Vittinghoff [Fitinghof], Leonhard von
Vittinghoff [Fitinghof], Leonhard von; Generalmajor [ – ] Der Livländer Leonhard von Vittinghoff [Fitinghof] stand 1632 als Generalmajor[1] in schwedischen Diensten.[2]
Aus der Reichsstadt Bad Wimpfen[3] wird berichtet: „1632. 20. April bekamen die so entsetzlich bedrängten und mißhandelten Evangelischen[4] Luft, durch Hilfe der Schweden, so an diesem Tag in Biberach[5] einrukten.
Nun wandte sich das Blatt, wie es die Kaiserlichen und die Rathsherren gemacht, so wurde es ihnen jetzt vergolten. Die Evangelischen bekamen die Kirchen wieder und alle Stellen, im Hospital[6] mußte alles was katholisch war weichen. Drauf hat man seiner Majestät dem König von Schweden Gustav Adolphs gehuldigt, hernach blieb nur eine Compagnie[7] Schweden hier. Der schwedische Generalmajor hat geheißen Leonhard v. Vittinghoff, war aus Liffland.
Damals starb ein Evangelischer Burgermeister Namens ‚Eckstein’, welchen mit allen Gloken wieder das erste Mal ist geläutet worden, welches in vielen Jahren keinem Evangelischen wehr ist worden.
16. Mai hat man den schwedisch Soldaten auf dem Markt beim rothen Ochsen eine Bettstund gehalten, sammt einer Predigt, und ist die Bettstund sodann auch alle Tag gehalten worden, so lang die Schweden seind hier gewesen. Nun verlangte der schwedische Befehlshaber zu wissen, ob man wenn die Landvögteischen[8] Bauren etlich tausend Mann anruken werden, was die Bürgerschaft alsdann zu thun entschloßen seyn; worauf dieselbe solches dem Rath anheim stellte, der sofort beschloß, daß man dem König in Schweden treu bleiben wolle bis in den Tod.
Nun hat der Commandant der ganzen Bürgerschaft befohlen, in das Gewehr zu stehen, und wurde dieselbe in 9 Korporalschaften getheilt, und unter die Soldaten gestoßen, die Wachten zu versehen, zur selbigen Zeit haben die Kapuziner[9] ihr Kloster verlaßen, und sind von dannen gewichen, es ist aber all ihr Sach inventiret worden, das Kirchengut, die Altäre, die Tafeln, haben die katholischen selbst weggenommen und in den Pfarrhof gethan, worauf die Schweden, die Dragoner[10] das Kloster samt dem Garten dergestalt verwüstet, daß man sich darüber hat verwundern müßen.
Den 24. sind die Schweden abgezogen, und haben nur etlich Mann da gelassen. Gleich den andern Tag kam von dem Kaiserlichen Commißär[11] Oß[12]a ein Schreiben, und von ihm begehrt, daß man kaiserlich Volk hier einnehme, was ohne Verzug geschehen mußte, man hat aber gleich den Christoph Wern und Hans Layen nach Ulm[13] geschikt, Raths zu holen, dieser war: man solle den Schweden treu bleiben, der sie nicht verlaßen werde. Nun ist man dem General Oßa muthig entgegen gezogen, und hat seine Leut fort über Berkheim,[14] Ehretheim[15] und Leutkirch[16] zu gejagt, die Burger haben auch sehr scharf Wacht gehalten.
Den 28. seind Nachts 12 Uhr wieder Schweden hier einmarschirt, es waren 5 Compagnien. Der katholische Rath wurde wiederum abgesetzt und auf dem Rathhaus arretirt, die Soldaten bei den katholischen Bürgern einquartirt, so ist der Christoph Brandenburg auf dem Markt wohnhaft, wegen seiner Soldaten aufs Siechenthor gefänglich eingelegt worden“.[17]
[1] Generalmajor: Der Generalmajor nahm die Aufgaben eines Generalwachtmeisters in der kaiserlichen oder bayerischen Armee war. Er stand rangmäßig bei den Schweden zwischen dem Obristen und dem General der Kavallerie, bei den Kaiserlichen zwischen dem Obristen und dem Feldmarschallleutnant.
