Lippe-Detmold, Simon Ludwig Graf zur [14.3.1610 Brake – 8.8.1636 Detmold] Zur Nachfolge Simons VII. zur Lippe (1587-1627) war sein ältester Sohn Simon Ludwig, geboren am 14.3.1610, berechtigt. Simon Ludwig war gerade 17 Jahre alt, als sein Vater starb. Nach geltendem Recht musste eine Vorherrschaft für ihn eingerichtet werden. Der dafür in Frage kommende Graf Otto IV. zur Lippe-Brake stellte derartige Ansprüche an die Übernahme dieser Aufgabe, dass daraus, auch wegen des ohnehin angespannten Verhältnisses nichts wurde. Als Vormund nominiert wurde Graf Johann von Nassau-Hadamar [1690-1653], der mit Ursula, einer Schwester Simons VII., verheiratet war. Allerdings hielt er sich in dieser Angelegenheit sehr zurück, so dass die anfallenden Geschäfte von Christian Graf von Waldeck [1585-1637] geführt wurden. Christian war der Vater von Maria Magdalena, Simons VII. Witwe, und somit Stiefgroßvater seines Mündels.
Sein Bruder Hermann Adolf zur Lippe ([590-1620] hatte 1620 im Kolleg der Societas Jesu zu Würzburg[1] das kath. Glaubensbekenntnis abgelegt und das vom Vater ererbte Klostergut der Paderborner[2] Societas Jesu vermacht, was Simon Ludwig zu verhindern gesucht hatte, bis der Reichshofrat durch Reskript vom 27.2.1626 die SJ in Falkenhagen[3] – das später von Friedrich von Spee gegen einen schwedischen Angriff verteidigt wurde – eingesetzt hatte. Am 14.9.1626 war Falkenhagen durch kaiserliche Kommissäre und 150 Soldaten besetzt worden.[4] Der Streit um den Besitz Falkenhagens sollte über 170 Jahre dauern.
Simon Ludwig wurde der Tradition entsprechend zu seiner weiteren Ausbildung auf die Reise geschickt. 1627 kam er an den Hof seines Onkels, des Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen. Er wurde Mitglied der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ als der Durchsuchende“. 1628 begleitete er Otto IV. zur Lippe-Brake nach Prag an den kaiserlichen Hof, wo dieser die Beschlagnahme seiner Güter rückgängig zu machen gedachte, was letztlich auch Erfolg hatte. Zusammen mit seinem Hofmeister Hermann Hunold reiste er nach Frankreich und Savoyen. Berichte Hunolds stammen aus Genf und Dijon, 1629 aus Blois, März 1630 aus Paris, und nachdem man auch England und die Niederlande besucht hatte, kehrte er im August 1630 nach Hause zurück. Anfang 1631 wurde für Simon Ludwig beim Kaiser die vorzeitige Volljährigkeitserklärung – die venia aetatis datiert vom 5.5.1631 – beantragt.
In diesem Jahr heiratete Simon Ludwig die Gräfin Catherina von Waldeck [1612-1649], eine Tochter seines Vormunds Christian von Waldeck. Catherina war eine jüngere Schwester seiner Stiefmutter Maria Magdalena (1600-1671). Anfang 1632 dürfte Simon Ludwig die Regierungsgeschäfte aufgenommen haben. Unter dem Einfluss seines Kanzlers Christoph Deichmann[5] gab er seine Neutralität auf und näherte sich Schweden an.
Diese Annäherung an den Gegner brachte ihn bei den Kaiserlichen in Misskredit und dem Land neue Lasten. Ende September hatte sich Tilly nach der verlorenen Schlacht bei Breitenfeld[6] in die Hamelner[7] Gegend zurückgezogen und schien auch gegen die Lipper nicht gerade freundlich gesinnt gewesen zu sein. In einem Brief ohne Unterschrift und Adresse hieß es: „… lieber Vetter ! Gestrigs Tages habe ich von einem guten bekannten Mann verstanden, daß er von einem vornehmen Mann unter des Herrn v. Tilly Armee, der um die Sache wohl gewußt, daß den Soldaten die Grafschaft zu plündern erlaubet und freigestellt, welches mich zum Herzen, weiß der liebe Gott, sehr betrübet …“[8] „Am 15./25. November kündigte Oberst Bönninghausen an, daß er mit sei-nem Regiment, 11 Kompagnien stark, nebst 2 Kompagnien von Piccolomini und 1 Kompagnie Kroaten sich für kurze Zeit in Lippe einquartieren wolle und zwar nur in den Städten, offenbar weil es ihm wegen der Nähe der Feinde zu gefährlich schien, die Truppen auf dem Lande zu verteilen. Vergebens protestierten die Städte, allen voran wieder Lemgo,[9] welches sogar, wie es scheint, die Absicht hatte, sich mit Gewalt zu widersetzen. Der kaiserliche General Graf v. Gronsfeld sah sich deshalb veranlaßt, folgendes Schreiben an Bürgermeister und Rat der Stadt zu richten: …. Waßmaßen es die unumbgängkliche Notturft erfordert etliche Truppen in die Graffschaft Lippe zu verleggen, daß werden die Herren nunmehr nach Genüge vernommen haben. Ob nun woll wir zwar der trostlichen Zuversicht gelebet, sie würdten der Röm. Kays. Maytt. zu allerunterthenigstem Gehorsamb etwas von benanten Truppen in Ihre Stadt eingenommen haben, so müßen wir uns doch berichten laßen, daß sie sich ganz wiederwillig erzeiget, alle praeparatoria zu einer tefension (!) ins Werk gerichtet und sich in keinem unangesehen Ihres gnedigen Herrn selbst persöhnlich instendigen Anmahnens bequemen wollen, derohalben wir vor nöthig erachtet Sie hiemit zu verstendigen, daß diese Einquartierung nicht zu dem Ende angesehen, daß man Ihnen eine unleidentliche Last aufzubürden gemeinet, sondern allein damitt Ihrer Kays. Maytt. offenbahren Feinden daß offene Werben und Zutritt in etwas verbotten werden möge, auch woll leiden, daß die Einquartierung also gering seyn, alß wie Sie es selbsten gerne sehen und leiden mugen, dan sie sich im widrigen Fall woll zu versichern, wan wir Sie über Gebühr zu beladen gemeinet wehren, daß wir Ihr armiren weinig achten, sondern die Schlüßell zu Ihren Thoren bald finden würdten. Wir versehen uns aber gäntzlich, Sie werden zu solchen extremiteten keine Lust haben, sondern sich also bezeigen, wie Sie es gegen der Röm. Kays. Maytt. zu verantworten haben“.[10]
„Aus Schwalenberg[11] wurde auch am 19. Dezember gemeldet, daß Graf von Pappenheim die dort wohnende Gräfin-Witwe besucht habe. Seine Diener hatten verlauten lassen, daß er von Nürnberg,[12] wo Tilly ‚ganz zertrennt‘ sei, mit 20 Pferden sich aufgemacht habe, um hier eine neue Armee zu bilden, auch von anderen Seiten kamen allerlei für die Kaiserlichen ungünstige Nachrichten, und da man infolgedessen das Bönninghausensche Regiment wohl anderswo nötig hatte, erhielt es um Weihnachten den Befehl, das lippische Land zu verlassen“.[13]
Die Einfälle hessen-kasselischer Truppen in die Grafschaft veranlassten Pappenheim jedoch Anfang Januar 1632 eine bedeutende Truppenmacht von Hameln über die Weser zu schicken: „Der Amtmann von Schwalenberg begab sich daher zu ihm, um eine Sauvegarde für das Schloß und Amt Schwalenberg zu erlangen. Diese wurde ihm auch bereitwilligst zugesagt, aber als er nach Hause kam, fand er den Oberst Bönninghausen mit seinem Stabe und 2 Kompagnien bereits im Flecken vor, während nicht weniger als 11 Kompagnien im übrigen Amte einquartiert waren. Der Amtmann berief sich vergebens auf die Zusicherungen Pappenheims. Der Oberst erklärte, daß er alle Einwendungen desselben durch seine Ordinanz widerlegen könne, und daß es wegen des drohenden Anmarsches der Hessen überhaupt nicht anders möglich sei; übrigens seien auch Barntrup[14] und Sonneborn[15] bereits mit ganzen Regimentern belegt und der Oberstleutnant Stephan Albers habe auch bereits Befehl sich der Stadt Lemgo zu bemächtigen. Diese Mitteilungen beruhten auch vollständig auf Wahrheit. Wie nun die Stadt Lemgo schon im November sich geweigert hatte, eine Besatzung einzunehmen, so wollte sie auch jetzt dem durch Simon Ludwig übermittelten Befehl nicht Folge leisten. Am Abend des 25. Januar kam Pappenheim selbst mit 100 Pferden nach dem Schlosse Sternberg[16] und ritt am folgenden Morgen nach Lemgo zu. Nicht weit von der Stadt wurde ihm ein Fürbittschreiben der Gräfin-Witwe übergeben, und bald darauf kam auch Graf Simon Ludwig an, der auf die Nachricht von Pappenheims Ankunft ihm entgegengeritten war. Als er mit Pappenheim über die Besetzung der Stadt Lemgo verhandelte, wurde er besonders über die Religion der Bürger befragt. Sie fanden die Osterpforte verschlossen; Pappenheim wollte auch zunächst noch nicht in die Stadt, sie ritten also weiter an St. Georg vorüber und recognoscierten die Festungswerke. Vor der Johannispforte kamen etliche vom Rat und der Gemeine dem Grafen Pappenheim entgegen und baten sie mit Einquartierung zu verschonen, erklärten sich aber bereit für die Truppen nach Möglichkeit zu kontribuieren. Pappenheim verlangte, daß sie zum Beweis ihres Gehorsams gegen den Kaiser zunächst dessen Truppen einzunehmen hätten, und deutete ihnen an, so ‚crudel‘ sie gegen ihre Feinde wären, so treu wären sie gegen ihre Freunde. Die Lemgoer baten Pappenheim, für seine Person in die Stadt zu kommen; dieser aber erklärte, es gebühre keinem General, in die Stadt zu gehen, wo keine kaiserlichen Waffen wären. Sie wandten sich jetzt an den Grafen Simon Ludwig, der sich während der bisherigen Verhandlungen etwas abseits gehalten hatte, mit der Bitte, sich ihrer anzunehmen, dieser aber erwiderte, es gäbe keine menschliche Hilfe gegen solche Gewalt, er könne sich selbst nicht helfen und schützen. Auf die Frage, ob er befehle, die Truppen einzunehmen, sagte er, er könne es nicht befehlen und hätte es nicht zu verantworten; was hier geschehe, das geschehe mit Gewalt und müßten’s Gott befehlen. Pappenheim ritt darauf zwischen 10 und 11 Uhr nach Brake[17] und speiste beim Grafen Otto zu Mittag. Am Nachmittag erschienen wieder Abgeordnete von Lemgo und wandten sich zunächst an die zu Besuch anwesende Gräfin-Witwe und an die Gemahlin des Grafen Otto. Auf deren Fürsprache erhielten sie dann wenigstens das Versprechen, dass die Einquartierung auf 4 Kompagnien zu Fuß und eine zu Pferde ermäßigt werden sollte. Pappenheim erklärte jedoch dabei, daß ‚er diesen Tag die Stadt haben oder tot sein wolle‘.
