Brandenstein, Georg Friedrich von; Obrist [21.3.1596 Liebenwerda-bestattet 9.10.1635 Erfurt] Georg Friedrich von Brandenstein, ein Verwandter Christoph Carls von Brandenstein aus nichtgräflicher Linie, war Obrist des alten Leibregiments zu Fuß Herzog Wilhelms IV. von Weimar. Die von Brandenstein hatten weitläufige Besitzungen im Herzogtum Sachsen-Coburg. Sitz der Coburger Linie war Lützelbuch.[1] Brandenstein war auch Herr auf Prestewitz[2] und Theisa,[3] da am 1. März 1630 Siegmund von Brandenstein ohne Lehnerben verstorben war.
1628 stand er noch als Hauptmann in sachsen-weimarischen Diensten. In einem Antwortschreiben des Amtsschreibers Huber zu Königsberg,[4] in Abwesenheit des Amtmanns, vom 19.9.1628 auf ein Schreiben des Schossers Andreas Götz zu Heldburg,[5] den Abzug von Truppen von Unterhohenried[6] betr., hieß es, der Bischof von Würzburg [Philipp Adolf v. Ehrenberg; BW] habe sich in aller Freund- und Nachbarschaft erboten, ebenso Philipp Christoph Echter, Amtmann im würzburgischen Amt Rothenfels,[7] dem zwar das Haus in Hörieth [Hohenried ?; BW] gehöre, der jedoch nichts mit der Kirche zu tun habe. Herzog Wilhelm IV. habe daher dem Hauptmann von Brandenstein den Befehl erteilt, so dass er vorgestern von Unterhohenried abgezogen sei, bis dato aber die Schlüssel nicht zurückgegeben habe. Über die Rückgabe werde Antwort von Würzburg[8] erwartet, die nach Eintreffen von Boten überschickt werden solle.[9]
„Mühlhausen[10] ließ er [Wilhelm IV. v. Sachsen-Weimar; BW] durch seinen Oberstleutnant [Georg Friedrich v.; BW] von Brandenstein auffordern, zwei Kompanien Reiter aufzunehmen. Der Rat lehnte das mit dem Hinweis auf die durch Tillys Erpressungen erschöpfte Bürgerschaft ab. Daraufhin sandte der Herzog den Obersten Mitschefal [Metzfall; BW] mit seinem Regiment und drei Kompanien Courvillescher Reiter unter Major Battendorf nach Mühlhausen. Er hatte Befehl, mit guter Ordnung in die Stadt einzuziehen, wenn der Rat es gestatte. Weigere sich dieser, so sollte er es nach Erfurt[11] melden, inzwischen aber einen Streifzug gegen Dingelstädt[12] auf das Eichsfeld[13] machen und alles Vieh und bewegliche Gut mit sich nehmen, jedoch nur gegen die katholischen Dörfer vorgehen, die evangelischen schonen. Der Rat verweigerte wiederum die Aufnahme und verwies auf den Leipziger Schluß, sandte aber zwei Ratsmitglieder zu Wilhelm nach Erfurt. Dieser gab ihnen die Forderung bekannt, zwei Reiterkompanien und 150 Mann zu Fuß in ihre Dörfer zu quartieren, zu verpflegen und im Notfall in die Stadt zu nehmen. Dr. Buchard, den Wilhelm nach Mühlhausen schickte, führte dort die Verhandlungen mit dem Rat, der sich schließlich fügte“.[14]
„In der Folgezeit war es so, daß Oxenstierna die Befehle des Königs empfing und sie mit Hinzufügung seiner eigenen Ansichten dem Herzog weitergab. Der Herzog aber hatte das Oberkommando über die Truppen, denen er nach vorhergehender Unterredung mit dem Reichskanzler die Befehle erteilte. Den Plan Oxenstiernas, gegen Bamberg[15] vorzurücken, billigte er. Am 5. August sollte die Vereinigung der Armeen stattfinden, die hessische Reiterei hatte er bereits bei sich, als Oxenstierna die Nachricht von dem Anzug General Baners erhielt, dem Gustav Adolf ebenfalls befohlen hatte, zu ihm zu stoßen, und der am 3. August in Dinkelsbühl[16] angelangt war. Da die Gegend sehr unsicher war und sich überall wallensteinische Streifen zeigten, beabsichtigte Oxenstierna, noch zu warten, bis Baner etwas näher herangezogen war, damit dieser nicht in Gefahr gerate. Er bat den Herzog, sich noch ein wenig um Schweinfurt[17] aufzuhalten und durch starke Abteilungen den Feind zu beunruhigen, bis man sich vereinigt habe und gemeinsam vorgehen könnte. Wilhelm gab darauf dem Obersten Brandenstein den Befehl, soweit vorzurücken, bis er den Feind anträfe. Haßfurt[18] und Zeil[19] fand dieser unbesetzt, auch Bamberg ‚so offen, daß es mit leichter Mühe einzubekommen’ sei. Oxenstierna aber hatte inzwischen ‚eine Austeilung und Überschlag gemacht sowohl wegen der Brigade, so mit zu Feld ziehen, als des Volks, so in Garnison verbleiben soll’. Christian von Birkenfeld und Landgraf Wilhelm begaben sich nach Oberndorf[20] zu Wilhelm, um mit ihm darüber zu verhandeln“.[21]
„Als Herzog Bernhard von dem Zug Wallensteins nach Norden erfuhr, forderte er den Residenten Erskein auf, sofort alles neugeworbene Fußvolk in und um Erfurt zu quartieren, auch allen Proviant aus der Umgegend und 500 Mann vom Landvolk in die Stadt zu bringen und das Kommando über die Garnison dem Obersten Rosen anzuvertrauen. Die Reiterei solle er zu Taupadel nach Koburg[22] schicken, jedoch 300 Reiter unter Brandenstein bei Schleusingen[23] lassen. Brandenstein war in Meiningen,[24] als er die Nachricht erhielt, daß Koburg von Wallenstein besetzt sei und nur die Veste sich noch verteidige. Er beschloß daher, sich auf den Schutz des Thüringer Waldes zu beschränken und die Straßen zu decken. Seine Reiter legte er nach Hildburghausen,[25] Meiningen und Römhild,[26] konnte aber nicht verhindern, daß eine Streifschar kurz nach Wilhelms Abreise bis gegen Schleusingen vordrang und 5 Häuser der Vorstadt in Brand steckte. Brandenstein verjagte sie zwar wieder, doch verbrannte sie auf ihrem Rückzug noch mehrere Dörfer und verbreitete unter der Bevölkerung Furcht und Schrecken“.[27]
Der schwarzburg-sondershausische Hofrat Volkmar Happe erinnert sich in seiner Thüringischen Chronik: „Den 22. Oktober [1.11.1632; BW] ist Hertzog Bernhardt von Sachsen Weymar mit etzlichen tausend Mannen schwedischen Volcks zu Erfurt ankommen. Eodem die der Oberste Brandenstein aus dem Vogtlande mit einem Regiment schwedischen Reutern auch zu Erfurt ankommen“.[28] „Den 24. Oktober [3.11.; BW] sind noch etzliche Pappenheimische Musquetier in Salza[29] gewesen. Die haben die Brandensteinischen überfallen, aber mehr nicht als einen gefangen mit in Erfurt bracht“.[30]
