Rauhaupt, Friedrich; Fähnrich [- September 1634] Rauhaupt war kaiserlicher Fähnrich[1] oder Hauptmann.[2] Sein mehr zufälliger Tod führte zur Zerstörung von Burleswagen,[3] Neidenfels[4] und einiger anderer Ortschaften in der Grafschaft Hohenlohe.
„Grausam wüteten die Kaiserlichen gegen die in Schloß Burleswagen geflüchteten Landleute. Der flüchtige Reitknecht eines in der Schlacht bei Nördlingen[5] gefallenen Herrn von Ellrichshausen[6]-Jagstheim[7] hatte die Kunde von der verlorenen Schlacht und den anrückenden Feinden nach Jagstheim gebracht, wo die Leute gerade beim Kirchweihtanz waren. Die Nachricht verbreitete sich rasch in der ganzen Gegend. Viele flohen in die benachbarten Städte und Schlösser, so auch Familien von Satteldorf,[8] Gröningen,[9] Hengstfeld,[10] Onolzheim,[11] Altenmünster[12] und anderen Orten in das von dem Besitzer, dem Freiherrn von Wollmershausen,[13] verlassene Schloss zu Burleswagen, zu dem der Schultheiß[14] Michael Hölzer in Satteldorf den Schlüssel hatte. Als nun ein Trupp kaiserlicher Dragoner[15] unter Führung des Fähnrichs Friedrich Rauhaupt vor dem mit Wall, Graben und einem Palisadenzaun geschützten Schloss erschien, schossen einige Bauern, wie sie dies in früheren Fällen zur Vertreibung feindlicher Streifzüge[16] schon öfters mit Erfolg getan hatten, durch die Palisaden hinaus, wobei der Fähnrich tödlich getroffen wurde. Die Dragoner zogen sich zurück, kamen aber in kurzem mit Verstärkung wieder und beschossen das Schloss. Nun entstand große Angst und Verwirrung unter den Flüchtlingen im Schloss. Die meisten Mannspersonen, darunter auch der Schultheiß, der unbedachterweise die Schlüssel mitnahm, ließen sich an Seilen und Stricken über die hintere Zwergmauer hinab in den Schloßberg und flohen über die Jagst. Die Zurückgebliebenen, meist Frauen, Kinder und Greise, wollten sich ergeben, konnten aber die Tore nicht öffnen, worauf die Kaiserlichen wutentbrannt die Tore einhieben und jeden, den sie erreichten, töteten oder verwundeten; so lagen auf einem Haufen 14 ermordete Menschen; der alte Bauer Georg Kern von Sattelbach, Baumann und die Frau des Schultheißen Georg Kern von Sattelbach, die sich im Backofen versteckt hatten, wurden herausgezogen und ermordet; auf einer tot am Boden liegenden Frau von Hengstfeld kroch ihr kleines Kind herum. Etliche Personen, die noch zu entfliehen versuchten, fielen in die Jagst oder wurden von den nacheilenden Soldaten niedergeritten, durch Stiche und Schüsse verwundet, über die Jagstbrücke hinuntergeworfen, eine Frau durch Steinwürfe getötet. Zahlreiche Verwundete starben in den nächsten Tagen. Eine alte Frau, die fünf Wunden bekommen hatte, kam mit dem Leben davon, ebenso ein schwer verwundeter kleiner Knabe, dessen Mutter und Schwester an ihren Wunden starben. Die Toten wurden nach Abzug der Kaiserlichen fast alle im Schlossgraben ohne Leichenbegängnis begraben, da der Pfarrer Simon Löw von Satteldorf schon vor diesem Vorfall hatte fliehen müssen. Als unerschrockener Mann hatte er wiederholt an der Spitze seiner Bauern Überfälle feindlicher Streiftrupps zurückgewiesen, namentlich das Schloss Burleswagen erfolgreich verteidigt, weshalb ihn die Kaiserlichen unschädlich zu machen suchten. Schließlich konnte er sich bei einem Angriff auf das Schloß nur dadurch retten, daß er sich über die hintere Mauer hinunterließ, den Berg hinuntersprang und über die Jagst schwamm, nachdem er sich von seinen Bauern mit den Worten verabschiedet hatte: Lebt wohl, Gott sei mit uns, nun müßt ihr doch alle wieder katholisch werden. Er wurde dann Lehrer und bald darauf Pfarrer im Nassauischen.