Nachdem die Abgeordneten auch mit Graf Simon Ludwig nochmals geredet, kehrten sie zur Stadt zurück. Die Bürger wurden zusammenberufen und ihnen die gefährliche Lage vor Augen gestellt. Sie erklärten wiederum, daß sie ‚mit Verkaufung des Ihrigen‘ die Besetzung der Stadt verhüten wollten; da sie aber schließlich doch von der Nutzlosigkeit ihres Widerstandes überzeugt wurden, ließen sie Pappenheim durch ihre Vertreter bitten, den Einzug wenigstens bis morgen zu verschieben. Pappenheim wollte dies bewilligen, wenn Graf Simon Ludwig die Erfüllung ihres Versprechens für sie geloben würde. Dieser lehnte es anfangs ab, reichte dann aber dem Grafen Pappenheim die Hand und ließ sich seinerseits von den Bürgern in die Hand geloben, daß es bei der Verabredung bleiben solle. Während der Nacht lagerten etwa 600 Mann auf dem Johanniskirchhof, und am andern Morgen zwischen 9 und 10 Uhr ritten sie von Westen her in die Stadt, während Pappenheim mit seinem ganzen Hofstaat und 200 Mann, die zu seiner Bewachung in Brake gelegen, durch die Osterpforte in die Stadt einzog. Am Nachmittag gab Stephan Albers den Lemgoern an die Hand, daß sie Pappenheim durch Zahlung von 50, 40 oder 30 Tausend Talern günstiger stimmen möchten. Als sie sich dazu nicht imstande erklärten, sprach er von 20 000 Tlrn., und als sie sich auch dazu nicht verstehen wollten, ließ er noch 5000 Tlr. nach mit der Versicherung, daß Pappenheim darauf fest bestände. Endlich aber wurde auf Fürsprache des Grafen Simon Ludwig die Kontribution doch noch auf 8500 Tlr. herabgesetzt, die ’neben etlichem wenigen baren Gelde in Wand und Schuhen und sonsten abgetragen wurden‘. Die Kaiserlichen beschwerten sich freilich hinterher, daß das für 1300 Tlr. berechnete Tuch nur 900 Tlr. wert gewesen wäre, und verlangten Nachzahlung der Differenz. Schon zwei Tage nach seinem Einmarsch zog Pappenheim mit der ganzen Soldateska wieder ab. Er erklärte die Besetzung Lemgos und seinen schnellen Abmarsch damit, daß er die Lemgoer nur in der kaiserlichen Devotion habe stärken und seine Armee ‚refraichiren und recolligiren‘ wollen, und machte die Bürger darauf aufmerksam, daß es eine große Torheit wäre, wenn sie sich nochmals dem Kaiser widersetzen und ihn zwingen würden, sie wiederum zu bestrafen. Zur völligen Devotion waren die Lemgoer jedenfalls noch nicht gebracht; den andern Zweck, auf den es wohl auch hauptsächlich abgesehen war, hatte er durch die 8500 Tlr. und die 99 Fuder und 10 Schffl. Roggen, die überdies noch geliefert werden mußten, einigermaßen erreicht.
Auch das übrige lippische Land hatte in den nächsten Wochen schwer zu leiden, da die Pappenheimische Armee zum großen Teil durch Lippe marschierte, um den Schweden und Hessen, die bei Höxter[18] die Weser zu überschreiten drohten, entgegenzutreten. Besonders in dem nahe bei Höxter liegenden Amt Schwalenberg sammelten sich große Truppenmassen an, so daß z. B. im Dorfe Brakelsiek[19] in einer Nacht zwei Regimenter einquartiert wurden und in den geringsten Kötterhäusern zum wenigsten 40, 50, ja in etlichen in die 80 Personen lagen, viele aber überhaupt nicht unter Dach kommen konnten, sondern im Freien kampieren mußten. Die Bewohner des Dorfes kamen dabei um fast alle ihre Habe, obwohl die Obersten auf Bitten des Amtmanns beim Aufbruch persönlich von Haus zu Haus ritten und die Soldaten herausjagten und zur Rückgabe des geraubten Viehes und Hausgerätes zwangen.
Am 24. Februar gingen 9 hessische Regimenter bei Höxter über die Weser und lagerten sich teils in der Stadt selbst, teils auf der ‚Sandwisch‘. Pappenheim schickte zwei Reiterregimenter vor, um ‚an den Feinden einen Versuch zu tun‘. Von der Gegenseite erschienen zwei Regimenter, zogen sich aber nach einigen Plänkeleien wieder auf ihre Artillerie zurück, die ‚bei den 5 steinernen Kreuzen‘ diesseits der Stadt aufgestellt war. Durch das Feuer derselben wurden die Pappenheimschen Reiter gezwungen, sich auf das bei Brenkhausen[20] stehende Fußvolk zurückzuziehen. Obwohl man diesem den Stand der Dinge zu verheimlichen suchte und sogar das Gerücht verbreitete, daß man sich der Stadt schon bemächtigt habe, ‚merkte es den Braten‘ und ließ sich, da es ‚allzu verfroren‘ war, nicht zum Vorrücken bewegen. Man machte noch einen Versuch mit den Reitern, der aber ebenfalls mißlang. Pappenheim ließ jetzt das Fußvolk zum Rückmarsch antreten, holte es dann aber wieder zurück, um es in der nächsten Nacht in Löwendorf[21] und den benachbarten Orten des Amtes Oldenburg[22] einzuquartieren. Pappenheim selbst blieb in Fürstenau,[23] wo auch die Reiter hauptsächlich übernachteten. Sie steckten daselbst vier Häuser an, um sich an dem Feuer zu wärmen. Zum Unterhalt des Heeres mußten am folgenden Tage von Schwalenberg bedeutende Quantitäten Proviant nach dem weiter rückwärts liegenden Vörden[24] geliefert werden.
Pappenheim blieb auch noch einige Zeit in den benachbarten Gegenden des Stiftes Paderborn[25] stehen, was für das lippische Amt Schwalenberg schlimme Drangsale herbeiführte. Der dortige Amtmann berichtet auch von einem größeren Gefecht zwischen kaiserlichen und hessischen Truppen, in welchem die letzteren mit großen Verlusten geschlagen wurden. Bei ihrem Rückzug nach Höxter wurden ihnen überdies die Wege von den Bauern versperrt, die den Kaiserlichen mit zuschlagen halfen. Dafür rächten sich bald darauf die Hessen, indem sie die schuldigen Dörfer Stahle[26] und Albaxen[27] vollständig in Asche legten und auch einige andere aus bloßem Argwohn wenigstens teilweise in Brand steckten. Um das lippische Gebiet einigermaßen vor den Belästigungen und Räubereien der Truppen zu schützen, schickte Pappenheim den Hofjunker Caspar v. Plato mit einigen Soldaten als Salvegarde dorthin, wofür sich Graf Simon Ludwig höchlichst bedankte und ihm ein ‚Tygerpferd'[28] verehrte. Pappenheim bat es erst noch auf die Weide zu nehmen, und dort ist es auch geblieben, bis es der Witwe Pappenheims, der im November in folge seiner Verwundung bei Lützen[29] gestorben war, zugesandt wurde.
Während seines Aufenthalts im Stift Paderborn bat Pappenheim den Grafen Simon Ludwig auch um Lieferung von 50 oder mehr Fuder Salz aus der Saline zu Salzuflen[30] und teilte ihm mit, daß die beim Plattner in Lemgo gekauften etlichen Hundert Reisterrüstungen nach Hameln[31] geliefert werden sollten. Ferner bestellte er beim Grafen zur Lippe Schien-, Huf- und Stabeisen sowie 3500 Stückkugeln nach beigelegter Zeichnung (4-15 cm im Durchmesser), die in der Eisenhütte zu Berlebeck gegossen werden sollten. Graf Simon Ludwig antwortete darauf, daß er nur etliche wenige Güsse rohes Eisen bekommen habe und es jetzt wegen Kriegsgefahr nicht möglich sei, solches aus Stadtbergen[32] und Paderborn holen zu lassen; seine Gießhütte sei auch, wie der von Pappenheim gesandte Artillerieleutnant mit eigenen Augen gesehen, ganz und gar ruiniert und verfallen. – Am 04/14. 4.1632 teilte Simon Ludwig Pappenheim mit, eine Lieferung von Eisenkugeln sei ihm micht möglich, da seine Eisenhütte durch den Krieg ruiniert worden sei.[33]
Da nun die Schweden weiter nördlich gegen die Weser vordrangen, so fanden im April und Mai unaufhörlich Durchzüge durch Lippe statt, und noch mehr wurde das Land dadurch beschwert, daß Pappenheim, der ein neues Heer von 5000 Reitern und 25 000 Mann zu Fuß anwerben wollte, den Oberstleutnant v. d. Asseburg ermächtigte, in Lippe ein Regiment zu werben und bis zur vollständigen Ausrüstung daselbst einzuquartieren“.[34]
Am 27.5.1632 hatte sich Jost Maximilian von Gronsfeld, der Stellvertreter Pappenheims, zu Gesprächen über Kontributionsfragen mit Simon Ludwig getroffen, der den Pappenheim’schen Truppen entgegengereist war und über dem Essen sogar die Taufe seines jüngsten Sohnes hatte versäumen müssen.[35]
„Um diese Zeit scheint Graf Simon Ludwig den Landgrafen Wilhelm von Hessen zum ersten Male persönlich im Stift Paderborn aufgesucht zu haben, vielleicht nur um Vorkommnisse der erwähnten Art für die Zukunft zu verhüten, vielleicht aber auch, um über einen Anschluß an die Schweden und Hessen mit ihm zu reden. Es findet sich darüber allerdings nur eine indirekte Nachricht in einem Schreiben des Drosten v. Exterde aus Sternberg[36] vom 6. November, worin dieser mitteilt, was er aus Rinteln[37] erfahren hat. Danach ist der Graf v. Gronsfeld, der an Stelle des zu Wallenstein gezogenen Grafen Pappenheim das Kommando an der Weser übernommen hatte, so aufgebracht gewesen, daß er bei Tafel die Grafschaft Lippe ‚mit Feuer und Schwert zu verfolgen‘ gedroht hat. Nach der Ursache gefragt, hat er geantwortet, der Graf zur Lippe wäre gut landgräflich, denn sobald der Landgraf nach Paderborn gekommen wäre, sei der Graf zur Lippe dorthin gezogen, denselben zu salutieren, hätte auch auf des künftigen Kaisers, des jetzigen Königs von Schweden, Gesundheit getrunken. Bei solcher Gesinnung Gronsfelds dürfte der Drost v. Hammerstein,[38] der gerade in diesen Tagen von Simon Ludwig zu ihm gesandt war, nicht eben freundlich empfangen sein. Da man gehört hatte, daß zwei Regimenter für den Winter in Lippe einquartiert werden sollten, war er beauftragt, bei Gronsfeld etwas abzuhandeln. Hammerstein war der Meinung, es wäre am besten, wenn Lippe durch Zahlung einer erträglichen Kontribution die Einquartierung ganz von sich abwenden könnte; denn während der kurzen Zeit (seit Tillys Tode), wo die regelmäßige Kontribution aufgehört, habe man durch Einquartierung mehr Schaden gehabt, als während der ganzen Jahre, wo sie bezahlt worden wäre. Hammerstein scheint auch wirklich den Zorn Gronsfelds, wenn die obige Nachricht überhaupt auf Wahrheit beruhte, besänftigt und seine Absicht erreicht zu haben; denn nach einer Kontributionsliste hatten in den folgenden Wochen zu zahlen
Lemgo ……………………. 105 Tlr. 35[39] Gr. 2 Pf.
Uflen …………………………. 52 “ 35 “ 2 1/2 „
Horn[40] ……………………….. 94 “ 8 “ — „
Blomberg[41] ………………… 70 “ 24 “ — „
Detmold[42] ………………….. 47 “ 4 “ — „
Sa. 370 “ 34 Gr. 4 2/2 Pf.