„Vom 27.Oktober ist ein Brief Gustav Adolfs aus Arnstadt[31] datiert: ‚Es soll der Oberst von Brandenstein mit seinen beihabenden Reitern eilfertigst nach der Naumburg[32] gehen, die Stadt besetzen, wider alle ankommende Gewalt bis auf das äußerste manutenieren, dabei gute Ordre und justitia unter den Soldaten halten und sorgen, daß ein Vorrat Brot für die anlangende Armee, welches in ein paar Tagen geschehen wird, gemacht werde. Sonst soll er alsobald nach seiner Ankunft den Rat zur Naumburg vor uns schicken, damit wir wissen mögen, was sie mit dem kaiserlichen General, dem Fürsten Wallenstein, traktiert haben“.[33]
„Am 29. Oktober streiften Brandensteins Reiter heran. Ehe es noch recht Tag worden, hielten sie vor dem Othmarstore und hieben, als die Wache einige Umstände machten, mit ihren Äxten ein Loch hinein, sprengten die Schlösser und stürmten durch die Freiheit ans Herrentor. Sie fanden hier das Pförtlein offen, und jetzt standen sie gleich mitten in der Stadt. Die überraschten Holkeschen Musketiere mitsamt ihrem Leutnant wurden wurden gefangen. Der Handstreich glückte im rechten Moment. Denn zwei Stunden darauf galoppierten von Weißenfels[34] her sechshundert kaiserliche Reiter. Sie kehrten sogleich um, als sie die Stadt in den Händen Brandensteins sahen“.[35]
Brandenstein nahm an der Schlacht bei Lützen[36] am 16.11.1632 teil. Happe notiert dazu: „Wieviel aber eigentlich von unsern geblieben, kan man bis zum General Randefou noch zur Zeit nicht wissen. Doch das schwedische blau und gelbe Regiment zu Fuß, Hertzog Bernhardt, Fürst [Ludwig; BW] zu Anhalts, Grafen zu Löbenstein [Georg Ludwig v. Löwenstein; BW] und Oberster Brandenstein zu Pferde haben größten Schaden erlitten“.[37]
In einer Mitteilung an den Kriegskapitän Veit Ulrich Marschalk, gen. Greif, vom 8.2.1633 aus Hildburghausen,[38] die bevorstehende Einquartierung von Truppen unter dem Kommando Brandensteins hieß es, Endres zu Häselrieth[39] habe die die Quartiermeister unterwegs bei Siegritz[40] getroffen. Der Obrist Brandenstein sei nach Schweinfurt geritten. Über den Zeitpunkt seiner Rückkehr sei nichts bekannt. „Also wird der Gnäd. Herr sich mit dem Geleitsmann nach hier begeben müssen“.[41] Ein „Verzeichnis, was zur Verpflegung der Brandenstein’schen, unter dem Kommando des Majors Gaul stehenden und zu Hildburghausen und umliegenden Dorfschaften einquartierten Reiterkompagnien geliefert worden ist“, datiert vom 10.2.1633.[42]
„In den Verhandlungen am 8. Februar [1633; BW] und den folgenden Tagen war deutlich hervorgetreten, daß Bernhard einer Erklärung auswich und auch Ernst und Albrecht Wilhelm nicht unterstützten. Dieser dachte auch weiter nicht daran, in dieser Frage auch nur einen Schritt zurückzuweichen. ‚Meiner Person halben würde man mich nicht verdenken können, daß ich bei meiner Charge verbliebe und bestermaßen manutenierte’. Er wollte ‚gerne sehen, wie doch Bruder Bernhard in diesem am besten akkomodiert werden möchte’. ‚S. L. wäre billig in acht zu nehmen von wegen Ihrer Qualität’, auch das ‚gute brüderliche Vertrauen’ müsse bestehen bleiben. Er drang in ihn, er solle sich ‚vernehmen lassen, wie Sie es doch meinten und wie man dabei Sie bestermaßen akkomodieren könnte’. Schließlich forderte er ihn auf, sich zu erklären, ob er gesonnen sei, bei ihm zu bleiben und seinem Kommando zu folgen oder eine besondere Armee zu führen, etwa in Schwaben oder im Elsaß und am Rhein; allerdings unter seinem, Wilhelms Oberbefehl. Das einzige, was er erreichte, war, daß Bernhard ihm die Berichte Lohausens und [Zorn v.; BW] Bulachs zustellte. Einer bestimmten Antwort ging Bernhard aus dem Weg. Er beklagte sich über die Eifersucht des Bruders und riet, man solle es vor allem mit Oxenstierna nicht verderben. Auch Albrecht und Ernst rieten Wilhelm, erst abzuwarten, ‚was die Stände für ein Hauptwerk vorschlagen’, man solle erst sehen, wie die geleisteten Dienste belohnt würden, ehe man sich zu neuen dränge. Ernst schlug ihm sogar vor, ‚sich von dieser Charge selbst abzutun’. Dann könnte er ‚als guter Landesfürst bei der Landesregierung in guter stiller Ruhe verbleiben und großer Sorge und Bekümmernis enthoben sein und auf Satisfaktion dringen’.
Herzog Wilhelm ließ sich dadurch nicht von seinem Vorsatz abbringen. Von Bernhard meinte er, er ‚simuliere’. Dem Obersten von Brandenstein, der das Leibregiment zu Fuß führte, hatte er bereits Befehl gegeben, nach Schweinfurt zu gehen und das Volk, das sich dort gesammelt habe, gegen Eltmann[43] zu führen. Auch seine beiden Leibregimenter sollten langsam ins Fränkische marschieren. Als er aber erfuhr, daß Eltmann auf Wunsch Bernhards von Lohausen bereits besetzt worden war, fühlte er sich verletzt und gab Brandenstein den Befehl, das Volk so lange stilliegen zu lassen, bis er anderen Befehl gäbe; auf keinen Fall sollte er auf Befehl eines anderen fortrücken“.[44]
„Wilhelm hatte sich durch die Zurücksetzungen Oxenstiernas nicht entmutigen lassen. Er plante, die sich in Thüringen sammelnden Resttruppen zu einer selbstständigen Armee unter seiner Führung zusammenzuschließen. Obwohl Oxenstierna gegen den Plan war, forderte Wilhelm einige Infanterieregimenter von dem schwedischen Statthalter in Magdeburg,[45] Ludwig von Anhalt (ebd. S. 109/110). Dieser schickte Mitte März 1633 das Regiment Lohausen, welches unter dem Befehl des Oberstleutnants Ilefeld stand. Der Generalmajor Lohausen befand sich ja bekanntlich um diese Zeit bei den Truppen Bernhards in Franken. Außerdem schickte Anhalt das Regiment Tiesenhausen unter dem Obersten Detlof von Tiesenhausen, einem livländischen Edelmann, und das Regiment des Schotten Jakob King, welcher als Generalmajor auch den Oberbefehl über dieses Truppenkontingent hatte.
