ziel gelangt waren und die Witwe, eine geborene Gräfin von Limburg-Styrum, im Gegensatz zu ihrem reformierten Ehemann katholisch geblieben war, dem Hochadel entstammte und über gute Beziehungen verfügte, verhinderte das Schlimmste. Als sich die Witwe 1632 an Christian IV. wandte, um die von ihrem Mann aufgebrachten Kosten erstattet zu bekommen, lehnte dieser ihre Ansprüche mit der juristisch korrekten Begründung ab, „daß gedachter seeliger herr mit derogleichen werbungen niemahls auffkommen, vielweiniger einige compagnien zur musterungh, wie der buchstab unsers (…) mandati erfordert, würcklich praesentirt“ habe.[17]
[1] Nordkirchen [LK Lüdinghausen]; HHSD III, S. 570f.
[2] Coesfeld; HHSD III, S. 144ff.
[3] Münster; HHSD III, S. 537ff.
[4] SCHÜTTE, Dreißigjähriger Krieg, S. 37.
[5] Lutter am Barenberge [Kr. Gandersheim]; HHSD II, S. 315f.
[6] Nach BOCKHORST, Westfälische Adelige, S. 22f.
[7] BOCKHORST, Westfälische Adelige, S. 23.
[8] Wesel; HHSD III, 773ff.
[9] Minden [LK Minden]; HHSD III, S. 517ff.
[10] Werden; heute Stadtteil von Essen; HHSD III, 213f.
[11] Lünen; HHSD III, 486f.
[12] Gehirn.
[13] Alter Name für Groenlo [Privinz Gelderland].
[14] Zutphen [Prov. Gelderland].
[15] Vreden [LK Ahaus], HHSD III, S. 743f.
[16] BAMBAUER; KLEINHOLZ, Geusen, S. 373f.
[17] Nach BOCKHORST, Westfälische Adelige, S. 23.