Da die Städte in der Regel den dritten Teil der Kontribution zu zahlen hatten, so wären demnach etwas über 1100 Tlr. bezahlt worden, während an Tilly zuletzt wöchentlich 1200 Tlr. bezahlt worden waren. Gronsfeld war freilich mit dieser Kontribution nur so lange zufrieden, wie er die lippischen Quartiere nicht nötig hatte. Schon im Januar legte er wieder 5 Kompagnien und einen Regimentsstab ins Land, und bald kamen noch die Kontributionen und Einquartierungen der Gegenpartei hinzu“.[43]
„Ende Februar Februar [1633; BW] rückte nämlich der Herzog [Georg; BW] von Braunschweig-Lüneburg, der mit dem schwedischen Feldmarschall Knyphausen die schwedisch-lüneburgische Armee befehligte, mit seinem Hofstaat und vier Kompagnien durch das Amt Varenholz[44] nach Rinteln, um zunächst diesen Platz zu besetzen und dann die Kaiserlichen aus Hameln zu vertreiben. Wie überhaupt während des Krieges kaum jemals ein Unterschied in der Behandlung Lippes von seiten der katholischen und evangelischen Truppen zu spüren ist, so wurden auch von dem Lüneburger mindestens ebenso große Anforderungen wie von den Kaiserlichen an Lippe gestellt. Unter Androhung schweren Schadens verlangte er Proviant, Sendung von Bauern zu Schanzarbeiten an der Festung Rinteln usw. Als aber Graf Otto, der infolge früherer Erfahrungen vorsichtig geworden war und auch das dem Kaiser bei seiner Begnadigung gegebene Gelöbnis nicht brechen mochte, nicht schnell genug bei der Hand war, schrieb ihm der Herzog: ‚… Können daraus nicht anders abnehmen und schließen, als daß Euch annoch die Leber mehr nach dem Feindt hencket, als Ihr zur Beförderung der gemeinen Sache appetit habet …‘ Wie es in jener Zeit im Amt Varenholz aussah, erfahren wir aus einem Schreiben des Drosten v. Hammerstein vom 6. März 1633. Danach ist vor drei Tagen die Mühle in Langenholzhausen[45] von zehn Soldaten überfallen, wobei drei Personen schwer verwundet worden sind. In verschiedenen Dörfern hat starke Einquartierung gelegen; in Erder[46] sind dabei zehn Gebäude abgebrannt, ebenso auch in Bavenhausen und Osterhagen etliche Häuser. Nach Varenholz kommt ein Befehl über den andern, besonders wegen Lieferung von Wagen, Arbeitern und Palisaden. Die armen Bauern haben bereits all‘ das Ihrige verloren; sie haben nichts zu essen und sollen dabei angestrengt arbeiten. Aber auch auf dem Schlosse sind kaum noch die notwendigsten Lebensmittel vorhanden, da täglich und stündlich Offiziere und Soldaten auf dem ins Auge fallenden Hause vorsprechen und solche verlangen. Der Drost bittet den Grafen dringend, nach Varenholz zu kommen und seiner dort wohnenden Großmutter, der Witwe Simons VI., und ihnen allen in ihrer Not beizustehen. Graf Simon Ludwig mag diesem Wunsche nachgekommen sein, und von Varenholz begab er sich dann am 10. März zum Herzog Georg von Lüneburg nach Oldendorf,[47] wohin dieser mittlerweile vorgerückt war. Er wollte wohl seine gute Gesinnung zeigen, zugleich aber auch etwas von der ganz enormen Proviantforderung abhandeln, die in folgender Mitteilung enthalten war: ‚Kurzer Vorschlag, was notwenig aus der Grafschaft Lippe täglich vor die Königl. Schwedische Armee soll geliefert werden: 20 000 Pfd. Brot, 50 Ochsen, jeder von 300 Pfd., 30 Faß Bier, 12 Fuder Hafer, 4 Kälber, 12 Schöpsen, 29 Hühner, 3/8 Butter, worauf sich gewiß verläßt Peter …. ?, Generalproviantmeister‘. Zur besseren Orientierung wurde auch der Getreidevorrat von Lemgo von den Schweden notariell aufgenommen, wobei sich ergab, daß in dieser Stadt trotz aller Kriegsbeschwerden nicht allzu lange vor der neuen Ernte noch 515 Fuder 44 Schffl. Getreide vorhanden waren. Ende März begab sich Graf Simon Ludwig nochmals zum Landgrafen von Hessen, der um diese Zeit die Stadt Paderborn eingenommen und ihr eine Kontribution von 6000 Tlrn. auferlegt hatte. Auch diese Versuche blieben natürlich der Gegenseite nicht verborgen und vergrößerten immer mehr das schon vorhandene Mißtrauen gegen den lippischen Grafen. Man rächte sich zunächst durch allerhand Streifereien, die übrigens trotz aller Freundschaft mit den Schweden auch von diesen in nicht geringem Maße verübt wurden“.[48]
In Nienburg[49] hatte sich Gronsfeld wieder wie schon seit Beginn des Jahres 1633 mit Graf Simon Ludwig getroffen: „Graf v. Gronsfeld, der Oberbefehlshaber der Kaiserlichen in Westfalen, war natürlich durch diesen Beweis des offenen Abfalles vom Kaiser aufs äußerste erbittert. Die Schweden aber vermochten nicht den Grafen zur Lippe gegen seine Rache zu schützen, ja, sie legten ihm selbst noch größere Lasten auf, als dies jemals von den Kaiserlichen geschehen war. Schon im Frühjahr, als die Schweden nach Hameln zogen, drohten die Kaiserlichen von Minden[50] aus das lippische Land, weil die Schweden von diesem unterstützt wurden. Graf Simon Ludwig schickte deshalb Gesandte an Gronsfeld, um wegen ausdrücklicher Anerkennung seiner Neutralität zu verhandeln. Gronsfeld erklärte, daß er die Grafschaft wegen Simon Ludwigs Verhalten als Feindesland ansehen müsse; da er aber den Kanzler Deichmann als den Hauptschuldigen ansah, so verlangte er ausdrücklich, daß dieser ‚abgeschafft‘ würde. Er beklagte sich, daß Graf Simon Ludwig ihn in der letzten Zeit nicht einmal eines Schreibens gewürdigt, während der ‚redliche‘ Graf Otto viermal an ihn geschrieben habe, die Ämter des letzteren sollten deshalb geschützt werden, auch wollte er Varenholz, die Residenz der Witwe des Grafen Simon VI., verschonen. Unter allen Umständen aber verlangte er wenigstens eine Kontribution; wenn er darauf nicht bestände, handle er wie ein öffentlicher Schelm, da doch der Graf zur Lippe den Schweden Proviant zusende, also seine Feinde unterhalte. Er verlangte zunächst so viel, wie früher Oberst Horst bei seiner Einquartierung in Lippe erhalten, dann ging er auf die Hälfte herab, und da die Gesandten sich nicht darüber erklären konnten, sagte er, sie möchten nach 3 Tagen wiederkommen und Bescheid von ihrem Herrn bringen. Infolge des Berichts der Gesandten geriet die Detmolder Regierung in große Verlegenheit, wie man ‚aus diesem Irrgarten herauskommen sollte‘. Man beschloß die Landstände zu Rate zu ziehen und mit dem Grafen Otto zu verhandeln; auch hielt man es für nötig sich den Schweden gegenüber zu entschuldigen, da diese es nicht dulden wollten, daß die Kaiserlichen irgendwie unterstützt würden. Graf Gronsfeld wollte zunächst nichts davon hören, daß die Landstände erst befragt werden sollten; er meinte, dies wäre doch nicht geschehen, ehe man den Feind unterstützt hätte. Schließlich mußte er aber doch warten, bis die Landstände zusammenkamen. Diese waren der Meinung, daß man Gronsfeld 800 bis 1000 Tlr. anbieten solle. Man wandte sich auch an den Grafen Otto, bekam aber nur das ‚antiquum‘ zu hören. Er sagte, man hätte ihn früher nicht zu Rate gezogen, er wolle jetzt auch nichts mit ihnen zu tun haben, und verweigerte auch jede Erklärung darüber, was und wie er mit Gronsfeld verhandelt hätte. Auch eine zweite Sendung an Graf Otto hatte keinen besseren Erfolg. Drost [Hans Adam; BW] v. Hammerstein, Hauptmann v. Rübel und Bürgermeister Österholz begaben sich wieder nach Minden und berichteten von dort am 26. Mai, daß ihr Anerbieten von 1000 Tlrn. zurückgewiesen sei; Gronsfeld berechne seine Forderungen für die vergangene Zeit auf etliche dreißigtausend Tlr., wolle sich aber mit 6000 begnügen, und wenn man 8000 Tlr. gebe, solle Lippe auch für die nächsten 4 Wochen sicher sein. Die Regierung beschloß darauf noch 1000 Tlr. zuzulegen, und die 2000 Tlr. sind dann wohl zunächst auch angenommen worden unter der Bedingung, daß bald noch weitere 2000 Tlr. gezahlt werden sollten. Da aber Gronsfeld infolge der Niederlage von Oldendorf in den nächsten Monaten keinen Zwang ausüben konnte, hielt man es in Lippe nicht für nötig, sich darum zu kümmern. Nachdem sich jedoch die Kaiserlichen wieder erholt hatten, richtete Graf Gronsfeld am 13./24. August ein sehr energisches Schreiben an den Grafen Simon Ludwig, worin er ihm vorwarf, daß er die Sache auf die lange Bank zu schieben gedenke; bei weiterer halsstarriger Verweigerung werde er sein Land heimsuchen und den roten Hahn krähen lassen. Seine Truppen unternahmen dann auch verschiedene Streifereien ins lippische Land, so daß man sich genötigt sah von neuem zu unterhandeln. Hauptmann v. Rübel und Oberamtmann May [Mey; BW] reisten zu diesem Zwecke nach Nienburg. Sie ließen ihre Pferde diesseits der Weserbrücke, um zu Fuß hinüberzugehen. Zufällig begegnete ihnen hier Graf Gronsfeld, aber er ging mürrisch an ihnen vorüber, salutierte keinen, reichte auch dem Hauptmann v. Rübel, den er schon kannte, die Hand nicht, obwohl er ‚sich dazu präsentierte‘. Seinen Begleitern gegenüber ereiferte er sich an des Trompeters ‚auranienfarbenen Köllerwesteln‘ und fragte: ‚Was ist das für ein Kerl ?‘ Als man ihm sagte, er sei den Abgeordneten als Begleiter beigegeben und ein alter Bekannter, da er früher bei den Kaiserlichen gedient habe, erwiderte er: ‚Der meineidigen Schelme haben viel in der Armee gedient‘. Bei dem Empfang am folgenden Tage war er schon etwas gnädiger gestimmt, fiel aber doch den Abgeordneten gleich ins Wort, indem er sagte: ‚Habt ihr kein Geld, so seid ihr kein nütz‘, und bestand auf der Zahlung von 4000 Tlrn., obwohl die Abgeordneten dagegen geltend machten, daß nach dem letzten Übereinkommen nur noch 2000 Tlr. zu zahlen wären. Gronsfeld erwiderte darauf, wenn dies auch geschehen, so wären doch seitdem ganze drei Monate verflossen, ohne daß man ihn gewürdigt hätte, ein Wort zu schreiben, geschweige denn das Geld zu schicken. Graf Simon Ludwig wäre überdies in Kassel[51] gewesen, wo wider Kais. Majestät eins und anderes beschlossen. Man wisse auch, wie die dort abgegebenen Vota gelautet und wie demnach die katholischen Güter verteilt werden sollten. Er müsse auf der ganzen Summe bestehen; wenn er es nicht täte, handle er nicht wie ein rechtschaffener Kerl. Selbst der schwedische General Herzog von Lüneburg kontribuiere (für seine in ihrem Bereich gelegenen Landesteile), ingleichen Minden, Schaumburg,[52] Diepholz,[53] Hoya[54] u. a., warum sollte es Lippe nicht auch tun ? Wenn die Kontribution nicht gezahlt würde, wolle er sie wohl bekommen und den Grafen so mürbe machen, daß er merken solle, wie er bisher geschont sei. Da der Graf in Kassel gewesen sei und den Beratungen der Feinde beigewohnt habe, müsse er ihn als seinen Feind ansehen. Die vorgebrachten Entschuldigungen wollte er nicht gelten lassen, ermäßigte dann aber doch endlich seine Forderung von 4000 auf 3500 Tlr., nach deren Zahlung die geraubten Pferde und Kühe zurückgegeben werden sollten. Er versprach auch in Zukunft sich aller Feindseligkeiten zu enthalten, wenn ihm wöchentlich 2000 Tlr. Kontribution gezahlt würden. Die Abgeordneten protestierten natürlich gegen diese ganz übertriebene Forderung, da doch von Schaumburg nur 700 Tlr. gezahlt würden. Gronsfeld erwiderte darauf u. a. in spöttischem Tone, man möge sich nicht auf den ‚Kaiser Oxenstierna‘ verlassen; der sollte es Gronsfeld nicht nehmen, es sei denn, daß man ihn ganz einschlösse. Endlich aber ließ er sich doch so weit erweichen, daß er sich mit 650 Tlrn. wöchentlich zufrieden erklärte, wozu auch Graf Otto den üblichen Anteil bei-tragen sollte. Er bemerkte auch noch, daß Graf Otto gut kaiserlich sei, und wenn er es auch nicht von Herzen wäre, so wüßte er doch besser als Graf Simon Ludwig sich den Anschein zu geben. Auch der Graf [Jobst Hermann; BW] von Schaumburg, der doch ein schlechter (schlichter) Tölpel wäre, wüßte sich besser als Graf Simon Ludwig anzupassen. Darauf wurde die zunächst geforderte Summe an Gronsfeld geschickt, und auch die wöchentliche Kontribution mußte in der folgenden Zeit bezahlt werden. Sie wurde allerdings schon im Oktober mit Rücksicht auf die völlige Erschöpfung des Landes durch die sehr starke Einquartierung der Schweden auf 400 Tlr. herabgesetzt.