Aus Wilhelms eigener Bestallung kamen noch zwei Regimenter zu Fuß, nämlich das anhaltisch-thüringische Regiment Schenck und das Leibregiment Wilhelms zu Fuß unter dem Oberst Georg Friedrich von Brandenstein. Wilhelms altes Leibregiment zu Roß unter Oberstleutnant Georg Friedrich von Wolframsdorf befand sich seit Mai 1632 bei Herzog Bernhards Armee. (Huschke, S. 44, 48, 114, 183/184, S. 232/233). An Kavallerie standen zur Verfügung: die beiden Regimenter Georg Christoph von Taupadel (mit einer Sollstärke von 600 Dragonern in 12 Kompanien und 6 Cornets Reiter). Unter Taupadel standen zwei weitere Reiterregimenter, nämlich das Regiment des Oberstleutnants Reinhold von Rosen [einem Vetter des späteren französischen Generalleutnants Reinhold von Rosen) und das des Obersten Wolf Adam von Steinau. Weiterhin gehörten zu Wilhelms Reiterei seine eigene Leibkompanie zu Roß imd die Esquadron des Obersten Christoph Friedrich von Eßleben. Die gesamte Truppenstärke umfaßte also 5 Regimenter zu Fuß, zusammen ca. 3500 Mann, und 5 Regimenter zu Roß mit rund 2500 Pferden“.[46]
Brandenstein wird erwähnt in einer Mitteilung des Zentgrafen Georg Eimes zu Hildburghausen an den Schosser Andreas Götz zu Heldburg vom 25.2.1633, dass das Verzeichnis über die Kosten, die anlässlich der Einquartierung des Leibregiments zu Pferde des Herzogs Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar – das von Georg Friedrich von Brandenstein geführt wurde – noch nicht eingesandt werden könne, da es „Breitscheid“ noch nicht fertigstellen konnte, da er mit der Hochzeit seines Sohnes zu tun habe. Ferner wurden für angemeldete Truppen die Quartiere und die Orte mitgeteilt, die in die Quartiere Proviant liefern sollten. Abschließend ging es um Fragen der Unterbringung u. a. des Grafen von Ramée.[47]
„Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar hatte ursprünglich selbst daran gedacht, im Frühjahr 1633 nach Franken zu gehen, um dort als Generalleutnant den Oberbefehl über die Fränkische Armee zu übernehmen (Huschke, S. 95). Bernhard kümmerte sich indes wenig um die Ansprüche seines Bruders. Er hatte schon von Schweinfurt[48] aus Befehle an Lohausen und [Zorn v.; BW] Bulach erteilt, ohne die Zustimmung Wilhelms einzuholen. Als er im März 1633 dessen Aufforderung, sich zur Armee zu begeben, erhielt, war er schon in Bamberg (ebd. S. 107). Wilhelm verzichtete schließlich auf die eingangs erwähnte Vorgehensweise, weil er seinen Bruder Bernhard nicht düpieren wollte, auch fehlte ihm die Unterstützung Oxenstiernas. Er änderte seine Pläne und dachte daran, einen konzentrierten Angriff auf Böhmen und Österreich vorzunehmen (ebd. S. 109). Mit seiner Armee wollte er gegen Eger[49] und Elbogen[50] und weiter gegen die Donau vorrücken. In enger Fühlung mit ihm sollte Bernhard in die Oberpfalz eindringen, auf Regensburg[51] ziehen und nach dem Fall der Stadt ins Österreichische einbrechen.
Aufgrund der ablehnenden Haltung Oxenstiernas gab Wilhelm jedoch diesen Feldzugsplan auf, wollte sich zuerst nach Eger und die Oberpfalz wenden und, als auch dieses von Oxenstierna mißbilligt wurde, wandte er sich gegen Franken und den Main. (Ebd. S. 116, 118). Er gedachte aber auf dem Weg nach Bamberg wenigstens das fürstbischöflich-bambergische Kronach[52] in seine Hand zu bekommen. Er wollte diesem ‚großen Hindernis und Unheil ein Ende machen‘ und hatte dafür bei seinem Onkel, dem Coburger Herzog Johann Casimir viel Beifall gefunden (ebd. S. 122). Nach Aussage eines nach Würzburg[53] geschickten Leutnants begehrte man die Eroberung der Stadt, ‚um dann endlich einmal vor Forchheim[54] ziehen zu können‘ (Soden II, S. 158).
Wilhelm forderte Taupadel auf, alle seine Truppen bei Hof[55] zusammenzuziehen und kommandierte auch die Obersten Steinau und [Reinhold von (Hoch-Rosen); B. W.] Rosen dorthin. Außer seinen magdeburgischen Regimentern (Lohausen, King, Tiesenhausen) hatte er nur noch sein Leibregiment zu Fuß unter Oberst Georg Friedrich von Brandenstein und das Regiment des Obersten Johann Schenck. Die Infanterie, zum Großteil frisch geworben und gemustert, hatte eine für 5 Regimenter relativ geringe Stärke von 3500 Mann (StA Weimar, Abt. H 260, Bl. 230) ‚darunter viel Lumpengesindel‘ (Droysen/Holcks Einfall in Sachsen) und ‚Jungen, so noch keinen Mann bestehen können‘. Diese Aussage deckt sich auch mit der Anweisung in einem Truppenverzeichnis des Herzogs vom 24. März 1633, 3000 Mann aus dem Landesausschuß in die damals recht schwachen Regimenter einzugliedern, die aber großteils wieder entliefen (Skrifter II Bd. 7, S. 32).
Am 10. Juni führte Wilhelm die Regimenter aus den Quartieren bei Saalfeld[56] nach Ludwigsstadt[57] und befahl Taupadel, seine Truppen heranzuführen, da zu Hof der Proviant auszugehen drohte (H. 235, Bl. 37f. u. H. 252, Bl. 155ff.). Reiterei, Dragonerverbände und Fußvolk eingeschlossen, belief sich die Gesamtstärke von Wilhelms Armee vor Kronach auf insgesamt etwas mehr als 6000 Mann. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings der Troß, welcher bei dergleichen Kommandounternehmen zwar nicht so zahlreich wie gewöhnlich war, jedoch mindestens nochmals die Hälfte der kämpfenden Truppen erreichte und damit die Zahl der subjektiv sichtbaren Streitmacht erheblich vergrößerte. Die Chronik des Johann Nikolaus Zitter spricht von ‚9 Regimentern zu Fuß und 8 zu Roß‘ und einer ‚gewaltigen Macht‘ von 20.000 Mann, die vor Kronachs Mauern aufzog. Der Kronacher Dechant Franz August Bauer will diese Zahlen gar mit den Kompaniestärken deutscher Landsknechte errechnen. Auch der Mitwitzer Tagebuchschreiber Andreas Dötschel spricht von 9 Regimentern zu Fuß und 9 zu Pferd sowie 16 Artillerie-Stücken (Dötschel/Tagebuch. In: Heimatkundliches Jahrbuch des Landkreises Kronach 13/1984).
