Mauritius, Johannes; Pater SJ [1585 – 1631] Johannes Mauritius SJ hatte in Pruntrut[1] und München studiert und war 1610 der Societas Jesu beigetreten. Ab 1627 fungierte er als Beichtvater Tillys.[2]
Der tiefgläubige Tilly muss von dem seit Anfang 1628 existierenden Reformplänen des kaiserlichen Beichtvaters Lamormaini gewusst haben, der vier neue Jesuitenprovinzen – eine westfälische, niedersächsische, obersächsische und brandenburgische – errichtet haben wollte. Rund 80 Kollegien sollten dabei aus den Erträgen restituierter Kirchengüter finanziert werden, um neue Schulen, Seminare und Universitäten zu errichten,[3] was auch die Zustimmung Urbans VIII. fand.[4] Zunächst war dieser Plan geheim gehalten worden; selbst der durch seinen Beichtvater über genügend Zuträger in der SJ verfügende Carafa, dem der größte Teil der Nordischen Missionen unterstand,[5] hatte erst am 16.2.1628 davon erfahren.[6] Ordensgeneral Vitelleschi[7] hatte den Rektor des Hildesheimer[8] Jesuiten-Kollegs, P. Turrianus, der zumindest seit 1625 engen Kontakt mit Tillys Beichtvätern gehalten hatte, beauftragt, die Errichtung von Kollegien und Seminarien sorgfältig zu bedenken,[9] der seinerseits Tillys Beichtvater P. Mauritius informiert hatte.[10]
Dieser erreichte es, dass der Generalleutnant Urban VIII. von den Plänen unterrichten sollte. In Tillys Namen wurde ein von Turrianus formulierter Brief – der zudem noch von dem Provinzial der niederrheinischen Provinz Hermann Baving,[11] dem bewusst war, dass es ohnehin zur Neuaufteilung der Provinzen kommen würde, überprüft worden war[12] – an Urban VIII. geschrieben, der im Juni 1628 abgehen sollte. Der Papst, ein kleiner, leicht erregbarer und redseliger Mann, der sich im Vatikan von spanischen Spionen umgeben fühlte, war prinzipiell für die Rückgabe der Klostergüter an die alten Orden und gegen eine Übergabe an die SJ eingetreten, was auch Baving wusste. Baving hatte daher am 24.5. empfohlen, die SJ namentlich nicht zu erwähnen, sondern auf die besondere Situation im protestantischen Niedersachsen zu verweisen – bereits im Frühjahr 1628 waren Rundschreiben Friedrich Ulrichs von Braunschweig-Lüneburg zur Rechtsbelehrung an alle Klöster seines Territoriums ergangen, allgemeine politische Richtlinien zum Verhalten gegenüber kaiserlichen Kommissaren und Ordensangehörigen ließ er Ende Oktober an den Abt von Bursfelde[13] und die Pröpste des Calenberg-Wolfenbüttel’schen Teils ausgehen[14] – , doch sollten das Tilly und Turrianus entscheiden. Baving hatte allerdings die Bereitschaft der SJ herausgestellt, das Kreuz des Herren und die Schlüssel Petri unter dem Schutz von Tillys Truppen überall zu verteidigen. Tausende seien bereits im Stift Hildesheim in wenigen Jahren zum alten Glauben zurückgeführt worden – in Siegen waren die Einwohner erst nach schweren Drohungen und Strafen konvertiert[15] – ; alle Altersgruppen könnten bekehrt werden, wenn Schulen, Kollegien und Seminare rechtzeitig errichtet werden könnten. Am 30.5. war der Briefentwurf durch Turrianus dem P. Mauritius in Stade übermittelt worden.[16] Dem Inhalt zufolge sollte Urban VIII. die SJ in dieser Angelegenheit unterstützen, später habe der Papst immer noch Gelegenheit, nach eigenem Gutdünken die den Häretikern abgenommenen Güter zum Wohle der Kirche – und damit erst den Wünschen der anderen Orden entsprechend – einzusetzen.[17]
Diese Vorstellungen sollte Mauritius im Auftrag Tillys mit seinen Mitbrüdern auch auf dem Regensburger Fürstentag von 1630 propagieren.