Man könnte sich nun wundern, daß der Graf zur Lippe, der sich so vertrauensvoll den Schweden angeschlossen hatte, nicht energischer dafür auch Schutz gegen jede Belästigung von seiten des Feindes forderte. Allein die Macht der Kaiserlichen war in Westfalen noch keineswegs so weit gebrochen, daß Simon Ludwig es hätte wagen dürfen, sich diese durch Verweigerung der Kontribution für alle Zukunft zu Feinden zu machen, ja sie hatten trotz der im Sommer erlittenen Verluste allmählich in dieser Gegend wieder so weit das Übergewicht erlangt, daß die Schweden nicht einmal sich selbst zu schützen imstande waren. Einmal hatten sie es allerdings durch ihre eigene Sorglosigkeit verschuldet, daß nicht nur sie, sondern auch Lippe schwer geschädigt wurde“.[55]
Die finnischen Verbände waren nach der Schlacht bei Hessisch Oldendorf in ihr Ruhequartier Enger[56] abgezogen, die Schweden und Balten wurden auf die Grafschaft Ravensberg[57] verteilt – in der Grafschaft Lippe hatte Knyphausen gegen den Willen der Stadt Salzuflen Truppen einquartiert[58] – , während sich die Führungsgruppe in Kassel zu Bankett und Kriegsrat versammelte. Darunter soll auch Simon Ludwig gewesen sein, wie ihm Gronsfeld vorwarf.
Am 16.9.1633 hatte Gronsfeld in einem allerdings von hessen-kasselischen Truppen abgefangenen Schreiben Bönninghausen aufgefordert, die unter Kagg(e) über das Eichsfeld und Fulda[59] nach Franken auf Schweinfurt[60] zu abrückenden fünf schwedischen Regimenter zu überfallen.[61] Falls dies nicht möglich sei, sollte der auch immer mehr zu einer Gefahr für die Grafschaft Waldeck[62] werdende Bönninghausen in die Grafschaft Lippe – anscheinend als Strafexpedition gegen Simon Ludwig wegen seiner Annäherung an Schweden und Hessen-Kassel gedacht – vorstoßen, um dann zusammen mit ihm die von Knyphausen belagerte Petersburg[63] zu entsetzen, was jedoch nicht mehr möglich war.
Ferdinand von Köln hatte seinem Bruder Maximilian I. von Bayern besorgt geschrieben: Wenn Gronsfeld etwas Fußvolk aufbringen könne, wolle er nach Hessen gehen, die „widerwertige[n] Grafen“ – gemeint waren hier Wilhelm V. und sein neuer An-hänger Simon Ludwig – „haimbsuechen, ob er ein diversion dem feindt köndt machen und um einige contributiones“ für seine Soldateska einzutreiben.[64]
„Wie oben erwähnt, hatte Graf Gronsfeld schon im Mai die Entlassung des Kanzlers Deichmann als des Hauptschuldigen an Simon Ludwigs schwedenfreundlicher Politik gefordert. Wie man sich in Lippe hierzu gestellt, ist aus den vorhandenen Akten nicht zu ersehen. Am 12. Oktober aber teilte der schwedische Kanzler Oxenstierna dem Grafen Simon Ludwig mit, daß er Christoph Deichmann zum Königlich Schwedischen Rat und Residenten im Westfälischen Kreise ernannt und ihm unter anderem ‚in specie etliche Sachen im Vertrauen zu kommunizieren aufgetragen habe‘. Schon aus dem Schlußsatz geht hervor, daß der Übertritt Deichmanns aus dem lippischen in den schwedischen Staatsdienst im vollen Einvernehmen zwischen Oxenstierna und Simon Ludwig erfolgt war. Es ist auch kaum anzunehmen, daß die Entlassung Deichmanns aus Lippe infolge jener lange vorher geschehenen Forderung Gronsfelds geschehen wäre, und von einem Wechsel in der lippischen Politik kann erst recht nicht die Rede sein. Deichmann blieb nach wie vor in allen wichtigen Angelegenheiten der Berater Simon Ludwigs und suchte auch, soweit dies die jetzt von ihm vertretenen Interessen irgendwie gestatteten, die Lage Lippes zu erleichtern. Ein Beispiel seiner Hilfe gegen einen schwedischen Oberst ist ja oben bereits erwähnt worden. Als die Gräfin Katharina, die Witwe Simon Ludwigs, 6 Jahre später einen neuen Kanzler berief, schrieb sie, daß sie ihm das hohe Gehalt Deichmanns nicht gewähren könne; dieser sei von ihrem verstorbenen Gemahl entlassen, weil ‚es dem Lande zu schwer geworden‘. Die kluge Frau hob diesen Grund, der ja vielleicht auch etwas mitgesprochen haben mochte, wohl nur deswegen besonders hervor, um die Niedrigkeit des angebotenen Gehalts zu entschuldigen. Auch der Umstand, daß Deichmann selbst und seine Erben noch viele Jahre später rückständiges Gehalt zu fordern hatten, ist noch kein ausreichender Grund zu der Annahme, daß er nur wegen der schwierigen Finanzlage das Land verlassen habe. Nicht weniger verlockten ihn der höhere Rang und Titel, wie aus folgendem zu ersehen ist: Bei der ferneren vertrauten Korrespondenz mit Simon Ludwig hatte er der Sicherheit halber ein Schreiben mit Du lac (mit versteckter Anspielung auf seinen deutschen Namen) unterzeichnet. Bei der Adresse auf dem Antwortschreiben muß dann wohl der bei Adligen übliche Titel gebraucht worden sein. Er schrieb mit Bezug darauf an Graf Simon Ludwig: ‚Ew. Gn. wollen doch mir als Ihrem unterthenigen Diener so hohe unverdiente Titul nicht geben. E. Gn. wißen meine Meinung und daß ich neben den Meinigen in einem erbarlichen bürgerlichen Stand zu bleiben begehre und daß mir gottlob die übrige Thorheit und Comödie der Wellt woll bekandt sein. Könnte ich meinem Beruf, als ich durch Gottes Gnade verhoffe, genug thuen, so achte ich das andere alles nicht und habe es gottlob von Jugend auf von Herzen verachten lernen‘.
Deichmanns Übertritt läßt sich ohnedies sehr leicht erklären. Der Kanzler Oxenstierna und andere maßgebende Persönlichkeiten hatten jedenfalls bei den verschiedenen Verhandlungen seine Befähigung erkannt und hielten ihn für besonders geeignet, auf einem größeren Gebiete, und zwar im westfälischen Kreise, für die evangelische Sache zu wirken. Als nun der Ruf zu einer Tätigkeit, die ganz seiner Begabung und Gesinnung entsprach, an ihn erging, hielt er sich trotz seiner augenscheinlichen Anhänglichkeit an das lippische Land und seinen jungen Regenten für verpflichtet, den bisherigen Wirkungskreis mit einem größeren und höheren zu vertauschen. Nach den Erfolgen der Schweden im südwestlichen Deutschland hatten die evangelischen Stände der beiden oberdeutschen und der beiden rheinischen Kreise im März 1633 durch den Bund von Heilbronn[65] dem Kanzler Oxenstierna die Leitung der Kriegsangelegenheiten völlig übertragen, während der ober- und niedersächsische Kreis sich zwar auch angeschlossen, aber doch eine gewisse Selbständigkeit sich vorbehalten hatten. Deichmann suchte nun die kleinen evangelischen Stände des westfälischen Kreises wenigstens in ein gleiches Verhältnis zu Schweden zu bringen, wie es bei den sächsischen Kreisen bestand. Sie sollten sich also zunächst miteinander vereinigen und dann ihre Vertreter zu einer Beratung mit denen des ober- und niedersächsischen Kreises nach Erfurt[66] oder sonst einem bequemen Orte senden. Graf Simon Ludwig erklärte darauf, daß er eine solche Verfassung zwar gern sehen würde, da er aber von den Kaiserlichen fast ganz umgeben sei, wäre die Gefahr für ihn zu groß; als einer der kleinsten müsse er erst abwarten, was die größeren Kreisstände täten. Auch als Deichmann ihm entgegnete, daß erst die Verfassung gemacht und eine Armee aufgestellt werden müsse, wenn man aus den Kriegspressuren herauskommen wolle, ließ er sich auf weiteres nicht ein.
Sein jetziger Berater, Drost v. d. Borch, war ebenfalls der Meinung, daß die Sache von den mächtigeren Ständen abhinge, und wenn man auch in Lippe sich selbst mit Weib und Kind daransetze, ja wohl totschlagen lasse, so wäre doch die Frage, ob damit dem evangelischen Wesen geholfen sei, könne man hier schwerlich etwas tun usw.