Nachdem die Soldateska sich ein paar Tage im Schloss an den erbeuteten Vorräten gütlich getan hatte, steckten sie Burleswagen und Neidenfels in Brand und zogen dann nach Satteldorf, plünderten es aus, steckten zuerst das Pfarrhaus und die Pfarrscheune, dann zahlreiche andere Häuser und Scheunen in Brand, so daß fast das ganze Dorf abbrannte.
Auch in den Burgberger Wald hatten sich viele Leute aus der Nachbarschaft mit ihrer kärglichen Habe geflüchtet. Sie wurden dort von den Kaiserlichen aufgespürt, ausgeraubt und misshandelt“.[17]
[1] Fähnrich: Rangunterster der Oberoffiziere der Infanterie und Dragoner, der selbst bereits einige Knechte zum Musterplatz mitbrachte. Dem Fähnrich war die Fahne der Kompanie anvertraut, die er erst im Tod aus den Händen geben durfte. Der Fähnrich hatte die Pflicht, beim Eintreffen von Generalspersonen die Fahne fliegen zu lassen. Ihm oblagen zudem die Inspektion der Kompanie (des Fähnleins) und die Betreuung der Kranken. Der Fähnrich konnte stellvertretend für Hauptmann und Leutnant als Kommandeur der Kompanie fungieren. Bei der Kavallerie wurde er Kornett genannt. Vgl. BLAU, Die deutschen Landsknechte, S. 45f.
[2] So MARTENS, Geschichte, S. 353. – Hauptmann: Der Hauptmann (schwed. Kapten) war ein vom Obristen eingesetzter Oberbefehlshaber eines Fähnleins der Infanterie, das er meist unter Androhung einer Geldstrafe auf eigene Kosten geworben und ausgerüstet hatte. Der Hauptmann warb daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. In der Kompanie-Stärke wurden sogenannte „Passevolants“ mitgerechnet, nichtexistente Söldner, deren Sold ihm zustand, wenn er Deserteure und verstorbene Soldaten ersetzen musste. Der monatliche Sold eines Hauptmanns betrug 160 fl. (Nach der Umbenennung des Fähnleins in Kompanie wurde er als Kapitän bezeichnet.) Der Hauptmann war verantwortlich für Werbung und Soldzahlung, für Disziplin, Ausrüstung und Verpflegung sowie für die Ernennung der untergebenen Führer. Er musste die standesgemäße Heirat seiner Untergebenen bewilligen. Oft war er in erster Linie für die materielle Versorgung der Truppe zuständig, und die eigentlich militärischen Aufgaben wurden von seinem Stellvertreter, dem Kapitänleutnant, übernommen. Der Hauptmann marschierte an der Spitze des Fähnleins, im Zug abwechselnd an der Spitze bzw. am Ende. Bei Eilmärschen hatte er zusammen mit einem Leutnant am Ende zu marschieren, um die Soldaten nachzutreiben und auch Desertionen zu verhindern. Er kontrollierte auch die Feldscher und die Feldapotheke. Er besaß Rechenschafts- und Meldepflicht gegenüber dem Obristen, dem Obristleutnant und dem Major. Dem Hauptmann der Infanterie entsprach der Rittmeister der Kavallerie. Junge Adlige traten oft als Hauptleute in die Armee ein. Jedoch muss man wohl davon ausgehen, dass nicht alle Offizierschargen in gleichem Umfang an diesen lukrativen Geschäften beteiligt waren. Die bei DAMBOER, Krise, S. 150, dargestellte „Schatzkammer“ eines Hauptmanns ist nicht unbedingt typisch.
[3] Burleswagen [Gem. Satteldorf, LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, S. 129.
[4] Neidenfels [LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, S. 552.