[1] Pruntrut [Porrentruy; Schweiz, Kanton Bern].
[2] DUHR, Geschichte der Jesuiten II/2, S. 308f.
[3] REPGEN, Römische Kurie I/1, S. 177; BIRELEY, Maximilian, S. 84f., der darauf verweist, dass der Beichtvater des Mainzer Kurfürsten, Reinhard Ziegler SJ (1569-1636, v. 1625-1636 Beichtvater der Mainzer Kurfürsten; DUHR, Jesuiten II/2, S. 272-275), bereits 1625 für eine durchgreifende Restitutionspolitik eingetreten sei, Maximilian I. von Bayern jedoch angesichts der Kriegslage die Zeit noch nicht für gekommen gehalten habe; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kasten schwarz 769, fol. 171-181 (Entwurf): Maximilian I. an Kurmainz, München, 1625 IX 02; BA NF II/2, Nr. 105, Anm.; BIRELEY, Religion, S. 60f.
[4] RITTER, Restitutionsedikt, S. 101.
[5] Vgl. die v. GINZEL hg. Legatio apostolica, S. 35ff. Pier Luigi Carafa (1581-1655), Bischof v. Tricario, 1624-1634 Nuntius in Köln u. apostolischer Visitator in Norddeutschland., 1645 Kardinal; PASTOR, Geschichte der Päpste 13/1, S. 344f.; DBDI Bd. 19, S. 596-599; REPGEN, Konfliktlösung, S. 26ff.; ROBERG, Wirken, S. 51ff. Carafas Beichtvater war Silvestro Pietrasanta (1590-1647) SJ, der durch seine Beziehungen über weit reichende Informationen verfügte; ROBERG, Wirken, S. 57ff.; STILLIG, Jesuiten, S. 154ff.
[6] RITTER, Restitutionsedikt, S. 90, 101.
[7] 1563-1645; Ordensgeneral der SJ seit 1615; KOCH, Geschichte der Jesuiten II, Sp. 1822f.
[8] Vgl. PLATH, Konfessionskampf, S. 111ff.; Hildesheim; HHSD II, S. 228ff.
[9] So auch in seinem Schreiben an Hermann Baving (Anm. 10) vom 10.6.1628; DUHR, Geschichte der Jesuiten II/1, S. 14. Am 2.9. übermittelte Vitelleschi auch Lamormain den Befehl, Augenmaß zu bewahren u. kein Kloster „quorumcunque religiosorum“ der SJ zu überlassen; POSCH, Zur Tätigkeit und Beurteilung Lamormains, S. 328; STIEGELE, Beiträge, S. 863, 867.
[10] Bistumsarchiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 167.
[11] Hermann Baving; 1625-1626 Provinzial der ungeteilten, 1626-1631 der neuen Niederrheinischen Provinz, 1632 Rektor in Paderborn, 1639 Rektor in Köln, † 1644.
[12] Bistumsarchiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 167f.
[13] Bursfelde, heute Stadtteil von Hann. Münden [LK Göttingen].
[14] BRENNEKE; BRAUCH, Die calenbergischen Klöster, S. S. 309f. Dass Friedrich Ulrich (so SEIBRICH, Gegenreformation, S. 236, Anm.) nichts v. einer Gefährdung seiner Klöster bemerkt habe u. sich Hye u. Wartenberg gegenüber (Staatsarchiv Hannover Celle Br. 49 Nr. 414, fol. 216: Braunschweig, 1629 XI 01) verhandlungsbereit gezeigt habe, erscheint mehr als fraglich.
[15] DUHR, Geschichte der Jesuiten II/1, S. 95.
[16] Bistumsarchiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 168. Vgl. STIEGELE, Beiträge, S. 866.
[17] Bistumsarchiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 168.