Nach weiteren Verhandlungen mit Deichmann faßte Graf Simon Ludwig am 17. Januar 1634 folgende Resolution: ‚Waß der hochlöblichen evangelischen Ständen allgemeiner Schluß pro religione und patriae libertate sein wirt, davon wolte man sich nicht außsagen, unndt alß man kuntlich dieses Ohrts zwieschen Thür und Angell und gleichsam in der Pressen stecke, deßwegen man sich denn jegen Willen anderst außzulassen nicht vermöchte, so lebte man der tröstlichen vesten Zuversichtt, es werde bedeutte wohlgemeinte resolution unverschuldter Dinge nicht übell aufgenommen werden. Man sey gleichwohl deß bestendigen auffrichtigen Erbitens, wan hiernegst der Allerhöchste dieser Endts (da man in der Nähe bießhero und noch im augenscheinlicher Gefahr begrieffen und mit keiner sonbaren Veste versehen sey) bessere Sicherheitt scheinen lassen wirt, daß der jederzeitt gehabte gute Will (welchen man durch Gottes Gnade nimmer zu endern gedenkt) zu wohlgefelligen Genügen im Werke beselbst bezeiget werden soll. Wiewohl es sonsten auch offenbar und kuntlich ist, daß dieser Ohrts Einwohner und Unterthanen eine gerhaume Zeit die Wirklichkeitt mit Darstreckung deß Ihrigen uffs äußerste erwiesen haben und noch über Vermögen continuiren‘.
Um Neujahr 1634 hielt sich Graf Simon Ludwig mit seiner Gemahlin und deren älterer Schwester, seiner Stiefmutter, zum Besuch bei seinen Schwiegereltern und Verwandten in Waldeck[67] auf. Dort wurde ‚der fürstliche Tanz, der am 1. Januar seinen Anfang genommen‘, in aller Fröhlichkeit gefeiert, obwohl in der Nähe marschierende kaiserliche Truppen großen Schrecken verursacht und manche Grafen und Herren aus Kassel herüberzukommen gehindert hatten. Auch auf den sonst üblichen Luxus scheint man trotz aller Kriegsnot nicht ganz verzichtet zu haben, wie aus dem damaligen Briefwechsel zwischen dem Kammerschreiber Lucanus und dem Hofmeister Hunold ersichtlich ist. Dieser hielt sich damals in Frankfurt[68] auf, um die Erbschaft der Gräfin von Nassau-Wiesbaden-Idstein, der Großmutter des Grafen Simon Ludwig, zu regulieren. In den Briefen ist von verschiedenen Sendungen von Spitzen für den Grafen wie die Frau Gräfin, von Anfertigung von Gold- und Silbergeräten usw. die Rede. Dabei kam ihnen wohl die Erbschaft zu statten, die allerdings zum großen Theil zum Unterhalt der drei jüngeren Brüder des Grafen auf ihren Studienreisen verwandt wurde.
Noch während aber Graf Simon Ludwig [Januar 1634; BW] in Waldeck war, zogen trotz der zahlreichen schwedischen Besatzung von Lippe zwei kaiserliche Regimenter von Nieheim[69] und Steinheim[70] aus durch den nördlichen Teil des Landes nach Minden und nahmen über 100 Pferde mit. Der wegen seiner Räubereien berüchtigte Hauptmann Paul Taube [Daube; BW] machte Ende Januar vom Stift Paderborn aus einen Einfall in Österholz[71] und Schlangen, und am 9. März erschienen sogar 300 kaiserliche Reiter vor der Residenzstadt Detmold und verlangten die Auslieferung einiger schwedischer Reiter, die ihnen aber verweigert wurde. Der schlimmste Streich aber wurde bald darauf dem Grafen Simon Ludwig selbst gespielt. Anfang April nämlich rückten die Kaiserlichen durch das Stift Paderborn und belagerten und eroberten die Stadt Höxter. Graf Simon Ludwig besuchte in dieser Zeit unvorsichtigerweise seine Stiefmutter [Maria Magdalena; BW] auf dem in der Nähe liegenden Schwalenberg,[72] und die Kaiserlichen, die ihm wohl schon längst so etwas zugedacht haben mochten, benutzten die Gelegenheit zu einem plötzlichen Überfall. Sie plünderten das Haus vollständig aus, nahmen alle Lebensmittel, Hausgerät, Silbergeschirr und Schmuck der Gräfin mit, ja sie beraubten sogar den Grafen und seine Angehörigen ihrer Kleider. Der Konduktor v. Offen schrieb darüber aus Schieder[73] an den Grafen Otto[74] in Brake: ‚…. Wie es heute zum Schwalenberg leider abgangen, wirdt alda kündlich sein. Ich vergesse Zeitt meines Lebens nicht den erbermlichen Zustant, den ich ahn gräfflichen undt andren Personen gesehen, undt wie Graff Simon Ludewich, Ihr Gr. Gn. Gemahlin, Frauw Mutter, Frewlein undt Hern, beraubt undt ausgezogen, alhie vorbey kommen. Graff Simon Ludewich noch nichts dan die Hosen anbehalten, das Frauwenzimmer ist mit alten unduchtigen Kleidern widder behanget gewesen, die Diener alle ausgezogen. Ihr Gn. haben kein einzich Pferdt behalten, das Hauß und Flecken ist gants ausgeplündert, alle Pferde und Korn, auch viell Khuviehe mit wechgenommen. Wie ich berichtet, ist ein groß Gutt auffm Hauße verloren. Es ist zu besorgen, daß es woll weiter einreissen wird. Gott wolle gnediglich helffen, kann für großem Hertzleid nicht mehr schreiben‘.
Für den 1. März 1634 hatte Oxenstierna die Vertreter der vier oberen Kreise zu einer Versammlung nach Frankfurt eingeladen zu dem Zwecke, ‚die so teuer erworbene Freiheit im geistlichen und politischen Wesen mannhaft zu erhalten und endlich den edlen, von so viel Millionen in höchster Not, Betrübnis, Jammer und Elend begriffenen Seelen mit unaufhörlichem Wehklagen, auch Vergießung vieler heißer durch Wolken und Himmel dringenden Tränen und Seufzer so inniglich verlangten Frieden und des Allmächtigen göttlicher Hülfe wieder zu stiften‘. Nicht weniger aber sollte überlegt werden, ‚auf welche Weise der Krone Schweden, seinem geliebten Vaterlande, wegen der von Weiland seinem in Gott selig ruhenden allergnädigsten König und Herrn dem gesamten in äußerster Gefahr gestandenen und gleichsam in den letzten Zügen liegenden evangelischen Wesen mit Aufsetzung von Krone und Szepter, Leib, Gut und Blut erwiesenen, auch endlich leider mit Verlust des edlen königlichen Lebens besiegelten Treue mit wirklichen, immerwährenden und unaufhörlich redenden Denkzeichen begegnet werden könnte‘.
Auch Graf Simon Ludwig wurde dazu eingeladen. Nach längeren Beratungen erklärte er sich endlich am 15. März etwa dahin, daß er sich zwar als ein treuer Patriot und evangelischer Christ, wie er sich immer gezeigt, den Frankfurter Beschlüssen fügen werde, bitte aber wegen verschiedener Bedenken, seinem Gesandten die Unterschrift, wenn irgend möglich, zu erlassen. Am 16. April, also etwa vier Wochen nach dem Überfall von Schwalenberg, wurde der Hofmeister Hunold als Vertreter des Grafen nach Frankfurt geschickt, aber nicht mit einem förmlichen Kreditiv für den Konvent, sondern nur mit einem Schreiben an Oxenstierna, damit er nicht zu den Beratungen und Beschlüssen gefordert werden möchte. Man hoffte, es werde Hunold schon gelingen, etwa daraus entstehenden Argwohn zu zerstreuen. Hunold sollte auch darum bitten, daß man den Grafen mit einem förmlichen Vertrage verschonen und so den völligen Ruin des Landes, womit dem evangelischen Wesen nicht gedienet, verhüten möge.
Nach den Erfahrungen, die Simon bisher mit den Schweden gemacht hatte, war es ihm wirklich nicht zu verdenken, daß er sich nicht in weitere gefährliche Unternehmungen einlassen wollte. Mit Recht ließ er vielmehr durch seinen Gesandten Klage führen über die ungeheuren Kriegslasten, welche die Schweden seit dem Frühjahr 1633 dem Lande auferlegt hatten, ohne es gegen die Kaiserlichen zu schützen, die noch immer die meisten festen Plätze der Umgegend, nämlich Minden, Lemvörde,[75] Münster,[76] Warendorf,[77] Wiedenbrück,[78] Höxter u. a. besetzt hielten. In Lemgo lag dagegen eine schwedische Besatzung von 5 Kompagnien zu Pferde und 2 Kompagnien zu Fuß, deren Unterhalt mit 5713 Tlrn. monatlich berechnet wurde, und im Juni kam noch eine dritte Kompagnie zu Fuß dazu. Da Simon Ludwig im Juni in Privatangelegenheiten nach Frankfurt reisen mußte, benutzte er die Gelegenheit, seine Klagen darüber persönlich bei Oxenstierna vozubringen, und dieser erteilte denn auch schließlich der Befehl, daß die Garnison von Lemgo auf 2 Kompagnien zu Fuß und 1 Kompagnie Dragoner verringert werden sollte.
Neue schwere Opfer erforderte die Belagerung von Minden. Als die Schweden nach langen Kämpfen Hildesheim[79] genommen, wollten sie auch jenen wichtigen Platz an der Weser den Kaiserlichen entreißen. Von August bis November lagen sie vor der Festung, und während dieser ganzen Zeit mußte von Lippe immer wieder Proviant geliefert und Leute zu Schanzarbeiten gestellt werden. Überdies erlitt die Grafschaft ungeheuren Schaden bei dem Durchmarsch einer kaiserlichen Armee von 15 Regimentern zu Pferde und 6000 Mann zu Fuß. In Detmold herrschte am 14. Oktober bei ihrem Heranrücken solcher Schrecken, daß die Regierung darüber beriet, wie das Archiv der Grafschaft in Sicherheit gebracht werden könnte. Nach mancherlei Bedenken scheint man beschlossen zu haben, daß alle Akten, welche die Regierung kompromittieren könnten, ins Feuer geworfen, alle wichtigen Urkunden aber nach Bremen[80] oder Oldenburg[81] geschafft werden sollten, wie im Jahre 1632 auch schon das Silberzeug nach Emden[82] gebracht worden war. Über die Ausführung des Beschlusses ist erklärlicherweise im Archiv nichts zu finden; es mag aber damals manches Schriftstück verbrannt worden sein; überdies ist später während der Vormundschaftswirren wohl noch manches verschleppt worden, so daß wir leider über manche und vielleicht gerade die interessantesten Dinge nicht mehr zur vollen Klarheit gelangen können. Auch über den Durchzug der kaiserlichen Armee ist aus den Tagen dieses Ereignisses gar nichts Schriftliches vorhanden. Nur in einer späteren Aufzählung aller Kriegsleiden der beiden letzten Jahre wird dessen Erwähnung getan und gesagt, daß die Truppen zwei Nächte im Lande geblieben wären und es ganz ruiniert hätten. Gleich darauf folgte die lüneburgisch-hessische Armee mit 16000 Mann. Sie blieb vier Nächte in Lippe und von ihr wurde ‚das wenige, was die Kaiserlichen gelassen, nachgeholet‘. Wir haben hier nur zwei von den 53 Beschwerdepunkten aufgeführt; der in den Jahren 1633 und 34 erlittene Schaden wird darin wenigstens auf vier Tonnen Goldes (= 400 000 Tlr.) berechnet. […]
Das Jahr 1635 schien endlich Erlösung von den Kriegsdrangsalen zu bringen. Der Kurfürst von Sachsen schloß am 30. Mai einen Seperatfrieden mit dem Kaiser, und allmählich traten auch andere Fürsten, besonders der Herzog von Lüneburg, demselben bei. Mit Rücksicht auf die schwierige Lage Lippes erklärte sich Oxenstierna damit einverstanden, wenn auch Graf Simon Ludwig sich anschlösse, und versprach noch dazu, seinen Offizieren zu befehlen, daß sie für den Fall eines Durchmarsches durch Lippe dieses als Freundesland betrachten sollten. Dagegen wurde von katholischer Seite Schwierigkeiten in den Weg gelegt, daß es nicht ohne weiteres dem Frieden beitreten konnte.
