Spinelli, Carlo, Markgraf zu Orsonovo; Obrist [1574 – 1633 Neapel] Carlo Spinelli, Markgraf zu Orsonovo im Königreich Neapel, führte im Böhmischen Krieg ein kaiserlich-neapolitanisches Regiment, mit dem er an der Schlacht am Weißen Berg teilnahm.[1] Er hatte im Kriegsrat zu einem Kompromiss zwischen der bayerischen und der kaiserlichen Auffassung geraten: „Der Herzog [Maximilian I. von Bayern;(2) BW] eröffnete die Berathung damit, dass er den Grafen Bucquoy um Mittheilung seiner Ansicht ersuchte. Der Graf wollte nicht zuerst sprechen; nach einigem Sträuben gab er indes seine Meinung dahin ab, dass man nicht Alles auf ein Risico setzen, sondern an der linken Flanke des Feindes vorbei im Thale von Koschir[3] auf Prag ziehen solle, um zu sehen, ob man auf diese Weise den Feind nicht zur Umbildung seiner Schlachtordnung zwingen und ihn aus seinem Vortheile herauslocken könne. Es stimmten, heißt es in Tilly’s[4] Relation, dem Grafen einige kaiserliche Obersten bei; am meisten fanden jene Buquoy’s Pläne für gut, welche von ihm abhingen und ihm einen Gefallen erweisen wollten (massime quelli, che dipendevano da lui per compiacerlo). Und obgleich von den übrigen kaiserlichen Officieren, ‚welche im Kriegswesen erfahrener und geübter waren’, zusammen mit den bairischen die entgegengesetzte Meinung verfochten wurde, so blieb der Graf doch standhaft bei seinem Entschlusse, dass man nicht gegen den Feind, sondern in der Richtung auf Prag vorgehen solle. Unter jenen ‚übrigen Officieren’ (frà gli altri) that sich der Oberstlieutenant Lamotte hervor. Er bemerkte, dass er die Positionen und Verschanzungen der feindlichen Armee recognoscirt, dieselben aber nicht von so grosser Wichtigkeit gefunden habe, um den Entschluss zum Kampfe rückgängig zu machen; die Artillerie der Böhmen würde bei raschem Angriffe den katholischen Heeren wenig Schaden zufügen können. Buquoy’s Vorschlag, sich rechter Hand nach Prag zu wenden, sei im Gegentheil unmöglich, da die vereinigten Armeen beim Marsche nicht nur in die Lage kommen würden, dem Feinde schutzlos die linke Flanke zuzuwenden, sondern auch unter der Discretion bei böhmischen Geschütze vorbeidefiliren müssten. Alles in allem genommen sei es aber nöthig, einen der beiden Vorschläge anzunehmen, entweder dem Feinde hart auf den Leib zu rücken, oder sich in dessen eignem Angesichte zurückzuziehen.
Dasselbe, heisst es im Berichte des bairischen Generals weiter, brachte der Baron von Tilly vor, indem er nachwies, wie schwer ein Rückzug vor dem an Reiterei so starken Feinde zu bewerkstelligen sei. ‚Aber alle diese Gründe und Beweise genügten nicht, den Grafen einen Beschluss fassen zu lassen und unterdessen verlor man Zeit und der Feind arbeitete. Der Baron von Tilly und die Uebrigen wurden schliesslich untuhig (inquieti), dass man S. F. D. und ihnen selbst durch derartige Verzögerungen einen so schönen Sieg entschlüpfen liess. Endlich machte der neapolitanische Oberst Carlo Spinelli den Vorschlag, ein grosses Scharmützel anzufangen, welcher Plan, da er den Mittelweg zwischen einer Schlacht und einem Rückzug bildete, nach einiger Zeit vom Grafen Buquoy gebilligt wurde. Er gab zu, dass es besser sei, den Feind auf diese Art anzugreifen, als den Rückzug zu nehmen’. Natürlich trug das Gefühl, überstimmt worden zu sein, nicht dazu bei, seine gereizte Stimmung zu bessern“.[5]