Die Verwechslung rührt daher, daß zur leichteren Bildung von Brigaden die schwedischen Fußregimenter in jeweils zwei ‚Squadrons‘ zu 4 Kompanien aufgeteilt waren, so daß die Regimenter Lohausen, King, Leibregiment und Schenck zusammen 8 Squadrons bildeten, das Regiment Tiesenhausen hatte nur 4 Kompanien und bildete die 9. Squadron. Die 5 Kavallerieregimenter Taupadels bildeten 8 Esquadrons zu je 4-6 Kompanien. Die von Zitter erwähnte Truppenstärke der ‚Schweden‘ von 20.000 Mann, welche Zahl bezeichnenderweise in der handschriftlichen Chronik Zitters eine Korrektur von fremder Hand aufweist, ist völlig aus der Luft gegriffen, wird jedoch immer wieder gerne zitiert, obwohl auch die realistische Zahl der heldenhaften Verteidigung Kronachs keinerlei Abbruch tut. Die Stärke der wehrhaften Kronacher Bürger dürfte, wie bei der ersten Belagerung, bei etwa 500 Personen gelegen haben, der in der Regel unzuverlässige Ausschuß belief sich laut eines Verzeichnisses vom April 1633 auf 277 Mann (Fehn VI, S. 215). Den bei Kurfürst Maximilian von Bayern und bei dem kaiserlichen Feldmarschall-Leutnant Melchior von Hatzfeld angeforderten Sukkurs blieben diese leider schuldig.
In Kronach kommandierte seit dem Vorjahr der Italiener Francesco de Melon. Das Statthalteramt hatte nach wie vor des Fürstbischofs Vetter, Wolfgang Philipp Fuchs von Dornheim, inne.
Der außerordentlich verläßliche ‚Hofhistoriograph‘ Bogislav Philipp von Chemnitz unterstellte den Plänen Wilhelms von vornherein keine großen Erfolgsaussichten: ‚In Thüringen hatte Herzog Wilhelm zu Sachsen / Weimar ein klein Corpo beysammen: Welchem der Herzog zu Coburg und Markgraf Christian zu Brandenburg versprochen / da Er etwas auf Cronach tendieren könnte / mit Stücken und munition zustatten zu kommen. Wodurch Er bewogen sich den ersten Brach-Monats [1. Juni a. St./10. Juni n. St.] von Saalfelde mit etlichen trouppen erhub / über den Thüringer Wald marchierte / und gerade nach Cronach das haupt streckte: Solches / ungeachtet der Feind von Eger / vnd aus der OberPfalz / vber neun meilen [1 Meile ca. 7, 5 km] zum Secours nicht hatte / anzugreiffen / vnd zu versuchen; Ob er mit einem sonderbaren [besonderen] vortheil sich der Stadt bemächtigen / auch zugleich das Schlos / ehe der Feind zeit zum entsatz gewünne / occupieren möchte‘. (Chemnitz II, S. 166).
Bereits am 18. Mai hatte Herzog Wilhelm mit einer Abteilung von ungefähr 2000 Mann unter dem Kommando des Generamajors Jakob (James) King die Festung und Stadt Kronach ‚recognosciren‘ lassen. Die Abteilung kam in der Nacht nach Friesen[58] und rückte dann am folgenden Morgen vom Vogelherd kommend hinter die Festung Rosenberg.[59] Dabei machte man sich das bereits stehende Getreide zu nutze und kam unbemerkt, die Hänge der hinteren Haingasse hinaufsteigend, bis zu der Anhöhe hinter der Festung bei der Schwedenwiese, wo sich eine Abteilung Kronacher Musketiere hinter den dortigen Steinmauern zur Erkundung des Feindes verschanzt hatte. Bei dem überraschenden Zusammenstoß kam es zu einem Schußwechsel, wobei aber niemand verletzt wurde. Obwohl aus der Festung Rosenberg mit Geschützen ‚hinausgespielet‘ wurde, mußten sich die Kronacher zurückziehen und es gelang den King’schen Truppen, sich 3 Stunden lang in dieser Stellung zu halten, wobei ein Ingenieur einen Lageplan der Festung und Umgebung anfertigte.
Am 12. Juni brach die Infanterie Wilhelms aus dem Feldlager von Ludwigsstadt,[60] wo man 2 Tage gerastet hatte, auf und vereinigte sich am 13. mit der von Hof über Nordhalben[61] heranziehenden ca. 2000 Mann starken Reiterei unter Taupadel bei Posseck[62] nördlich von Kronach (StA Weimar, Abt. H 235, Bl. 37f.). Der fürstbischöflich-bambergische Markt Nordhalben, welcher am 21. Mai eine Aufforderung des Herzogs, zwecks Kontributionsverhandlungen eine Abordnung nach Lehesten[63] zu sehen, ‚andernfalls militärische Execution erfolge‘ (Fehn VI, S. 217), ignoriert hatte, war von den durchziehenden Taupadel’schen Truppen in die Asche gelegt worden.
Am 13. Juni erreichten die berittenen Regimenter und etwa 450 kommandierte Musketiere (100 Mann aus jedem Fußregiment) Kronach. Zur Einschüchterung der Bürger stellte sich die Reiterei am Steinbruch an der Hofwiese in Schlachtordnung, während die kommandierten Musketiere mit einigen ausgefallenen Kronachern ‚chargirten‘ (StA. Weimar Abt. H. 252 u. H. 235, Bl. 37). ‚Da war bey uns in Ansehung einer so gewaltigen Macht / das Lachen zuverbeissen / die Reüterey hielten in batalia biß in die Nacht das wir nit ersehen kunden, wo deren Marsch hinauß gienge / im Läger bliesen jhre Trompeter die gantze Nacht / das es bey jhnen zwar schön, bey vns aber erschröcklich zuhören war‘ (Zitter, S. 31). Herzog Wilhelm traf, gemäß seinem Bericht an Oxenstierna und den weimarischen Quartierlisten, zusammen mit der Infanterie erst am 4./14. Juni vor Kronach ein (H. 260, Bl. 82f. u. H. 235, Bl. 37). Vom Lager hinter der Festung unternahm er am gleichen Tag mit etlichen Reitern einen Erkundungsritt, wobei der Major des Ausschusses, Hans Rudolph Mayer, mit ihm ‚scharmutzierte‘. Die Fußtruppen begaben sich, über Bernsroth,[64] mit ‚schönen neuen Fahnen‘ (es handelte sich ja zum großen Teil um neugeworbenes und noch unerfahrenes Kriegsvolk) sowie den Geschützen, Munition und Bagagewägen, auf das Gelände des alten Hastver’schen Lagers von 1632 am Westhang des Rosenberges. Von Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach erbat sich der Herzog in einem Schreiben vom selben Tage Verstärkung und Munition. Christian antwortete ihm, die verlangten 50-60 Ztr. Pulver stünden bereit, jedoch forderte er die Wagen mit Bespannung zurück. Er wünschte ‚glücklichen Succeß darzu, vnnd das Sie sich dieses platzes […] baldt bemächtigen mögen‘ (Abt. H. 260, Bl. 24f.).