[2] schwedische Armee: Trotz des Anteils an ausländischen Söldnern (ca. 85 %; nach GEYSO, Beiträge II, S. 150, Anm., soll Banérs Armee 1625 bereits aus über 90 % Nichtschweden bestanden haben) als „schwedisch-finnische Armee“ bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen der „Royal-Armee“, die v. Gustav II. Adolf selbst geführt wurde, u. den v. den Feldmarschällen seiner Konföderierten geführten „bastanten“ Armeen erscheint angesichts der Operationen der letzteren überflüssig. Nach LUNDKVIST, Kriegsfinanzierung, S. 384, betrug der Mannschaftsbestand (nach altem Stil) im Juni 1630 38.100, Sept. 1631 22.900, Dez. 1631 83.200, Febr./März 1632 108.500, Nov. 1632 149.200 Mann; das war die größte paneuropäische Armee vor Napoleon. Schwedischstämmige stellten in dieser Armee einen nur geringen Anteil der Obristen. So waren z. B. unter den 67 Generälen und Obristen der im Juni 1637 bei Torgau liegenden Regimenter nur 12 Schweden; die anderen waren Deutsche, Finnen, Livländern, Böhmen, Schotten, Iren, Niederländern und Wallonen; GENTZSCH, Der Dreißigjährige Krieg, S. 208. Vgl. die Unterredung eines Pastors mit einem einquartierten „schwedischen“ Kapitän, Mügeln (1642); FIEDLER, Müglische Ehren- und Gedachtnis-Seule, S. 208f.: „In dem nun bald dieses bald jenes geredet wird / spricht der Capitain zu mir: Herr Pastor, wie gefället euch der Schwedische Krieg ? Ich antwortet: Der Krieg möge Schwedisch / Türkisch oder Tartarisch seyn / so köndte er mir nicht sonderlich gefallen / ich für meine Person betete und hette zu beten / Gott gieb Fried in deinem Lande. Sind aber die Schweden nicht rechte Soldaten / sagte der Capitain / treten sie den Keyser und das ganze Römische Reich nicht recht auff die Füsse ? Habt ihr sie nicht anietzo im Lande ? Für Leipzig liegen sie / das werden sie bald einbekommen / wer wird hernach Herr im Lande seyn als die Schweden ? Ich fragte darauff den Capitain / ob er ein Schwede / oder aus welchem Lande er were ? Ich bin ein Märcker / sagte der Capitain. Ich fragte den andern Reuter / der war bey Dreßden her / der dritte bey Erffurt zu Hause / etc. und war keiner unter ihnen / der Schweden die Zeit ihres Lebens mit einem Auge gesehen hette. So haben die Schweden gut kriegen / sagte ich / wenn ihr Deutschen hierzu die Köpffe und die Fäuste her leihet / und lasset sie den Namen und die Herrschafft haben. Sie sahen einander an und schwiegen stille“. Zur Fehleinschätzung der schwedischen Armee (1642): FEIL, Die Schweden in Oesterreich, S. 355, zitiert [siehe VD17 12:191579K] den Jesuiten Anton Zeiler (1642): „Copey Antwort-Schreibens / So von Herrn Pater Antoni Zeylern Jesuiten zur Newstadt in under Oesterreich / an einen Land-Herrn auß Mähren / welcher deß Schwedischen Einfalls wegen / nach Wien entwichen / den 28 Junii An. 1642. ergangen : Darauß zu sehen: I. Wessen man sich bey diesem harten und langwürigen Krieg in Teutschland / vornemlich zutrösten habe / Insonderheit aber / und für das II. Was die rechte und gründliche Ursach seye / warumb man bißher zu keinem Frieden mehr gelangen können“. a. a. O.: „Es heisst: die Schweden bestünden bloss aus 5 bis 6000 zerrissenen Bettelbuben; denen sich 12 bis 15000 deutsche Rebellen beigesellt. Da sie aus Schweden selbst jährlich höchstens 2 bis 3000 Mann ‚mit Marter und Zwang’ erhalten, so gleiche diese Hilfe einem geharnischten Manne, der auf einem Krebs reitet. Im Ganzen sei es ein zusammengerafftes, loses Gesindel, ein ‚disreputirliches kahles Volk’, welches bei gutem Erfolge Gott lobe, beim schlimmen aber um sein Erbarmen flehe“. Im Mai 1645 beklagte Torstensson, dass er kaum noch 500 eigentliche Schweden bei sich habe, die er trotz Aufforderung nicht zurückschicken könne; DUDÍK, Schweden in Böhmen und Mähren, S. 160.