Am 10.7.1621 fiel Bucquoy vor den Festungswällen Neuhäusels.[6] Damit hatte Ferdinand II.[7] nach Dampierre den zweiten seiner Generäle in Ungarn verloren. Der Zeitzeuge Jost Maximilian Graf von Gronsfeld berichtet in dem 1647 erneut aufgelegten „Florus“ des Historiographen Wassenberg[8] – allerdings hier nur vom Hörensagen oder durch Flugblätter informiert -, dass Bucquoy sich bemühte, die weichende kaiserliche Kavallerie, die beim Fouragieren von Ungarn überfallen worden war, wieder zum Stehen zu bringen. Beim Anreiten gegen den Gegner wurde sein Pferd unter ihm erschossen. Weil aber die von ihm geführten Kavalleristen eine veraltete Caracole[9] ritten, um den Angriff zu wiederholen, hatten sie ihn bei seinem getöteten Pferd zurückgelassen. Ehe sie wieder einschwenken konnten, starb Bucquoy, von mehreren Lanzenstichen verwundet.[10]
Das kaiserliche Heer zog sich daraufhin rasch in seine Quartiere bei Neuhäusel zurück.[11] Während der kursächsische Gesandte Zeidler kritisch anmerkte, der Rückzug sei wohl „eher einer Flucht ähnlich gewesen“,[12] versuchte Ferdinand II. den aufmerksamen protestantischen Neutralen im Reich wie etwa Christian Markgraf von Brandenburg-Kulmbach/Bayreuth gegenüber die Absetzbewegung seiner Armee zu verharmlosen.[13]
Der AugenzeugeJost Maximilian Graf von Gronsfeld äußerte sich in den Anmerkungen zu Wassenbergs „Florus“ dagegen drastischer: „Was das schändliche außreissen belanget / solches lasse ich den Herrn Graffen [Rudolf; BW] von Tiefenbach / Fürsten [Karl; BW] von Lichtenstein / Don Guilielmo Verdugo, Carolo Spinelli, Graff Heinrich Otto Fugger/ als welcher nach Bucquoy Todt das Commando geführet […] selbsten verantworten“.[14]
„Der Sommer und Herbst des Jahres [1624; BW] scheinen dann, von Beunruhigungen durch kleinere Streifscharen oder einzeln ziehenden Soldaten abgesehen, ereignisloser als in den vergangenen Jahren verlaufen zu sein, aber um die Weihnachtszeit kam eine neue Hiobsbotschaft in Kulmbach[15] an. Am 24. Dezember erschien ein Kommissär mit einem Schreiben des Kaisers, in welchem starke Durchzüge von Truppenverbänden, die General Spinelli aus Böhmen in die Niederlande führen sollte, angekündigt wurden. Zunächst sollten sechs Regimenter auf verschiedenen Wegen das Fürstentum berühren. Der Markgraf [Christian v. Brandenburg-Kulmbach/Bayreuth; BW] erließ umgehend Befehle an alle Hauptleute und Amtmänner, dafür die nowendigen Vorbereitungen zu treffen, damit den Untertanen kein Schaden und keine Bedrängnis entstehe und damit sie, ‚die das Vorige ohnedes noch nicht verschmerzet, nicht vollendts verderbet werden möchten‘. In weiteren Schreiben wies Christian vor allem auf die unbedingte Dringlichkeit einer guten Verständigung zwischen den einzelnen Ämtern hin. Auch wandte er sich wieder an alle Nachbarn der Markgrafschaft, um mit ihnen Absprache, wie man sich zu verhalten gedenke, zu treffen. Aber ehe deren Antworten noch am markgräflichen Hof eintrafen, hatten die Durchzüge schon begonnen. Da sie größtenteils aus Böhmen über die Oberpfalz vor sich gingen, berührten sie zumeist die markgräflichen Gebiete der Fränkischen und Hersbrucker Alb und das Unterland. Durch fortgesetzte Berichte der Amtmänner blieb der Fürst über alle Ereignisse wohl informiert“.[16]
1624 führte er der spanischen Infantin einen Sukkurs von 2.000 Reitern und 3.000 Fußsoldaten zu. Er nahm 1625 an der Belagerung Bredas[17] teil. Der Kaiser ernannte ihn zum Kammerherrn und Kriegsrat und erhob ihn in den Fürstenstand.
[1] 8.11.1620: Maximilian I. von Bayern schlägt das böhmische Ständeheer unter Christian I. von Anhalt. Friedrich V. von der Pfalz geht nach Den Haag in die Niederlande. Vgl. KREBS, Schlacht.
[2] Vgl. ALBRECHT, Maximilian I.
[3] Koschir [Košíře bei Prag].
[4] Vgl. KAISER, Politik; JUNKELMANN, Der Du gelehrt hast; JUNKELMANN, Tilly.
[5] KREBS, Schlacht, S. 96f.
[6] Neuhäusel (Nové Zámky; Érsekujvár), Stadt (Königreich Ungarn).