Die Kronacher besetzen ihre Wachen und Laufgräben entlang der Trüllengaß (heute Rosenbergstraße) so gut wie möglich und errichteten oberhalb des Friesener Tores eine neue Batterie aus Bretten des Wasenmüllers (späteres Sägewerk Brückner). In der Nacht zum 15. Juni 1633 nach Mitternacht (Die ‚EhrenCron‘ vermeldet unrichtig den 16.6.) begann der Angriff der weimarischen Truppen, wobei die Regimenter den aufgestauten Mühlbach oberhalb der Wasenmühle ‚über halben leibtieff‘ durchwaten mußten und zwischen den Häusern in die Strauer Vorstadt einfielen. Trotz heftiger Gegenwehr der Kronacher aus der neuen Verschanzung oberhalb des ‚Strauiger Thors‘ und den Laufgräben entlang der ‚Trüllengaß‘ waren diese schließlich genötigt, sich in die Stadt zurückzuziehen. Der Wache auf dem Kaulanger war der Rückzug abgeschnitten, so daß etliche, die in Richtung des Strauer Tors eilen wollten, von den ‚Schwedischen‘ niedergemacht wurden. Dem Rest gelang es, sich an den Scheunen entlang und über die Spitalbrücke zum gegenüberliegenden ‚vndern Thor‘ (heute Bamberger Tor) und von dort in die Stadt zu retten.
Das King’sche Regiment stürmte nun in Richtung auf das Strauer Tor, wohinein sich noch immer Kronacher Bürger ‚retirirten / vnd die Statt in eüsserster Gefahr stunde / in dem einer Namens Erhard Pantzer zwo Kühe hinein treiben liesse, deren die letzte nit geschwind durch den Schlagbaum zu bringen / der Feind vnder Commando deß Majors Kött vom Kinckischen Regiment mit gantzer Macht die Gassen die Straw genent herein setzete‘. Dem tollkühnen Obristwachtmeister (Major) des King’schen Regiments, Jörg Kött, war es gelungen, eine Pike zwischen Stachet (Fallgitter) und Mauer zu schieben, wodurch ein Ratsmitglied namens Lorenz Zimmermann verletzt: ‚[…] da greiffen die jnnerhalb des thors befindliche Wacht mit Gewalt an die Picken, ziehen dem Major solche auß der Hand und lasten das Stachet vollents zufallen. Der Major schreyt allzeit gut Freund gut Freund, welches aber vnserer Sprach nit ehnlich. Do schiest ihm vnser Schildwacht auß dem Schüllerhäußlein, so ober dem Stachet ausser deß Thors stund, eine Kugel in Leib, das er gleich Todt alldort lage. Der Feind stunde in batalia in der Gassen vnd besetztete die Häuser vff beeden seiten in der Straw, geben continuirlich Fewer vff das Stachet vnd in die Zwinger. Wir theten auch nit feyern, besetzeten die Zwinger und schossen manchen für den Kopff das der Feind die Todten vff Wägen hinwegführen liesse‘.
Die Gefahr, welche durch den Ansturm einer so großen Anzahl feindlicher Truppen bei Nacht für die Stadt bestand, war immens, so daß die Kronacher sehnlich den Tag herbeiwünschten. Bei Tagesanbruch (15.6.), und während die Musketiere von der Stadtmauer, dem Tor und dem Zwinger Feuer auf die gegenüberliegenden Häuser der Strau gaben, beschloß die Bürgerschaft, einen Ausfall zu machen. Mit 200 Mann rückte man durch das obere Stadttor und an der Mauer entlang durch die sich anschließenden Gärten und besetzte die Häuser der Friesener Straße auf der zur Festung gerichteten Seite. Auf der gegenüberliegenden Seite hatten sich jedoch die feindlichen Truppen verschanzt, so daß sich ein regelrechter Straßenkampf mit einem Feuergefecht von Fenster zu Fenster entwickelte. Währenddessen lag der Leichnam des Majors Kött immer noch vor dem Strauer Tor auf offener Strasse. ‚Nach deme nun der Feind den todten Leichnamb ihres Herrn Majors Kött gern mit sich genommen, welcher unweit des Stackets herunter vff freyer gassen gelegen, sein Pferdt aber gantz ledig mit einem roth Sammeten Sattel und pistoln schön mundiert die Gassen auff vnd abgelauffen, haben werder sie [der Feind] noch einer aus uns [der Kronacher Bürgerschafft] sich wagen dörffen, in deme geschwind 20. in 30. Schüß vff dahin giengen. Biß endlich unsere Bürger etlich Flößhäcken ergrieffen, lange Stangen daran gemacht vnd nach vnd nach herüber in Hanß Stauffen Hauß den todten Leichnamb geschleifft, welches ein schöner langer Cavalier gewesen, von ansehlichen stattlichen Kleydern. Dene aber diejenigen so es gewagt, so balden biß vffs Hembt außgezogen, und den Leib hernacher gantz Erbahr in die St. Martins Kirchen getragen. Das Pferdt haben etliche andere von uns auch ertapt, Sattel, Pistolen und Pferdt unter sich verteilt‘.
Die Kronacher beschlossen nun, den Feind von der Seite her anzugreifen um ihn aus der Strauer Vorstadt zu vertreiben. Zu diesem Zweck rückten sie durch das Haßlacher Tor (heute Bamberger Tor) und weiter um die Stadtmauern herum bis zu den ‚Gärten des dicken Schneiders Haus‘ (hinter der späteren Korbwarenfabrik Gebr. Heim), fielen in die feindlich besetzten Häuser der Strau und machten etliche nieder, etliche nahmen sie gefangen, darunter einen Furier, der sich im Gasthaus des Wirtes Panzer (an der Stelle der heutigen evangelischen Kirche) in einer Truhe versteckt hatte. Es gelang, den Feind bis zum Brücklein beim Haus der Siebenhünerin zurückzudrängen, wo er sich hinter Floßböden verschanzte und den Kronachern erhebliche Verluste beibrachte, darunter die erprobten ‚Musquetierer Mottla Latz / Stöltzlein Metzger / Fritz Drexel / und andere / wie auch etliche durch Armb / Achsel vnd Kopff geschossen und verwundt‘. Zur Erfrischung der abgematteten Bürger ließen die Bürgermeister Bier in Butten hinaustragen, ‚damit bißweilen einer einen Trunck zur Labung thun können‘. Der Feind hielt die Kaulangerbrücke besetzt und konnte erst zum Rückzug gezwungen werden, nach-dem die Kronacher ‚bey des Muglers Schmidten‘ (Johann-Nikolaus-Zitterstr. 1) über die Mangstraße von unten heraufdrangen und mit geballter Feuerkraft die Schweden mit ihrem bei sich geführten Munitionswagen zum Rückzug über die Brücke zwangen. Eine Verfolgung war, wegen der feindlichen Reiterei, und weil von der Festung mangels Unterscheidungsmöglichkeit von Freund oder Feind keine Artillerieunterstützung gegeben werden konnte, nicht möglich.