[3] Bad Wimpfen [LK Heilbronn]; HHSD VI, S. 51f.
[4] Vgl. OSTERMAYER, Kronik, S. 64ff.
[5] Biberach an der Riß [LK Biberach]; HHSD VI, S. 80ff.
[6] Spital: meist Krankenanstalten, Pflegeheime oder Altersheime, denen ein eigenes Kirchengebäude angehörte. Die Bürgerspitalkirchen in größeren Städten waren dabei nur jenen Einwohnern vorbehalten, die das Bürgerrecht der Stadt besaßen, in solchen Städten gab es dann auch weitere Spitäler und Spitalskirchen für Nichtbürger. Das Spital hatte zumeist a) Oberpfründner mit Vermögen, das ganz oder teilweise zugewandt wurde und die sich durch eine bestimmte Summe einkauften; b) Unterpfründner, deren eingebrachtes zu ihrer Verpflegung nicht ausreichte und die daher teilweise aus dem Spitalvermögen ernährt werden mussten, und c) Arme, die vollständig unterhalten werden mussten, was im Laufe des Krieges zu einem immer größeren Problem wurde. Die Verwaltung oblag dem Spitalmeister, der für die Ordnung im Haus sorgte. Er führte mit seiner Frau die Wirtschaft, verwaltete die Einkünfte und erhielt dafür freie Station, Kleidung einen Jahreslohn, seine Frau erhielt einen „Jahr- und Backlohn“.
[7] Kompanie: Eine Kompanie zu Fuß (kaiserlich, bayerisch und schwedisch) umfasste von der Soll-Stärke her 100 Mann, ihre Ist-Stärke lag jedoch bei etwa 70 Mann, eine Kompanie zu Pferd bei den Bayerischen 200 Mann, den Kaiserlichen 60 Mann, den Schwedischen 80 Mann. Geführt wurde die Fußkompanie von einem Hauptmann, die berittene Kompanie von einem Rittmeister. Vgl. TROUPITZ, Kriegs-Kunst. Vgl. auch „Kornett“, „Fähnlein“, „Leibkompanie“.
[8] Landvogtei Schwaben: Die Landvogtei Schwaben, ab 1750 Oberamt Altdorf, gehörte zu Vorderösterreich und war somit ein Teil des Habsburgerreichs. Sie kam nach Ende des Herzogtums Schwaben als „Reichslandvogtei in Ober- und Niederschwaben“ 1541 an Österreich und verblieb dort bis 1805. Die Landvogtei umfasste Gebiete vom östlichen Nordufer des Bodensees über das Schuissental bis zur Ostalb (Schelkingen, die Stadt Riedlingen), außerdem im Werstallgäu das Umland der Reichsstadt Leutkirch im Allgäu. Die Landvogtei war in eine Obere Landvogtei und eine Untere Landvogtei geteilt. Sitz der Oberen Landvogtei war Altdorf.
[9] Kapuziner: Angehöriger des Ersten Ordens der Franziskaner; die Franziskaner-Oberservanten (Minoriten oder „Minderbrüder vom eremitischen Leben“) gingen barfuß in Sandalen und trugen eine braune Wollkutte mit Schulterkragen und Kapuze, daher auch „braune Kapuziner“ genannt. Dieser Bettelorden versuchte auch Askese, besonders durch Armut und apostolische Arbeit in der Seelsorge und Mission das Evangelium zu verwirklichen. Besondere Verdienste erwarben sie sich in der Pflege der Pestkranken. Diese strenge Observanz ist bei Franziskaner-Konventualen abgemildert. Diese trugen eine schwarze Kutte mit Mozetta und Kapuze und wurden daher „schwarze Kapuziner“ genannt.
