Bracciolini, Cosmo di; Obristwachtmeister [ – ] Bracciolini war 1634 Obristwachtmeister im Regiment Goltz und in Lauingen[1] (Herzogtum Pfalz-Neuburg) stationiert. „König Ferdinand gab ihr [Lauingen], da sie namentlich als Proviant- und Truppensammelplatz von Bedeutung war, eine kaiserliche Besatzung. Zunächst kam der Kapitän Valentin Hector vom Tiefenbach’schen Regiment mit 170 Mann. Zu ihm gesellte sich dann ein Kapitänleutnant von Nördlingen[2] her mit 150 Mann. Darauf rückte ein schwedischer Kapitän ein, der zu den Kaiserlichen übergegangen war; er brachte 110 Dragoner mit. Am 6. Okt. [1634] endlich bezog Oberstwachtweister Cosmo di Bracciolini mit 200 Mann vom Golz’schen [Goltz] Regimente Quartier in der Stadt.
Lauingen hatte als zu Beginn des Oktobers eine Garnison von 600-700 Mann, Weiber und Kinder ungerechnet, zu unter-halten.[3] Diese Quartierlast verursachte natürlich der von den Schweden total ausgesogen und ruinierten Stadt fast unerschwingliche Kosten. Kapitän Valentin Hector verlangte für seine Person allein wöchentlich 50 Rtlr. (Reichstaler), sein Leutnant 8 Rtlr. Der schwedische Kapitän wollte »per forza« wöchentlich 25 Rtlr. Haben. Einige Offiziere vom Golz’schen Regiment forderten täglich 1 Ducaten. Oberstwachtmeister v. Bracciolini war noch anspruchsvoller, begnügte sich jedoch schliesslich mit wöchentlich 50 Rtlr., sein Kapitän verlangte 25 Rtlr. für die Woche. Unter den Mannschaften benahmen sich besonders die an zweiter Stelle eingerückten sehr brutal. »Ein solch unbändiges Volk, dass man ihnen täglich ein Kopfstück reichen musste, wollte der Bürger seines Leibes und Lebens sicher sein.«[4] Zu allem Unglücke herrschte infolge des lange dauernden Krieges um jene Zeit auch eine Teuerung. (Das Metzle Korn kostete 3 fl., das Metzle Gerste 2 fl.)[5] In den umliegenden Ortschaften war gar nichts angebaut. Die Bauern strömten haufenweise nach der Stadt und fielen der Bürgerschaft zur Last. Die Zahl der Bürger war in den vorausgegangenen Notjahren so zusammengeschmolzen, dass viele Käuser leer standen und bei jedem Bürger 2-4 Soldaten einquartiert werden mussten. In ähnlicher Lage befanden sich die Nachbarstädte. »Höchstädt[6] und Gundelfingen[7] sind auf das äusserste spoliert und überhaupt das gante Land in den äussersten Ruin gesetzt«.[8]
Um diesen unhaltbaren Zuständen ein Ende zu machen, wurde von Lauingen am 4. Oktober 1634 eine Deputation (Bürger-meister Georg Brotreiss und Georg Martin) nach Neuburg[9] geschickt. Am 9. Okt. wurde eine Bittschrift an König Ferdinand gerichtet. Eine ähnliche wurde an den Deutschmeister, Grafen v. Tiefenbach, gesandt. In diesen Schreiben ist die traurige Lage der Stadt eingehend dargelegt und die Bitte ausgesprochen, die Garnison möge aufgehoben oder wenigstens verringert werden. Namentlich wünschte man auch die Sicherung und Erleichterung des Handels mit Ulm, da die Stadt sich zum guten Teile von der Leinwand- und Tuchweberei ernährte. – Das Hofmarschallamt zu Neuburg gab die Versicherung, man werde das Möglichste tun, um der Stadt Erleichterung zu verschaffen, und empfahl sie der Gnade des Königs.