[7] Vgl. BROCKMANN, Dynastie.
[8] Vgl. LAHRKAMP, Everhard Wassenberg.
[9] Caracole ist in damaligen Militärkreisen recht umstrittenes Manöver, ausführlich dargestellt bei KREBS, Schlacht, S. 190f. Eine Kompanie Arkebusiere in fünf Gliedern zu je 16 Pferden in entsprechendem Abstand attackiert 200 Infanteristen, deren vorderstes Glied aus Musketieren besteht, die kniend chargieren. Dann feuert das erste Glied der Reiterei in vollem Anritt etwa 20 bis 30 Schritte (nach WAGNER, Tracht, S. 43, 30-50 Schritte) vor dem Feind. „Sobald sie Feuer gegeben, machen sie aus dem Glied ein Reyen, wenden sich zur linken Hand und Seiten hineinwärts, geben den folgenden Platz um zu treffen, laden in vollen Carriera ihrer Rohrs und hangen sich an das hinterste Glied der Squadron“(zit. nach WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß); FRAUENHOLZ, Heerwesen, S. 60f.; BEAUFORT-SPONTIN, Harnisch, S. 32f.; nach LYNN, Tactical Evolution, S. 182f., in Frankreich bereits in den 70er u. 80er Jahren unter Heinrich IV. abgeschafft. Möglicherweise behinderte ihn auch der Feldharnisch, der bis zu 41 kg wiegen konnte. Auch Pappenheim hatte noch (Österreichisches Staatsarchiv Wien Reichshofrat Antiqua 564 Nr. 18 (Ausfertigung): Regensburg, 1623 II 28) Ferdinand II. gegenüber ausdrücklich darauf verwiesen, dass er vor Rakonitz niemals „caracols“ gemacht habe.
[10] Nach WEYHE-EIMKE, Bucquoy, S. 76, befand er sich auf einem Erkundigungsritt. Dabei unternahmen die Ungarn einen Ausfall und Bucquoy befahl dem ihn begleitenden Obristleutnant Torquati [Torquato Conti], den Kampf aufzunehmen. Er selbst ritt gegen den Gegner, seine Begleiter feuerten ihre Pistolen ab u. flohen. Torquati geriet mit seiner Abteilung in Gefangenschaft. Fünfzehn Ungarn drangen auf Bucquoy ein; sein Pferd fiel unter ihm. Der Markgraf von Gorgonza wollte ihm zu Hilfe kommen, konnte ihn aber nicht erreichen. Allein gelassen, traf B. „ein Hieb auf das Handgelenk und machte ihn kampfunfähig. Dann folgten Lanzenstiche auf Lanzenstiche. So sank er aus dreizehn Wunden blutend zu Boden und starb, wie er gelebt, treu seinem Gott und seinem Kaiser“.
[11] KRAUS, Siebenbürgische Chronik, S. 64: „Nach erhaltenem sige vndt Victoria lässet der Betthlen Gabor seine Kriegsvölker vmberhalb Neysoll ihn den Quartieren etwas aussrästen, er aber ziehet triumphando auff Neysoll auch ein, welche ihn Solemniter mit allen ehren vndt freyden entpfangen“.
[12] GINDELY, Acta, S. 295; dt. bei DEPNER, Fürstentum Siebenbürgen, S. 85.
[13] Staatsarchiv Bamberg C 48/49, fol. 2 – 2′ (Ausfertigung): Ferdinand II. an Christian v. Brandenburg-Kulmbach, Wien, 1621 VII 22. Er teilte Bucquoys Tod mit, wie beiliegendem Bericht (fol. 4) zu entnehmen sei. Ihm sei „von einer retirada, welche unser kriegsvolck von ermeltem Neuhäusel dißmahl erhaischender notturft nach fürnemmen müssen, zugeschrieben worden, der ungezweiffellten zuversicht, weyl angeregte retirada und was daraus ervolgt ohne bemelts unsers kriegsvolcks sondern schaden und verlust abgegangen, mann soll und werde sich unser seits mit verleyhung göttlicher gnaden und beistandts desto leichter und bölder recolligirn und in dem für gezihltem christlichen und gemeinnuzigen vorsaz continuirn mögen“.
[14] WASSENBERG, FLorus, S. 51.
[15] Kulmbach; HHSD VII, S. 379f.
[16] STICHT, Markgraf Christian, S. 78f.
[17] Breda [Niederlande, Prov. Nord-Brabant].