Unterdessen ‚kombt das Geschrey daß der Feind vffm Ziegelanger jenseits der Stadt [zum Sturm] ansetzte / wie dann das platzen und beschiessen gegeneinander unauffhörlich gehört / und die Sturmb Glocken vffn Stadt-Thurn geleutet wurde‘. Die Kronacher ließen an der verbarrikadierten Kaulangerbrücke eine starke Wache zu-rück und wandten sich mit allen verfügbaren Kräften zur gegenüberliegenden, westlichen Stadtseite gegen den Ziegelanger (heute Bahnhofsplatz). Das Regiment Tiesenhausen hatte sich dieses Platzes bereits bemächtigt und war bis zur Brücke an der Haßlach (heute Bahnhofsbrücke) vorgedrungen, als sich die Kronacher ihm mit vereinten Kräften entgegenwarfen. Dabei erhielt der Obrist Detlof von Tiesenhausen gleich zu Anfang einen Bauchschuß, worauf das Regiment anfing zu weichen, jedoch von den Offizieren so hart angetrieben wurde, daß es standhielt, bis man einen Mietwagen zum Abtransport des verwundeten Obristen aufgetrieben hatte. Als die Kronacher merkten, daß es sich bei dem Verwundeten um eine vornehme Person handelte, fielen sie die Angreifer mit solcher ‚furi‘ und Entschlossenheit an, daß viele[n] von ihnen ihre Musketen wegwarfen und die Flucht gegen den Haßlacher Berg ergriffen, wo sie bemeinten, sich hinter den dortigen Steinmäuerchen zu einzugraben. Die Kronacher rückten jedoch entschlossen nach und warfen den Feind schließlich in einem Sturmangriff aus den Stellungen, so daß dieser sich genötigt sah, sich unter Verlusten von 10 Toten und etlichen Verwundeten in das Hauptlager zurückzuziehen.
‚Des andern Tags [16.6.] schickte Hertzog Wilhelm von Weimar einen Trommelschlager aus dem Lager herein / vnd liesse vmb den todten Leichnamb / des gebliebenen Obristen Wachtmeisters Kött anhalten, meldent daß sein Liebste denselben umb ein ansehlige Ranzion lösen wollte / deme man zur Antwort gab / man brauche ihres Geldes nicht / Ihr Herr sollte schon ehrlich begraben werden / welcher damals noch in der Martins Kirchen lag / vnd liessen den Trommelschlager also damit hinziehen‘ (Zitter, S. 32ff.). Außer dem Major Kött vom King’schen Regiment waren von den weimarischen Offizieren ein Fähnrich (ebenfalls vom Regiment King) und der Hauptmann Gersdorf vom Regiment Schenk gefallen (StA Weimar, Abt. H. 235, Bl. 38).
Am 16.6., nach nur 3 Tagen, brach Wilhelm die Belagerung ganz unerwartet ab. Der Troß machte sich bereits früh um 5 Uhr auf den Weg und zog in Richtung Coburg. Gegen Mittag brachen dann auch die Truppen auf. Die Regimenter zu Roß unter Taupadel sammelten sich auf der Ebene des Rosenbergs hinter der Festung gegen den Vogelherd. Sobald die Kronacher den Aufbruch des Feindes bemerkten, liefen sie, Männer und Frauen, ohne Befehl ober- und unterhalb der Haingasse hinaus, füllten die Laufgräben ein und plünderten das verlassene Lager. Der Major des Ausschusses Hanß Rudolph Mayer, der dabei, wie schon bei der 1. Belagerung Kronachs ‚daß von Gott verliehene glückh mißbrauchte'[,] setzte mit den wehrhaften Bürgern den abziehenden Truppen trotz allgemeiner Warnungen nach, wobei man ununterbrochen Feuer unter die Regimenter zu Fuß gab, so daß diese glaubten[,] es wäre bereits Unterstützung seitens der kaiserlichen Armee angekommen und sich in Schlachtordnung stellten. solche Eskapaden konnte man sich jedoch bei Gegnern vom Schlage eines Georg Christoph von Taupadel nicht leisten. Dieser bediente sich einer Finte. Er ließ die Kronacher vom ‚Königl-Schwedischen Fußvolk so weit an sich ziehen, das sie ins Feld gebracht worden‘ (Chemnitz II, S. 167)[,] und befahl dann dem Oberstleutnant Reinhold von Rosen, ‚welcher bis zu diesem Zeitpunkt mit 600 Reitern auf dem Bergrücken ‚en embuscade‘ gelegen hatte[,] ‚auf sie zu chargiren‘ (Soden II, S. 158). Die Rosen’schen Reiter schnitten den Kronachern unweit des Schloßwalles den Weg ab: ‚da ging es an ein jagen, als wenn es Füchs oder Hasen weren, vnd war der Fleck neben das Loch gesetzt daß man des Feinds Lauffgraben zu bald eingefüllet, dahin man sich sonst retiriren vnd den Feind aufhalten können. Vnd wann sich die unserigen nicht hinder und durch die Dorn-Rhein vnd Steinmauern, deren es diß Orths viel hat, salvirt, nd die Flucht gegen dem Thal, alwo mit reithen nicht gar wol fortzukommen, genommen, were alles im stich geblieben‘. Etwa 30 Kronacher bezahlten diesen Leichtsinn mit dem Leben, darunter der Stadtvogt und ‚Hexendenunziant‘ Friedrich Fleischmann, der nur aus reiner Neugier hinausgegangen war, um dem Spektakel zuzusehen, der ‚Bürger-Hauptmann‘ Jeremias Rainfalt, Clauß Meußel, Zacharias Dürckerß, und der Feldscherer Balthasar Steinmetz. Der Obristwachtmeister Hanß Rudolph Mayer wurde gefangengenommen. (Zitter, S. 36). Einen letzten Hinweis auf Mayer bietet ein Verhörprotokoll vom 7./17. Juni aus Coburg, welches auch bestätigt, daß er ‚ein geborner Türckh‘ sei (StA Weimar, H. 260, Bl. 56). Sein weiteres Schicksal liegt im Dunklen.