Vorläufig hatten diese Schritte nicht den gewünschten Erfolg. Ja am 12. Okt. schrieb der Rat nach Neuburg, es geschehe a
diametro das Widerspiel. Valentin Hector mit seiner Mannschaft und die von Nördlingen gekommenen Truppen waren zwar abgezogen, aber Bracciolini und seine Leute wurden immer anspruchsvoller.[10] So verlangte ein bei dem Apotheker Seefried einquartierter junger Fähnrich mit Gewalt wöchentlich 16 Rtlr. Valentin Hector machte noch Forderungen wegen angeblicher Rückstände und sandte 25 Rtlr., die man ihm angeboten hatte, unter Drohungen zurück. Die gemeine Bürgerschaft wurde wieder mit Schanzbauten und Fronfuhren so sehr in Anspruch genommen, das der Feldbau unmöglich war und immer mehr Bürger aus der Stadt zogen. – Am 16. Okt. beklagt sich der Rat, dass die Soldaten nächtlicher Weile in Läden und Häuser einbrachen und plünderten, sowie die Wächter misshandelten. Dazu kamen Streitigkeiten mit dem Obristwachtmeister Bracciolini, der in die Gerechtsame der Stadt eingriff und zwei Bürger wegen vorgekommener Ausschreitungen gefangen setzen liess. Am 20. Okt. stellte Bracciolini an die Bürgerschaft das Verlangen, alle noch von den Schweden herrührenden Gegenstände und namentlich die vergrabenen Gewehre herauszugeben und verordnete, wenn ein Lärm oder Aufstand entstehen sollte, bei Tag oder Nacht, dann solle jeder Bürger sein Haus verschliessen und sich nicht sehen lassen; wer auf die Strasse komme, auf den werde Feuer gegeben werden.[11]
Die Stadt kam infolge dieser Massregeln in grosse Angst und der Rat schickte an seine beiden Gesandten die Botschaft, sie möchten ihre Heimreise beschleunigen. Am 26. Okt. berichteten die Gesandten über ihre Verrichtung bei dem General-Commissarius Walmerade [Walmerode; BW]. Sie hatten nicht mehr mehr erreicht, als dass das Städtchen Leipheim[12] zur Beihilfe assigniert wurde. Allein, da dieser Ort ebenfalls ganz ruiniert und zur Zeit mit bayrischem Kriegsvolk (unter Wahl) belegt war, so konnte man von dort auch nicht einen Heller hoffen. Es wurde deshalb an den General-Commissarius ein Memorial nach Stuttgart[13] geschickt mit dem Ersuchen, es möchten württembergische Orte zur Beihilfe assigniert werden. Gleichzeitig wurde Beschwerde über die von Günzburg[14] eingerückten Dragoner geführt, welche die Bürgerschaft mit Geldforderungen so bedrängten, dass es nicht mehr auszuhalten war. Auch über Bracciolinis Habgier hatte man sich zu beklagen. Die Stadt verlangte eine Verpflegungs-Ordinnanz und die Abführung des angeworbenen Bauernvolkes, da eine Hungersnot bevorstand.[15] An den Obristwachtmeister Bracciolini wandte sich der Rat wiederholt, um einige Milderungen zu erreichen. Allein sie fanden wenig Entgegenkommen, der Kommandant verdächtigte ihre Kaisertreue und wünschte mehr »cortesia« in Bewilligung seiner Ansprüche.[16]
Am 13. Nov. wurde das neuangeworbene Bauernvolk abgeführt. Bis zum 25. Nov. hatte sich aber bereits wieder eine solche Zahl von Fremden zusammengefunden, dass der Rat neuerdings auf deren Abführung dringen musste. Bracciolini zeigte sich willfährig, wenn man ihm Schiffe und Schiffsleute dazu verschaffen würde. Die Stadt konnte kaum mehr einen Botenlohn bezahlen, brachte aber doch noch 2 Schiffe auf. In einem Bericht des Rates an die Regierung zu Neuburg (vom 25. Nov.) heisst es: »Es sind ca. 160 Bürger in der Stadt, welche keinen Heller mehr besitzen, geschweige denn einen Soldaten können. Viele sterben an der Seuche. Überdies müssen die Bürger bei dem kalten Wetter noch an den Schanzen arbeiten und werden dazu mit solchem pressieren angehalten, dass mancher, der noch lange zu leben gehabt hätte, sein Leben wohl enden muss. Auch wird die Bürgerschaft alle Tage mit dem Zuführen der Palissaden aus den nahegelegenen Gehölzen gedrängt. Bracciolini begehrt zu dem ihm schon bewilligten Wochensolde von 106 fl. noch 6 fl. für Gewürz und 14 Metzen Haber«.