Zunächst mußte Graf Gronsfeld, der, wie wir wissen, gegen Lippe sehr aufgebracht war, versöhnt werden. Beim Kurfürsten von Köln scheint besonders der Paderborner Domdechant Dietrich v. d. Recke gegen Lippe tätig gewesen zu sein, um bei dieser Gelegenheit für sein Stift etwas zu gewinnen. Man erfuhr durch einen kölnischen Rat v. Bönighausen,[83] der im geheimen für Lippe wirkte, daß einstmals ‚etliche fürnehme Herren in seiner Gegenwart die Landkarte für sich gehabt und unter einander discurriert, wie man das Stift Paderborn erweitern könne, darunter ein gut Teil der Grafschaft mit begriffen gewesen‘. Trotz dieser Intriguen nahm der Kurfürst schließlich die Mitteilung des Grafen Simon Ludwig, daß er den Frieden angenommen und und im Lande habe publizieren lassen, nicht nur ohne Widerspruch entgegen, sondern versprach auch, die Sache beim Kaiser zu befördern.
Dieser wurde von seinem Beichtvater, dem berühmten Jesuitenpater Lamormain, eifrig bearbeitet, daß die Falkenhagener Jesuiten, die von den Schweden und Hessen verjagt und von den lippischen Bauern ausgeplündert waren, wieder in den Besitz des ganzen Klosters eingesetzt und für ihre Verluste entschädigt werden sollten. Der schon früher erwähnte Pater Stratius, der die Jesuiten in Köln vertrat, zeigte dem Rat v. Bönighausen eine Schadenrechnung, nach welcher sich ihre Ansprüche auf 4 Tonnen Goldes beliefen. Wenn sie nun auch diese übertriebenen Forderungen nicht durchsetzten, so mußte ihnen doch wenigstens das ganze Kloster wieder eingeräumt werden.
Die Verhandlungen in Wien waren im Mai 1636 noch nicht beendigt. Der dortige lippische Agent erkundigte sich nämlich um diese Zeit erst noch, ob Simon Ludwig persönlich am Kriege gegen die Kaiserlichen, insbesondere an der Belagerung von Minden teilgenommen habe. Er wollte dies gern wissen, um nötigenfalls solchen Behauptungen entgegentreten zu können.
Graf Otto, der auch sonst die schwierige Lage Simon Ludwigs ausnutzte, ‚ein eigen dominat zu errichten‘, ging auch hier seine eigenen Wege. Er wandte sich selbst mit einem Entschuldigungsschreiben an den Kaiser. Nicht mit Unrecht sagte er darin, daß er nur gezwungen die Schweden unterstützt habe; wenn Kais. Maj. nicht wollten, daß er anderen etwas gäbe, so müßten sie ihn auch davor schützen. Aber es war zum mindesten wenig freundlich gegen Simon Ludwig, wenn er sagte, ‚was die Detmoldischen anginge, die würden ihre Sache selbst zu verteidigen wissen, in deren consilia käme er nicht in (!)‘. Gerade das war ja so tadelnswert, daß er sich schlau den gemeinsamen Beratungen entzog, um im Fall des Mißlingens die Verantwortung von sich ablehnen zu können. Viel besser hätte es ihm als dem ältesten Vertreter des lippischen Hauses angestanden, seinem Neffen Simon Ludwig, der in jugendlichem Eifer für die gute Sache vielleicht nicht immer die rechte Vorsicht zeigte, mit seinem Rat beizustehen und ihn von gefährlichen Unternehmungen zurückzuhalten. Wenn nun auch Lippe schließlich vom Kaiser in Gnaden angenommen wurde, so war doch der Zustand des Landes im wesentlichen nicht nur während der langen Verhandlungen derselbe wie früher geblieben, sondern änderte sich auch späterhin nicht. Lippe mußte an die kriegführenden Parteien Kontribution bezahlen, und wenn es nicht rechtzeitig geschah, so fand Exekution statt, d. h. ein räuberischer Einfall an einem beliebigen dazu geeignet erscheinenden Orte, wo nicht nur das der rückständigen Summe entsprechende Vieh, Getreide u. dergl. weggenommen, sondern auch mancherlei anderer Schaden angerichtet wurde. Auch die Durchmärsche und Einquartierungen wurden ganz in der früheren Weise fortgesetzt. Der einzige Unterschied bestand nur darin, daß die Parteien die Plätze vertauscht hatten. Während sonst die Kaiserlichen in Minden und die Schweden in Lippe saßen, hatten seit November 1634 die Schweden Minden in Besitz, die Kaiserlichen dagegen hatten sich gleich darauf unter Generalmajor Speerreuter in Lippe. Dieser blieb hier auch bis Juni 1635 und verursachte dem Lande während dieser Zeit 70 000 Tlr. Unkosten. Nach seinem Abzug aber mußten an die kaiserliche Garrnison im Wiedenbrück im Laufe des Jahres noch 8 000 Tlr. Kontribution bezahlt werden, und bei den deswegen in Horn, Örlinghausen[84] u. a. O. vorgenommenen ‚Exekutionen‘ wurde ein weiterer Schaden von etwa 12 000 Tlrn. angerichtet und nebenbei noch 189 Pferde mitgenommen. Die Schweden wollten, obwohl sie gar nicht mehr im Lande waren, nicht hinter den Kaiserlichen zurückstehen, und es wurde ihnen nach längeren Verhandlungen vom 1. Juli 1635 an eine monatliche Kontribution von 2674 Tlr. 18 Gr. bewilligt.
Außerdem nahmen die Räubereien besonders in den Grenzdistrikten in erschreckender Weise zu. Nach einem Bericht des Amtmanns von Schwalenberg wurden die Bauern fortwährend von den ‚Schnapphahnen‘ beunruhigt, und da allen Dörfern in gleicher Weise zugesetzt wurde, konnten sie sich auch nicht zu gemeinsamer Abwehr an einzelnen Punkten vereinigen. Dem Raubgesindel wurde auch von den Bauern im Amte Oldenburg Vorschub geleistet, die so ‚dissolut und rebellisch‘ waren, daß sie den Befehlen ihres paderbornischen Amtmanns keine Folge leisteten. Sie waren ebenso verdächtig wie die Schnapphahnen selbst, die von ihnen beherbergt wurden und dafür die Beute mit ihnen teilten. Um nun die Feldarbeiten einigermaßen sicher verrichten zu können, ließen die Bauernschaft von Lothe[85] und Brakelsiek[86] um 8 Soldaten bitten, die immer mit 8 Bauern zusammen Wache halten und beständig zur Abwehr der Räuber von den beiden Dörfern bereit sein sollten.
Abgesehen von anderen kurzen Einquartierungen war nun dem Herzog von Lüneburg vom Kaiser gestattet worden für den Winter Truppen nach Lippe zu legen, und es waren auch bereits im Januar 1636 trotz aller Weigerungen Lemgos Truppen desselben in die Stadt gelegt worden. Trotzdem erschien noch im Laufe desselben Monats der kaiserliche General Graf von Lobkowitz mit 6 Regimentern in Lippe und verlangte vom Grafen Simon Ludwig, daß Lemgo zum Schutz gegen feindliche Machinationen wieder kaiserliche Besatzung einnehmen sollte. Ein Obrist reiste infolgedessen mit dem Gräflichen Rat Dr. Benten nach Lemgo oder vielmehr zunächst nach Brake, um die Angelegenheit, die doch für den Grafen Otto wegen der nahen Nachbarschaft Lemgos von besonderer Bedeutung war, erst mit diesem zu beraten. Da aber Graf Otto gerade bei der Mahlzeit war, wagten sie ihn nicht zu stören, sondern ließen ihn nur bitten, einen seiner Räte nach Lemgo zu schicken. In Lemgo wurden sie natürlich auch erst nach einigen Schwierigkeiten eingelassen. Der Oberst teilte darauf den Zweck seines Kommens den Bürgermeistern mit und drohte ihnen, daß sein General, wenn die die Einnahme der Truppen verweigerten, Mittel in Händen hätte, sein Vorhaben mit Gewalt durchzusetzen und daß sie dann allen etwa daraus entstehenden Schaden auf Heller und Pfennig ersetzen müßten. Sie baten um Zeit, die Sache mit den Ihrigen zu bereden. Unterdessen kam auch Dr. Sobbe, der Rat des Grafen Otto, in das Gasthaus zur Rose, wo die Verhandlungen stattfanden, ließ sich aber nicht einmal dazu bewegen, ins Zimmer zu kommen, sondern erklärte gleich draußen, daß sein Herr, wenn es sich um die Einquartierung in Lemgo handle, nichts damit zu tun haben wolle. Darauf kamen die Vertreter der Stadt zurück und erklärten sich bereit eine mäßige Besatzung einzunehmen, wünschten aber, daß dann die lüneburgischen Truppen ausquartiert werden möchten. Dies wurde ihnen zwar zunächst nicht bewilligt, da aber die Nachricht kam, daß schon große Truppenmassen gegen die Stadt heranrückten, ließ man zur Abwendung weiterer Gefahr 30 Reiter und 50 Mann zu Fuß sofort in die Stadt ein und versprach auch gegen einen dem früher erwähnten ähnlichen Revers und gegen die Zusicherung, daß bald alle anderen Truppen die Stadt verlassen sollten, künftighin eine Kompagnie zu Pferde und zwei Fuß einzunehmen.
Dem Grafen Simon Ludwig wurde zu gleicher Zeit versprochen, daß die übrigen 6 Regimenter aus dem Lande ziehen sollten. Trotzdem rückten im Laufe der nächsten Wochen immer mehr Truppen, zeitweise an die 20 Regimenter herein, und als sie im Frühjahr ihre Quartiere verließen, zogen sie nicht ab, um dem Feinde energisch entgegenzutreten, sondern sie marschierten bald hierhin, bald dorthin, belästigten durch größere und kleinere Überfälle die ganze Gegend und suchten sich so Quartier, Unterhalt und Beute zu verschaffen.
So erschienen am 2. April ohne jeden besonderen Grund zwei Regimenter vor Detmold und verlangten, obwohl man ihnen draußen gute Quartiere anweisen wollte, in der Stadt selbst einquartiert zu werden. Als ihnen dies nicht sogleich bewilligt wurde, öffneten sie mit Gewalt die Tore, überfielen die Wachen und Hauen und Schießen und bemächtigten sich der Residenz. Das Schloß wurde mit Wachtposten abgesperrt und niemand unbelästigt gelassen. Graf Simon Ludwig protestierte gegen gegen diese Verletzung des Friedens und seiner Privilegien beim General von Vehlen [Velen; BW], und dieser gab auch am folgenden Tage von Bielefeld[87] aus den Befehl, die Stadt sofort zu verlassen. Dies geschah aber erst, nachdem eine Menge Pferde, Kühe und Wagen mit allerlei Vorrat fortgeschafft worden waren.