[10] Dragoner (frz. dragon): leichter Reiter, der auch zu Fuß focht, benannt nach den mit Drachenkopf (dragon) verzierten Reiterpistolen, nach KEITH, Pike and Shot Tactics, S. 24, aus dem Holländischen „dragen“ bzw. „tragen“. „Arbeiter zu Pferd“ hat man sie genannt. Der Dragoner war im Prinzip ein berittener Musketier (der zum Gefecht absaß), da das Pferd zu schlecht war, um mit der Kavallerie ins Gefecht reiten zu können. Berneck, Geschichte der Kriegskunst, S. 136. Auch äußerlich war der Dragoner nicht vom Infanteristen zu unterscheiden. Zudem verfügte in der schwedischen Armee 1631/32 etwa nur die Hälfte der Dragoner überhaupt über ein Pferd. Oft saßen daher zwei Dragoner auf einem Pferd. Falls überhaupt beritten, wurden die Dragoner als Vorhut eingesetzt, um die Vormarschwege zu räumen und zu sichern. Teilweise führten die Dragoner am Sattelknopf kleine Äxte mit, um Hindernisse entfernen oder sich auch zeitweise selbst verteidigen zu können. Zum Teil wurden unberittene Dragoner-Einheiten im Kampf auch als Musketiere eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte auch Sicherung und Deckung von Konvois, Patrouillen, Angriffe aus dem Hinterhalt, Bildung der Vor- und Nachhut. Ausführlich dargestellt bei ENGERISSER, Von Kronach, S. 468ff., FLIEGER, Die Schlacht, S. 123ff. Eine Designation vom 13.7.1643 über die Verwendung des Werbegeldes bzw. die Abrechnung für einen Dragoner stellt 44 Gulden 55 Kreuzer in Rechnung. Vgl. WALLHAUSEN, Kriegs-Kunst zu Pferd. Zu den Waffen vgl. auch http://www.engerisser.de/Bewaffnung/Bewaffnung.html.
[11] Kriegskommissar: Bevollmächtigter des Kriegsherrn zur Eintreibung von Kriegssteuern (Kontribution). Als Quartierkommissarius legte er darüber hinaus die Einquartierungen der Soldaten fest. (Der Quartiermeister bzw. Fourier sorgte dann für deren praktische Umsetzung; vgl. s. v. „Fourier“.) Der „Musterkommissarius“ führte in landesherrlichem Auftrag die Musterungen durch und überwachte die Zusammensetzung des Heeres. Musterkommissare waren bei gemeinen Soldaten wie Offizieren gleichermaßen verhasst, da sie Manipulationen und Betrügereien auf den Musterplätzen zu unterbinden suchten: Söldner erschlichen sich vielfach Sold, indem sie sich unter verändertem Namen mehrfach mustern ließen, Offiziere führten zuweilen mehr Männer in den Soldlisten, als tatsächlich vorhanden waren, um die eigene Tasche mit den überschüssigen Löhnungen zu füllen (vgl. BURSCHEL, Söldner, S. 120ff.). Auch hatten sie die Abdankungen und die Zusammenlegung und Neuformierung kleiner Einheiten zu überwachen. Der Anteil der Kontributionsgelder an den Einkünften der Generalkriegskommissare und Kriegskommissare betrug bis zu 30 %. So erhielt z. B. der kurbayerische Kriegskommissar Christoph von Ruepp vom 18.1.1621 bis 30.4.1633 95.341 fl., davon 30.347 fl. Kontributionsgelder. DAMBOER, Krise, S. 51; vgl. auch PFEILSTICKER, Lang. In einer Landtagsbeschwerde des Gerichtes Hörtenberg wird geklagt, daß bei Durchzügen „auch tails beglaitcommissari den unntertonnen mehr sched- als nutzlich sein, in deme sy mer dem soldaten beifallen, unnd in ansuechenden unerzeuglichen sachen recht geben, als den unnderthonnen obhabennden gebierennden schutz erweisen“. SCHENNAT, Tiroler Landesverteidigung, S. 63. Zum Teil wurden Kriegskommissare wie Johann Christoph Freiherr v. Ruepp zu Bachhausen zu Obristen befördert, ohne vorher im Heer gedient zu haben; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2398, fol. 577 (Ausfertigung): Ruepp an Maximilian I., Gunzenhausen, 1631 XI 25.
[12] Wolf Rudolf Freiherr v. Ossa [Oßen] [ca. 1574-16.9.1639 Regensburg], kaiserlicher Generalkriegskommissar, Feldmarschall.
[13] Ulm; HHSD VI, S. 808ff.
[14] Berkheim [LK Biberach].
[15] Erolzheim [LK Biberach]. ?
[16] Leutkirch [LK Ravensburg].
[17] OSTERMAYER, Kronik, S. 69f.
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