Am 27. Nov. kam König Ferdinand auf der Rückreise durch Lauingen und nahm daselbst sein Nachtquartier. Man benützte seine Anwesenheit, um ihm in einer Bittschrift die Not der Stadt vor Augen zu stellen. Allein es stand wohl nicht in der Macht des Königs, die Härten der Quartierlast zu mildern, es mussten der Stadt im Gegenteil noch schwere Lasten auferlegt werden.
Am 30. Nov. gab der König dem kurbayerischen Feldmarschall von Wahl die Erlaubnis, ein Drittel seines Fussvolkes in Lauingen einzulegen. Doch durften diese Truppen nichts als das blosse Obdach beanspruchen und nur bleiben bis zu Aufhebung der Blockade von Augsburg.[17] Es waren über 1100 Mann, die nun in die Stadt einrückten; auch der Stab und der Hofstaat des Feldmarschalls nahmen in der Stadt Aufenthalt und verlangten die Servitia von der Stadt. – Der Obrist-Wachtmeister Bracciolini liess trotzdem von seinen Forderungen nicht das Geringste nach, so dass die Stadt eine Beschwerdeschrift an General Gallas richtete und die Abberufung des Bracciolini verlangte. Letzterer erhielt von Gallas einen scharfen Verweis und den strengen Befehl, die Stadt nicht über Gebühr zu beschweren.
Die bayerischen Truppen scheinen noch im Dezember die Stadt verlassen zu haben. Bracciolini wurde Ende Februar 1635 mit einem Teile seiner Mannschaft entfernt. Er verspricht am 24. Februar 1635 in einem Schreiben von Cannstadt[18] aus, dafür Sorge zu tragen, dass die 9 Pferde und 3 Wägen, die sein Hauptmann Khuen beim Abzuge mitgenommen hatte, wieder zurückgestellt werden“.[19]
[1] Lauingen (Donau) [LK Dillingen/Donau]; HHSD VII, S. 396f.
[2] Nördlingen [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 525ff.
[3] Fasc. ›die kaiserlichen Kriegsgarnisonen in Lauingen‹. Stadtarchiv Lauingen.
[4] Bittschrift der Stadt Lauingen an Herzog Wolfgang Wilhelm vom 6. Okt. 1634, ebenda.
[5] Bittschrift an den röm. König vom 9. Okt. ebenda.
[6] Höchstädt a. d. Donau [LK Dillingen]; HHSD VII, S. 301f.
[7] Gundelfingen a. d. Donau [LK Dillingen/Donau]; HHSD VII, S. 257ff.
[8] ebenda.
[9] Neuburg a. d. Donau [LK Neuburg-Schrobenhausen]; HHSD VII, S. 497ff.
[10] Die Stadtrechnung von 1634 meldet: Dem Oberst von Schammerstorff werden zum Abzuge für Haltung guter Manneszucht 100 fl. verehrt (im Sept.). Capitän Hector erhält zum Abschied 2 silbervergoldete »Magelen«, Major Mahel einen grossen Becher um 40 fl., Generalkommissär von Offenburg 12 Becher um 158 fl.
[11] Aktenstücke im fasc. »Kaiserliche Kriegsgarnisonen etc.«
[12] Leipheim [LK Günzburg]; HHSD VIII, S. 401.
[13] Stuttgart; HHSD VI, S. 768ff.
[14] Günzburg (Schw.); HHSD VII, S. 259.
[15] Memorial vom 5. Nov. 1634, ebenda.
[16] Verhandlungen vom 7. und 13. Nov., ebenda.
[17] Augsburg; HHSD VII, S. 44ff.
[18] Bad Cannstatt, unter Stuttgart; HHSD VI, S. 77ff.
[19] RÜCKERT, Lauingen, S. 2ff.