[5] Schlacht bei Nördlingen am 5./6.9.1634 zwischen den kaiserlich-ligistischen Truppen unter Ferdinand (III.) von Ungarn und spanischen Kontingenten unter dem Kardinal-Infanten Fernando auf der einen Seite und dem schwedischen Heer unter Feldmarschall Gustav Horn, der in eine 7 Jahre dauernde Gefangenschaft geriet, und Bernhard von Weimar auf der anderen. Die Schwedisch-Weimarischen verloren nicht allein die Schlacht, etwa 8.000-10.000 Tote und 3.000-4.000 Verwundete – auf kaiserlicher Seite waren es 1.200 Tote und 1.200 Verwundete – , sondern mit ihr auch den Einfluss in ganz Süddeutschland, während der französische Einfluss zunahm. Vgl. die ausführliche Darstellung bei ENGERISSER; HRNČIŘĺK, Nördlingen 1634 (die detaillierteste Darstellung der Schlacht); STRUCK, Schlacht, WENG, Schlacht. Vgl. den lat. Bericht »Pugna et victoria ad Nordlingam«, der den protestantischen Ständen zuging; Staatsarchiv Bamberg B 48/145, fol. 74 (Abschrift). Zur französischen Sicht vgl. den Avis Richelieus, 1634 IX 11; HARTMANN, Papiers de Richelieu, Nr. 288.
[6] Ellrichshausen [Gem. Satteldorf, LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, 172.
[7] Jagstheim [Crailsheim, LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, 381f.
[8] Satteldorf [LK Schwäbisch Hall].
[9] Gröningen [Gem. Satteldorf, LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, 266f.
[10] Hengstfeld [Gem. Wallhausen, LK Schwäbisch Hall], HHSD VI, 328.
[11] Onolzheim [Crailsheim, LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, 614f.
[12] Altenmünster, unter Crailsheim [LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, 154.
[13] Wollmershausen [Crailsheim, LK Schwäbisch Hall]; HHSD VI, 900.
[14] Schultheiß: 1. Vom Landesherrn eingesetzte Ortsobrigkeit mit vorwiegend richterlicher Gewalt, seit dem 9. Jahrhundert auch als militärischer Titel und Dienstgrad. Der Schultheiß war Vorsitzender des Gerichts und als solcher öffentlicher Ankläger, insbes. bei Friedensbruch und Verletzungen des Eigentumsrechts. Die Kandidaten für das Amt des Schultheißen mussten einen unbescholtenen Lebenswandel und Grundbesitz nachweisen. Widrigenfalls konnten sie von den Gerichtsschöffen abgelehnt werden.
2. militärischer Dienstgrad: Vorsitzender des sogenannten Schultheißengerichts, einer genossenschaftlichen und von den Kriegsherren weitgehend unabhängigen Rechtsinstanz in den Landsknechtsheeren, die im Laufe des Dreißigjährigen Krieges von den Unter[kriegs]gerichten abgelöst wurde.
[15] Dragoner (frz. dragon): leichter Reiter, der auch zu Fuß focht, benannt nach den mit Drachenkopf (dragon) verzierten Reiterpistolen, nach KEITH, Pike and Shot Tactics, S. 24, aus dem Holländischen „dragen“ bzw. „tragen“. „Arbeiter zu Pferd“ hat man sie genannt. Der Dragoner war im Prinzip ein berittener Musketier (der zum Gefecht absaß), da das Pferd zu schlecht war, um mit der Kavallerie ins Gefecht reiten zu können. Berneck, Geschichte der Kriegskunst, S. 136. Auch äußerlich war der Dragoner nicht vom Infanteristen zu unterscheiden. Zudem verfügte in der schwedischen Armee 1631/32 etwa nur die Hälfte der Dragoner überhaupt über ein Pferd. Oft saßen daher zwei Dragoner auf einem Pferd. Falls überhaupt beritten, wurden die Dragoner als Vorhut eingesetzt, um die Vormarschwege zu räumen und zu sichern. Teilweise führten die Dragoner am Sattelknopf kleine Äxte mit, um Hindernisse entfernen oder sich auch zeitweise selbst verteidigen zu können. Zum Teil wurden unberittene Dragoner-Einheiten im Kampf auch als Musketiere eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte auch Sicherung und Deckung von Konvois, Patrouillen, Angriffe aus dem Hinterhalt, Bildung der Vor- und Nachhut. Ausführlich dargestellt bei ENGERISSER, Von Kronach, S. 468ff., FLIEGER, Die Schlacht, S. 123ff. Eine Designation vom 13.7.1643 über die Verwendung des Werbegeldes bzw. die Abrechnung für einen Dragoner stellt 44 Gulden 55 Kreuzer in Rechnung. Vgl. WALLHAUSEN, Kriegs-Kunst zu Pferd. Zu den Waffen vgl. auch http://www.engerisser.de/Bewaffnung/Bewaffnung.html.