Ebenso wurde das Schloß zu Varenholz mit Gewalt erstiegen, Keller und Speicher geöffnet, Kisten und Kasten aufgeschlagen und alles, was den Soldaten beliebte, weggenommen. Nicht einmal ‚die gute alte Matrone‘, die Großmutter Simon Ludwigs, wurde verschont; sie wurde trotz ihres Standes und Alters herumgezogen, gestoßen und ihrer Habe beraubt, ja sogar genötigt, bei so hohem Alter kümmerlich zu Fuß bis nach Eisbergen[88] eine Stunde Wegs sich zu begeben.
Wenige Tage nach dem Überfall von Detmold griff eine starke Partei das Städtchen Horn an, überstieg die Mauern und drohte die Häuser in Brand zu stecken, wurde aber durch den tapferen Widerstand der zur Verzweiflung gebrachten Bürger daran verhindert und zurückgeschlagen.
Schlimmer erging es der Stadt Salzuflen. Sie wurde ebenfalls am 11. Mai von einer starken kaiserlichen Truppe überfallen und fünf Stunden lang ausgeplündert. In der folgenden Nacht geschah ein zweiter Einfall. Der Rat und die meisten Bürger flohen aus der Stadt, um nur das nackte Leben zu retten, und die umwohnenden Bauern machten sich ihre Abwesenheit zu nutze, um das von den Soldaten noch Übriggelassene zu stehlen.
Daß die Schweden es nicht besser machten, zeigt ein Brief des Pfarrers von Sonneborn.[89] Danach plünderten sie am 12., 13. und 14. Mai das Dorf gänzlich aus. Durch das Dach des Kirchturmes machten sie ein Loch, um die Winkel besser nach den versteckten Sachen durchsuchen zu können. Dem Pastor und Küster ließen sie an Kleidern nur, was sie auf dem Leibe hatten. Sie nahmen sogar den Abendmahlskirch mit, ‚welches ein grewliches sacrilegium, so von evangelischen Kriegsleuten effectuiret worden. Summa Summarum, die Türcken und ungläubigen Heiden hätten nicht barbarischer und tyrannischer handeln können‘.
In der Nacht zum 5. August machte auch eine starke Abteilung von Nieheim aus einen Einfall in Blomberg, um den ihrer Meinung nach dort anwesenden Rittmeister Simon Moritz v. Donop aufzuheben. Von Gronemeiers Hofe nahmen sie zwei Holzleitern mit und überstiegen damit die Mauer zwischen dem gräflichen Hause und der Amtsstube ‚wo eben der Wall vom Hause an die Mauer langt und von außen die Mauer mit Iben[90] bewachsen‘. Darauf schlichen sie zur Niederpforte und erbrachen sie, um die Reiterei einzulassen. Mit großer ‚furie‘ besetzten sie jetzt die Straßen, und als infolge des Lärms die Bürger aus dem Schlaf erwachten, wurden sie durch Schießen, Hauen und Stechen so in Schrecken gesetzt, daß keiner dem anderen zu Hilfe zu kommen wagte und die Häuser nach Belieben geplündert werden konnten. Die kurz vorher als Salvegarde in die Stadt gelegten 4 Soldaten retteten zunächst sich selbst und überließen es sogar ihrem Wirt, ihre Habe in Sicherheit zu bringen. Der gesuchte Rittmeister v. Donop hatte schon zwei Tage vorher die Stadt verlassen, sein Schwiegervater v. Kerßenbrock aber und seine Schwägerin, die auf dem gräflichen Hause wohnten, wurden ‚übel und unchristlich traktiert‘, Kisten und Kasten wurden erbrochen und Kleider und Schmucksachen mitgenommen. Von der Burg wurden 4 der Gräfin von Brake gehörige Kutschpferde und 36 Bauernpferde, die zufällig dort standen, weggeführt und auch aus der Stadt hauptsächlich Pferde geraubt. In dem Tumult kam eine Frau ums Leben, andere wurden schwer verletzt.
Graf Otto zog den von ihm aufs Haus gesetzten Korporal zur Rechenschaft. Dieser entschuldigte sich aber damit, daß alle seine Vorschläge, das ‚altfränkische‘ Haus in besseren Verteidigungszustand zu setzen und besonders auch gewisse Türen ‚mit Holz oder Mist zu dämpfen‘ vom Junker v. Kerßenbrock in den Wind geschlagen seien, daß auch bei der vom Rittmeister v. Donop dort gehaltenen Kindstaufe alles hätte offen gehalten werden müssen und er nicht imstande gewesen wäre mit seinen drei Soldaten den feindlichen Angriff abzuwehren. Er beklagte sich auch noch über schlechte Behandlung von seiten Kerßenbrocks, der die ganze Burgwache für ehrlose Schelme und Diebe ausgerufen habe und ihn ‚für einen Cujon oder Sclaven tractire‘.
Wenn schon der Korporal von Blomberg seine Schuld bestritt, so war doch die Schloßwache von Brake offenbar ganz unschuldig an dem Überfall. Trotzdem ließ sie Graf Otto seinen Verlust entgelten, indem er wegen der schlechten Zeiten den wöchentlichen Sold von 1 Tlr. (36 Gr.) auf 24 Groschen herabsetzte. Sie richteten daher ein untertäniges Bittgesuch an den Grafen, worin sie erklärten, daß es ihnen unmöglich wäre sich mit 24 Groschen 7 ganze Tage lang ohne Hunger, Durst und zerrissene Hosen durchzubringen, zumal da etliche von ihnen als Lemgoer Bürger für die dort alle drei Tage umgehende Wache zu sorgen und Kontributionen zu zahlen hätten. Da der Pestilenz[91] immer Teurung zu folgen pflege, werde gewiß der Preis des Scheffels Roggen bald auf einen Taler steigen und es sei ihnen dann ganz unmöglich, das trockene Brot, geschweige denn an anderer nötiger ‚Essenspeise‘ etwas zu bezahlen; sie bäten daher, sie ‚in voriges Gnadenbuch mit Erhebung des wöchentlichen Talers wieder ein-schreiben zu lassen‘.
Es würde zu weit führen, wenn wir alle Räubereien dieses Jahres – die erzählten Überfälle wehrloser Städte können ja eigentlich nur als solche bezeichnet werden – einzeln anführen wollten. Es war so weit gekommen, daß ein kaiserlicher Rittmeister, Namens Abschlag, beschuldigt werden konnte, nach Art gewöhnlicher Schnapphähne mit einigen Reitern einem Bauern ein Pferd weggenommen und einen nächtlichen Raubanfall im Kruge zu Cappel[92] verübt zu haben. Nach den eidlichen Aussagen einer ganzen Anzahl unbescholtener Bauern und allen dabei in Betracht kommenden Verhältnissen war kaum an seiner Schuld zu zweifeln, und er mußte sich durch allerlei juristische Spitzfindigkeiten aus seiner üblen Lage herauszureißen suchen. Dabei verlangte er aber noch Satisfaktion für die Injurien der Bauern und beschuldigte diese, daß sie für einen halben Taler einen Eid schwüren und sich leichtfertig dem Teufel ergäben.
Den Anschein eines militärischen Unternehmens hatte wenigstens einigermaßen ein Überfall von Lemgo. Diese Stadt war im August zum zweiten Mal von Generalmajor Speerreuter besetzt worden. Am 9. September erhielt er von Feldmarschall Götz den Befehl zum Abzuge, wollte aber zum Unglück für ihn selbst und die Stadt nicht eher abmarschieren, als bis er die völlige Löhnung erhalten hatte. Am 12. September morgens 3 Uhr stiegen nun aus Minden abgeschickte Truppen heimlich die Wälle und bemächtigten sich der Stadt. Die ihnen entgegenkommenden Bürger hielten sie teils durch gütliche, teil durch drohende Worte von jedem Widerstande ab, überfielen dann aber nicht nur die Soldaten, sondern auch die Bürger und plünderten die ganze Stadt, die gräflichen und privilegierten Häuser nicht ausgenommen, so aus, daß nichts an Vorrat übrig blieb. Einige Bürger wurden dabei getötet, andere schwer verwundet. Sogar die Toten, deren gerade viele unbegraben in den Särgen lagen, da die Pest in der Stadt herrschte und die Hälfte der Einwohner daran krank lag, sollen herausgeworfen sein, um bei ihnen Geld und Kleinodien zu suchen. Zwei Bürgermeister wurden gefangen nach Minden geführt und dort so lange festgehalten, bis die von der Stadt verlangte Kontribution bezahlt wäre. Nach einem kläglichen Schreiben des Bürgermeisters Heinrich Grote aus dem Gefängnis zu Minden betrug dieselbe nicht weniger als 10 000 Tlr.; man wird aber wohl schließlich, wie gewöhnlich, etwas nachgelassen haben. Der ebenfalls gefangene Generalmajor Speerreuter scheint sich obendrein beim Kaiser über die Lemgoer beklagt und von ihnen die Zurückerstattung seines Lösegeldes verlangt zu haben. Der lippische Agent in Wien wurde daher beauftragt, die Unschuld der Lemgoer darzutun mit dem Hinweis darauf, daß sie selbst ganz ausgeplündert wären und daß Speerreuter sich auch durchaus nicht zu beklagen hätte, da er mit seinen Truppen dem Lande bereits mehr als 100 000 Tlr. gekostet habe“.[93]
Schon seit einiger Zeit klagte Graf Simon Ludwig über zunehmende Schwäche, die Beine wollten ihn oft nicht mehr recht tragen. Im Juli wurde er bettlägerig, am 8.8.1636 verstarb er an den Pocken. Die endgültige Beisetzung erfolgte erst am 12.3.1646 in der Gruft der Klosterkirche zu Blomberg zusammen mit der seiner Schwester Magdalena, die am 31.10.1645 im Stift Cappel verstorben war.
[1] Würzburg; HHSD VII, S. 837ff.
[2] Paderborn; HHSD III, S. 601ff.
[3] Falkenhagen [LK Detmold]; HHSD III, S. 224f.
[4] GEMMEKE, Geschichte, S. 219f.; METZLER, P. Johannes Arnoldi, S. 81ff.; GERKING, 750 Jahre Kloster Falkenhagen.
[5] Deichmann wurde im Okt. zum Königlich-Schwedischen Rat u. Residenten im Westfälischen Kreis ernannt; STEGMANN, Lippe, S. 9.
[6] Breitenfeld [Kr. Leipzig]; HHSD VIII, S. 38f.
[7] Hameln; HHSD II, S. 192ff.
[8] STEGMANN, Lippe, S. 77.
[9] Lemgo [LK Lemgo]; HHSD III, S. 452ff.
[10] Staatsarchiv Detmold L 56 Nr. 120 (Ausfertigung): Jost Maximilian von Gronsfeld an Lemgo, Minden, 1631 XII 04; STEGMANN, Lippe, S. 78f.
[11] Schwalenberg [LK Detmold]; HHSD III, S. 676.
[12] Nürnberg; HHSD VII, S. 530ff.
[13] STEGMANN, Lippe, S. 79.
[14] Barntrup [LK Lemgo]; HHSD III, S. 55.
[15] Sonneborn, heute Ortsteil von Barntrup [LK Lippe].
[16] Sternberg [LK Lippe]; HHSD III, S. 703f.
[17] Brake i. L. [LK Lemgo]; HHSD III, S. 112.
[18] Höxter [LK Höxter]; HHSD III, S. 346ff.
[19] Brakelsiek, heute Ortsteil von Schieder-Schwalenberg [LK Lippe].
[20] Brenkhausen, Kloster [LK Höxter]; HHSD III, S. 119.
[21] Löwendorf, heute Ortsteil von Marienmünster [LK Höxter].
[22] Oldenburg [Gde. Münsterbrock, LK Höxter]; HHSD III, S. 591f.