Für die lokalen Verbündeten kam der Rückzug völlig überraschend. Wilhelm hatte nicht einmal die avisierte markgräfliche Pulverlieferung aus Kulmbach[65] abgewartet. Dort war man völlig perplex. An den Lichtenberger[66] Kommandanten und Amtmann Hans von Pudewels auf Wildenreuth[67] schrieb man: ‚[…] daß wir die Uhrsach von der Seckßischen Armée vffbruch von Cronach ganz nichts wißendt, vnd verwundert sich wohl mancher darüber, do man sonderlichen so viel wochen darauf praeparatoria [Vorbereitung] gemachet‘. (Fehn VI, S. 222). Der überstürzte Abzug Wilhelms hatte mehrere Gründe. Er selbst schreibt in seinem Bericht vom 13./23. Juni an Oxenstierna, er habe den Ort so beschaffen gefunden, ‚das er in geringer Zeit vndt mit wenigen Volgk nicht zu gewinnen, haben wier bedacht getragen vnß weder zu engagirn, oder einig bey vnß gehabtes Stück draufzurichten, zumal weil die einkommende avisen des feindes starcken Secours bestetigt […], derwegen vor rathsam gehalten, in guter order abzuziehen‘ (StA Weimar, Abt. H. 260, Bl. 82ff.). Hier finden wir auch die Bestätigung Herzog Wilhelms, daß während der Belagerung die mitgeführten Geschütze gar nicht zum Einsatz kamen. Der schwedische Reichskanzler Oxenstierna war mit Wilhelms Aktion überaus unzufrieden. Zu seinem Bericht meinte er, der Erfolg wäre größer gewesen, ‚wenn E. f. G. mir einige Wissenschaft vorher zugefügt, damit eine bessere Vorbereitung mit Verordnung etlicher mehrer Truppen und anderer Bereitschaften hätte können gemacht werden‘ (ebd. H. 264).
Tatsächlich gab es verstärkte Anzeichen für eine baldige Unterstützung durch die Kaiserlichen. So zum Beispiel aus Nürnberg,[68] von wo man schrieb, daß 7 Fähnlein Reiter und 3000 Mann zu Fuß mit 2 Stücken in Auerbach/Oberpfalz[69] angelangt seien. Ebenso daß zu Pottenstein[70] 7000 Kaiserliche angelangt wären und aus Forchheim 6 halbe Kartaunen mit 300 Man[n] zu Fuß dahin abgegangen wären. (Ebd.). Zu groß kann die Gefahr eines Entsatzes allerdings nicht gewesen sein, denn Zitter schreibt in seiner Chronik, man habe zwar nach Eger um ‚Succurs‘ geschickt, der dortige (stellvertretende) Kommandant, Oberstleutnant Veit Dietrich von Steinheim (vom Regiment Neu-Hatzfeld) hätte daraufhin auch an die umliegenden Ämter Anweisung gegeben die Wege instand zu setzen und Brot zu backen, mit der Begründung, daß die ganze ‚Keyserische Armee heraußwarts in Anzug begriffen‘. Dies sei jedoch nur ‚pro forma‘ geschehen, um dem Feind einen Schrecken einzujagen. Es war lediglich ein größeres Kavalleriekorps an Kroaten aus Böhmen in Richtung Eger kommandiert worden.
Die Frage stellt sich, warum Herzog Bernhard seinen Bruder bei dieser Aktion nicht unterstützte. Gerade er, der kurz vor der Verleihung seines ‚Fürstenthums Franken‘ (bestehend aus den Bistümern Würzburg und Bamberg) stand, mußte an einer Beseitigung dieses Bollwerks im nördlichen Hochstift Bamberg besonders interessiert sein. Bernhard befand sich aber, wie wir bereits erfahren haben, zum Zeitpunkt der Belagerung am 16. Juni mit dem schwedischen Reichskanzler Oxenstierna auf einer Reise zu einer Fürstenversammlung nach Heidelberg.[71] Gerade hier ging es um die für Bernhard essentiell wichtigen Themen der offiziellen Belehnung seines Fürstentums und die Besoldung und Kompensation seiner vor Donauwörth[72] liegenden meuternden Armee. (Soden II, S. 162). Bernhard hatte jedoch nach eigener Aussage seinen Bruder zu einer Einnahme Kronachs gedrängt, die Gründe für dessen vorzeitigen Abzug kannte er am 20. Juni nicht. ‚Bernhard habe gehofft, seinen Bruder Herzog Wilhelm dahin disponiert zu haben, daß er Kronach emportieren sollte; er müsse jetzt das Gegentheil erfahren‘, so berichtet der nürnbergische Gesandte Johann Jakob Tetzel zum selben Zeitpunkt an den Rat von Nürnberg (ebd. S. 170).
Die Kronacher jedenfalls waren erleichtert und schrieben den glücklichen Erfolg dem Umstand zu, daß alle Frauen und Kinder zweimal täglich die Kirche besucht und mit dem Lied ‚O Unüberwindlicher Held St. Michael‘ ihren Schutzpatron um Gnade angefleht hatten“.[73]
Das Regiment blieb bis zum Ende der Belagerung Forchheims unter dem Befehl Herzog Bernhards und kehrte dann zu Wilhelm IV. zurück. Es befand sich von August 1633 bis August 1634 bei Herzog Bernhards von Sachsen-Weimar Armee in Franken, Bayern und in der Oberpfalz.
„Um aber für die Zukunft einem eigenmächtigen Handeln Herzog Wilhelms vorzubeugen, entschloß er [Oxenstierna; BW] sich, diesem seine Truppen zu entziehen und Herzog Bernhard zu unterstellen. Am 29. Juni erhielt Bernhard den Befehl. Er begab sich sofort von Frankfurt[74] nach Würzburg und rief den bei Hof stehenden Taupadel zu einer Unterredung nach Königshofen.[75] Als dieser nicht antwortete, eilte er nach Koburg,[76] wo Taupadel nach einer zweiten Aufforderung mit ihm zusammentraf. Er befahl dem Obersten, seine Truppen von Hof nach Bamberg zu führen, da ‚solches die höchste Not‘ erfordere. Die Bedenken, die der Oberst geltend machte, da er noch keinen Befehl Wilhelms in Händen hatte, zerstreute er dadurch, daß er erklärte, Wilhelm sei schon unterrichtet und auch dessen Fußvolk bereits auf dem Marsch nach Koburg. Taupadel ließ sich bereden und nahm aus Bernhards Händen das Kommando über die fränkischen Truppen. Den anderen Offizieren Wilhelms befahl Bernhard, nach Koburg zu marschieren und sich Taupadel zu unterstellen.