[16] Streifpartei: I. Streifkorps; Reiterabteilung, die entweder zur Aufklärung oder zu überraschenden Handstreichen vom zuständigen Kommandeur ausgesandt wurde oder eine auf eigene Rechnung oder mit Wissen des an der Beute beteiligten Kommandeurs herumstreifende Abteilung, um Beute zu machen, Nahrung zu beschaffen oder die Bevölkerung zu terrorisieren. Am 9.5.1643 schrieb Ferdinand III. an Gallas: „auch die Streifparteien gehören bestrafft […], da sy die unterthanen unerhörter barbarischer weiß tractirn, denenselben wan sy nit gleich alles nach ihrem willen thuen, löcher durch die nasen bohren, strick dardurch ziehen und sie die [wie ?] unvernünfftigen thiere mit herumben ziehen, theils gar pulver in die nasenlöcher, auch mundt und ohren stecken und dasselbe anzünden, oder aber haisses bley hinein gießen, auch wohl ihre händt und fueß abhacken, ganze dörffer außplendern, und viel pferdt und viech mit weckh treiben“. REBITSCH, Gallas, S. 218f. II. Kriegspartei: reguläre Truppenabteilung. Vgl. KROENER, Kriegsgurgeln. III. Banden aus Deserteuren, Straftätern, vertriebenen Bauern, die z. T. in Stärke von 400 Mann bevorzugt Dörfer überfielen. LEHMANN, Kriegschronik, S. 105, zu einer Strafaktion: „Zue Crandorf hielte Sich auf Johans Lorentz, ein versuchter Churfürstlicher reuter, aber arger Mauser, der uff den Schwedenschlag an der Böhmischen gräntze großen schaden gethan. Den nahm Künemann, ein keyßerlicher Leutenandt und werber von den Platten mit 6 musquetiren des Nachts auß den bette, führeten ihn biß an Breittenbrunner Wiltzaun, schoßen in todt, zogen ihn auß und ließen ihn liegen, der den 25. April in einen Winckel auf den Gottesacker wurd begraben“. Vgl. auch das Edikt der Grafschaft Limburg (1627): „waß maßen vnd vielfeltiger Dagten Vorkommen [ist], dass sich in Vnser[er] Graffschafft Lymburg fast täglichen Partheyen vnd Soldaten vnd auch noch woll herrenloses Gesindling in Büschen, Bergen vnd Strauchen auffhalten, welche nicht allein Vnsern Vnderthanen, sondern auch der benachbarten Neutralen pressen, knebeln, fangen, stechen vnd sonsten übell tractieren […], welches allen Rechten, Erbarkeitt, guter Policey vnd gemeiner Wolfahrt, auch des Heiligen Reiches Landtfrieden vnd anderen Satzungen zuwiederläufft“. MARRA, Tod, S. 140. „Je länger der Krieg dauerte, um so ärger wurde es. Eine Beschwerde der anhaltischen Fürsten vom 22. Januar 1639 an den Kaiser schildert die Zustände im Lande wie folgt: ‚Die meisten Völker haben sich von der Armee abgetan und unser Fürstentum durch und durch gestreift, Dörfer und Städte, derunter Jeßnitz und Raguhn, ausgeplündert, Adlige und andere Standespersonen ermordet und verwundet, Dörfer in Brand gesteckt, teils ohne Not niedergerissen, Bauernkinder geschlachtet, den Weibern die Brüste abgeschnitten und gegessen, dazu das Land dermaßen verderbt, daß fast niemand sich auf dem Lande aufhalten und das Feld bestellen, noch die Reichsanlage abführen kann“. WÜRDIG; HEESE, Dessauer Chronik, S. 222. Im Juni 1647 ordnete der Kommandant von Lippstadt, Rollin de St. André, an, dass alle herumstreifenden Soldaten ohne Ausweispapiere zu erschießen seien. CONRAD; TESKE, Sterbzeiten, S. 51. => Partei.
[17] Nach SCHAEFF-SCHEEFEN, Kirchberg.