[23] Fürstenau [Kr. Bersenbrück]; HHSD II, S. 156f.
[24] Vörden [Kr. Bersenbrück]; HHSD II, S. 468f.
[25] Paderborn; HHSD III, S. 601ff.
[26] Stahle, heute Stadtteil von Höxter [LK Höxter].
[27] Albaxen, heute Stadtteil von Höxter [LK Höxter].
[28] Zebra.
[29] Lützen [Kr. Merseburg/Weißenfels]; HHSD XI, S. 286f.
[30] Bad Salzuflen [LK Lemgo]; HHSD III, S. 48.
[31] Hameln; HHSD II, S. 192ff.
[32] Marsberg, Ober- und Nieder- [LK Brilon]; HHSD III, S. 494ff.
[33] Staatsarchiv Detmold L 56 Nr. 115.
[34] STEGMANN, Lippe, S. 79ff.
[35] So der hessische Arzt Dr. Georg Faber aus Detmold, der seinen Herrn Graf Philipp v. Hessen-Butzbach begleitete; GUNZERT, Skizzen- und Reisetagebuch, S. 23.
[36] Sternberg [Gde. Asmissen, LK Lemgo]; HHSD III, S. 703f.
[37] Rinteln [Kr. Grafschaft Schaumburg]; HHSD II, S. 395f.
[38] Hammerstein, erwähnt unter Sonnborn [Stadt Wuppertal]; HHSD III, S. 698.
[39] 1 Taler = 36 Gr.
[40] Horn [LK Detmold]; HHSD III, S. 341f.
[41] Blomberg [LK Detmold]; HHSD III, S. 86f.
[42] Detmold [LK Detmold]; HHSD III, S. 156ff.
[43] STEGMANN, Lippe, S. 86ff.
[44] Varenholz [LK Lemgo]; HHSD III, S. 729.
[45] Langenholzhausen [Kr. Lemgo].
[46] Erder [LK Lemgo]; HHSD III, S. 207.
[47] Hessisch Oldendorf [Kr. Grafschaft Schaumburg]; HHSD II, S. 226f.
[48] STEGMANN, Lippe, S. 88f.
[49] Nienburg/Weser; HHSD II, S. 346f.
[50] Minden [LK Minden]; HHSD III, S. 517ff.
[51] Kassel; HHSD IV, S. 252ff.
[52] Schaumburg [Kr. Grafschaft Schaumburg]; HHSD II, S. 413.
[53] Diepholz [Kr. Grafschaft Diepholz]; HHSD II, S. 114f.
[54] Hoya; HHSD II, S. 245ff.
[55] STEGMANN, Lippe, S. 92ff.
[56] Enger [LK Herford]; HHSD III, S. 205f.
[57] Ravensberg, Burg [Gem. Cleve, LK Halle/Westf.]; HHSD III, S. 623f.
[58] MIRBACH, Bey diesem elenden Kriegswesen, S. 87f.: „Ein schwedischer Rittmeister hatte im Juli des Jahres eine Einquartierung angemeldet, Bürgermeister und Rat der Stadt verweigerten ihm jedoch den Einlaß in die Stadt. Daraufhin begab sich der Reiter wieder zu seinem Feldlager bei Hameln und erstattete Bericht von der Weigerung. Sein Kommandant Dodo von Inn- und Knyphausen verfaßte daraufhin nur ein Schreiben an die Stadt mit der Drohung, ‚Gäste zu schicken, die die Schlüssel zur Stadt selber mitbrächten‘. Angesichts dieser Drohung entschied sich der Magistrat der Stadt, doch ein Schreiben mit Bittgesuch und Entschuldigung an den Feldmarschall zu senden, in dem unter zahlreichen Ausflüchten und Erklärungsversuchen klein beigegeben wurde. Zu Salzuflens Glück wurde diese Entschuldigung als hinreichend angesehen; wahrscheinlich ist der Stadt dadurch eine militärische Erstürmung mit weniger positivem Ausgang erspart geblieben“.
[59] Fulda; HHSD IV, S. 154ff.
[60] Schweinfurt; HHSD VII, S. 686ff.
[61] AOSB II/7/2, S. 418: Gronsfeld an Bönninghausen, Nienburg, 1633 IX 16. Kagg(e) traf erst am 25.9. in Fulda ein; vgl. die Aufzeichnungen Hartungs; HAAS, Die chronikalischen Aufzeichnungen, S. 113: „Den 25. september ist ein schwedisger oberster mit 5 reigementer, 2 zu fuss undt 3 zu pferdt, schwedisg volck, umb die stadt Fulda ankomen undt ein reigement zu Horra quartier gehabt, undt dass ander auf dem Pettersberg, dass fussvolck undt die reutterey haben ihr quartir um Luter, auf den selbigen dorffer herumb gehabt; ist dess obersten sein nahm gewessen der oberst Gaugck [gemeint ist hier wahrscheinl. Kourk; BW], undt hatt der oberst in der stadt Fulda zum Gulten Stern gelegen, undt die andern obersten undt hauptleudt haben ihr quartier bei den burgern gehabt; haben die leudt gar ubel tribelliert, haben ihnen mussen viell gelt geben, haben ubel gehauss in der stadt undt auf den dörffern; haben sich die saltaden folgesoffen undt darnach einen ander selbst erstochen, sindt ihrer allzeit 9 oder 10 todt bleiben, haben einen tag hier still gelegen undt den 27. September widerumb weg gezogen auf Schweinffordt zu“.
[62] SEIDEL, Waldeck, S. 54f.: „Anfang 1633 hausten das hessische Regiment von Dalwigk und ein gräflich hanauisches Regiment in Sachsenberg, ‚welches viel Übermuth treibt und viel stiehlt‘. Einquartierungen in anderen Orten der Grafschaft waren auch in diesem Jahr die Regel. Im September nahm Herzog Georg von Braunschweig das feste Haus Pyrmont ein und säuberte die Grafschaft von ‚feindlichen‘ Truppenteilen. Im gleichen Monat überzog der liguistische Oberst von Bönninghausen ‚mit seiner Bande die Grafschaft …, allenthalben auf das Uebelste verfahrend‘. Bis auf den heutigen Tag ist der Name Bönninghausen im Waldeckischen unvergessen. Dieser zweifelhafte Ruhm begann mit der Einnahme Korbachs, in dessen Mauern 2 (noch in der Werbung befindliche) hessische Kompanien lagen. Deren Aufnahme rechnete Bönninghausen der Stadt als Verbrechen an, forderte 12 000 Rthlr., die die Einwohner teils in Geld und Früchten, teils in Silbersachen, Zinn und Kupfer mühsam genug aufbrachten, um der angedrohten Plünderung zu entgehen. Dazu wurden sämtliche Pferde requiriert. Bönninghausen verhieß dem ganzen Lande Brand und Plünderung, ‚wenn ihm nicht 20 000 Rthlr. Kontribution gezahlt würden; er begnügt sich aber endlich mit 7 500 Rthlr. und einer Lieferung von 24 000 Pfd. Brod, 30 Faß Bier und 15 Rindern‘. Seine zügellose Soldateska verheerte die Feldmark, tat ’sowohl alten Frauen von 50 bis 60 Jahren als Jungfrauen und unmündigen Mädchen‘ Gewalt an und setzte viele vornehme Leute gefangen, die aufs grausamste behandelt wurden. Von Korbach aus wandte sich Bönninghausen ins Hessische, plünderte und raubte mit seinen ‚durch Grausamkeit berüchtigten Reitern‘ im Löwensteiner Grund und in den Ämtern Frankenberg und Wetter, wobei die gröbsten Exzesse verübt wurden. Nach der Einnahme Amöneburgs und auf die Kunde des Herannahens des hessischen Landgrafen entschloß Bönninghausen sich zum Rückmarsch. Sachsenberg und die Güter Sand und Lichtenfels bekamen diesen noch empfindlich zu spüren. Über Winterberg und Attendorn eilte Bönninghausen wieder ins Kölnische zurück, im November 1633 stand er schon im Herzogtum Jülich-Berg. Sein Einfall hatte nur wenige Wochen gedauert, aber die Waldecker zitterten, wenn sein Name genannt wurde. Wie berechtigt ihre Sorge vor diesem westfälischen Edelmann war, sollte sich auch in den darauffolgenden Jahren erweisen. Der Schaden zum Anteil der Kaiserlichen wurde für 1633 zu 38 152 Rthlr. und der zum Anteil der Alliierten zu 13 766 Rthlr. berechnet, zusammen 51 918 Rthlr“.
[63] Zu Knyphausens zögernder Kriegsführung SATTLER, Reichsfreiherr Dodo zu Innhausen und Knyphausen, S. 446-467; zur Belagerung der Petersburg GEYSO, Beiträge, S. 98ff.; ferner LINDHORST, Die Petersburg.
[64] Österreichisches Staatsarchiv Wien Kriegsarchiv Alte Feldakten 1633/9/16 II (Abschrift): Kurköln an Kurbayern, Extrakt eines Schreibens, Bonn, 1633 IX 22.
[65] Heilbronn [Stadtkr.]; HHSD VI, S. 315ff.
[66] Erfurt; HHSD IX, S. 100ff.
[67] Waldeck; HHSD IV, S. 444f.
[68] Frankfurt/M.; HHSD IV, S. 126ff.
[69] Nieheim [LK Höxter]; HHSD III, S. 566.
[70] Steinheim [LK Höxter]; HHSD III, S. 702.
[71] Oesterholz [LK Detmold]; HHSD III, S. 589.
[72] Schwalenberg [LK Detmold]; HHSD III, S. 676.
[73] Schieder [LK Detmold]; HHSD III, S. 666ff.
[74] Nach FINK, Das Haus der Grafen zur Lippe, S. 33, am 7. April (a. St.) an den Küchenschreiber des Grafen, Adam Hagemann, gerichtet.
[75] Lemförde [Kr. Grafschaft Diepholz]; HHSD II, S. 290f.
[76] Münster; HHSD III, S. 537ff.
[77] Warendorf [LK Warendorf]; HHSD III, S. 754ff.
[78] Wiedenbrück [LK Wiedenbrück]; HHSD III, S. 782f.
[79] Hildesheim; HHSD II, S. 228ff.
[80] Bremen; HHSD II, S. 69ff.
[81] Oldenburg; HHSD II, S. 360ff.
[82] Emden; HHSD II, S. 134ff.
[83] Gemeint ist Balthasar v. Bönninghausen. Von 1629 bis 1644 war Moritz v. Büren katholischer Präsident des Reichskammergerichts. Das Amt, das eigentlich dem hohen Adel vorbehalten war, erlangte er durch Vorlage einer von seinem Vertrauten Balthasar v. Bönninghausen manipulierten Ahnentafel.
[84] Oerlinghausen [LK Lemgo]; HHSD III, S. 588f.
[85] Lothe, heute Ortsteil von Schieder-Schwalenberg.
[86] Brakelsiek, heute Ortsteil von Schieder-Schwalenberg [LK Lippe].
[87] Bielefeld; HHSD III, S. 73ff.
[88] Eisbergen, heute Stadteil von Porta Westfalica [LK Minden-Lübbecke].
[89] Sonneborn, heute Ortsteil von Barntrup [LK Lippe].
[90] Eiben.
[91] Nach MIRBACH, Bey diesem elenden Kriegswesen, S. 90, sollen 1636 rund ein Drittel der Einwohner an der Pest gestorben sein.
[92] Cappel [LK Lippstadt]; HHSD III, S. 141.
[93] STEGMANN, Lippe, S. 98ff.