Herzog Wilhelm, der gerade der Hochzeit seines Bruders Albrecht in Weimar beiwohnte, erhielt hier am 8. Juli Bernhards Schreiben, in dem dieser ihm von dem Befehl Oxenstiernas Mitteilung machte und seinen Schritt mit der von Holk drohenden Gefahr eines Einfalls in Franken begründete. Dieser Schlag traf Herzog Wilhelm schwer. Er nahm den Befehl Oxenstiernas so auf, als wenn er ‚vom habenden Generalkommando destituiert und entsetzt’ und ihm ‚fast nichts als der bloße Titul des Generalleutnants gelassen werden wollte’. Durch die Eigenmächtigkeit des Bruders war er tief verletzt. Doch blieb ihm im Augenblick nichts anderes übrig, als den Offizieren gegenüber dessen Tat gutzuheißen und ihnen auch von sich aus den Befehl zu geben, nach Franken zu marschieren. Bernhard und den Reichskanzler ersuchte er nun um eine Unterredung um den 15. oder 16. Juli in Aschaffenburg[77] oder Frankfurt.[78] Da er in der Frage der sächsischen Generalleutnantschaft noch keine Antwort hatte, sandte er den kursächsischen Hauptmann von Weißenfels,[79] Rudolf von Dieskau, der sich gerade in Weimar aufhielt, nach Dresden,[80] um dem Kurfürsten über seine beabsichtigte Reise zu Oxenstierna zu berichten und ihn zu bitten, die Antwort in der Frage der sächsischen Generalleutnantschaft bis zu seiner Rückkehr aus Frankfurt aufzuschrieben, Er erklärte, der Kurfürst solle ihm ‚nur trauen und das Alte vergessen’, damit er ihm ‚wieder trauen’ könne.
Johann Georg hatte auf die seinen Gesandten von Wilhelm in Saalfeld[81] gemachten Vorschläge noch nicht geantwortet. Einen von Schweden abhängigen Generalleutnant wollte er nicht haben.[82] ‚Mit den weimarischen Traktaten steht es noch in weitem Felde; auf die bewußten Punkte ist eine solche Erklärung erfolgt, daß der Kurfürst nicht darauf wird eingehen können’, äußerte der sächsische Rat von Miltitz. Johann Georg hatte die Antwort hinausgezögert und den Herzog von einer Zeit auf die andere vertröstet, trotz Arnims Drängen, sich wenigstens der Person des Herzogs zu versichern, wenn man auch dessen Truppen nicht erlangen könne. Auf Dieskaus Anbringen antwortete der Kurfürst, er habe dem Herzog ‚niemals seines Wissens Ursache zu einigem Mißtrauen gegeben, wollte es auch nicht tun, sondern was vor diesem geschehen, wäre zu E. f. G. eigenem Besten geschehen’.
Nach der Absendung Dieskaus war Wilhelm nach Franken aufgebrochen, um mit Bernhard und Oxenstierna persönlich zu reden. In Schleusingen[83] erfuhr er, daß Bernhard nach Frankfurt zurückgekehrt war. Da er einen Einfall Holks in Thüringen fürchtete und Erskein ihm berichtete, daß Oxenstierna am 2. August nach Erfurt kommen wolle, blieb er in Schleusingen und schickte nur den Obersten von Brandenstein mit zwei Schreiben zu Bernhard, in denen er seiner Empörung über die ihm widerfahrene Behandlung Ausdruck gab. Besonders seinem Bruder machte er heftige Vorwürfe. ‚Es werden E. Ld. aus meinem Briefe sich genugsam ersehen haben, daß ich mich ziemlichermaßen von E. Ld. lädiert befunden, daß Dieselbe so absolute Ordre erteilt an die Offiziere von meinen Truppen, sonderlich auch E. L. ehestes Schreiben ziemlich hart lautet, so Deroselben zur Abschrift mitgeschickt. Kann mir nicht einbilden, daß es E. Ld. recht gelesen haben, sondern der Schreiber seines Gefallens also geschrieben, denn E. Ld. konsiderieren, an die Offiziere also zu schreiben, da ich doch praesent, daß es nicht allein bei den Offizieren irrige Gedanken macht, sondern auch mir zur schlechten Reputation gereicht. Ich versehe mich zu E. Ld., Sie werde mich hinfüro mit dergleichen Prozeduren verschonen’. Es scheine Leute zu geben, fuhr er fort, die zwischen ihnen Zwietracht säen wollten; er hoffe aber, daß Bernhard sich ihm gegenüber so verhalten werde, daß ‚ich damit kann content sein’. Bernhard solle bei Oxenstierna dafür sorgen, daß er Genugtuung erhalte. An Oxenstierna schrieb er, es scheine, ‚ob sollten Wir nicht allein hintangesetzt, Uns andere vorgezogen, die treuen Dienste nicht danknehmig akzeptiert werden, sondern noch dabei in die Gedanken geraten, da Wir Uns sollten des gesamten Vaterlands eifrig annehmen, daß Wir an dessen Statt nur irre und fahrlässig gemacht werden’. Der Kanzler solle dem Obersten Taupadel Anweisung zugehen lassen, daß er nach wie vor den Befehlen Wilhelms zu gehorchen habe und daß diesmal ‚in der Eil’ dem Herzog Bernhard das Kommando aufgetragen.
Inzwischen versuchte Wilhelm, über die ihm entzogenen Truppen den Schein des Oberkommandos aufrecht zu erhalten, und war äußerst aufgebracht, als ihm Taupadel keine Berichte zusandte. Nur wenige Truppen hatte er zurückhalten können. Es waren sein Leibregiment zu Fuß, kaum 1000 Mann stark, das im Hennebergischen[84] quartierte, seine Leibkompanie und einige Eßlebensche und Brandensteinische Kompanien zu Roß, die bei Saalburg[85] lagen. Seine Versuche, weitere Truppen an sich zu ziehen, waren vergeblich.“.[86]
„Am 24. Juli treffen wir Herzog Wilhelm wieder in Weimar, nachdem er sich vom 20.-22. in Oberhof[87] aufgehalten und die Rückkehr Oberst von Brandensteins erwartet hatte, der aber wahrscheinlich nicht vor dem 24. zurück nach Thüringen kam. Er überbrachte dem Herzog je ein Handschreiben Bernhards und Oxenstiernas. Bernhard antwortete, er habe nicht geglaubt, ihn zu beleidigen, ‚da doch E. Ld. bekannt, daß, wenn der Generalissimus nicht bei der Hand, der nächste obere Anwesende nach ihm kommandiert’. Es sei ‚periculum in mora’ gewesen. ‚Ich fürchte und fürchte aber, E. ld. haben einen kleinen Haß unverschuldeterweise gegen mich’. Er bat ihn, etwa in Würzburg mit ihm zusammenzukommen und ihm seine Ankunft durch Brandenstein mitzuteilen. ‚Ich hoffe, E. Ld. zu erweisen, daß ich es meine, wie einem treuen Bruder gehört’. Auch Oxenstierna suchte den Herzog zu beruhigen. Bernhard sei General der fränkischen Armee und habe den Befehl wohl ausführen dürfen. ‚E. f. G. Charge ist billig höher zu ästimieren, denn daß sie sich in drei oder vier Regimenter traminieren[88] soll’, fügte er etwas spöttisch hinzu. Er bat den Herzog, da er wegen einer notwendigen Reise nach Kassel[89] nicht nach Erfurt kommen könnte, sich mit ihm in Frankfurt[90] zu unterreden, wo gerade ein Konvent der Heilbronner Bundesstände stattfinden sollte“.[91]
„In Thüringen traf er [Wilhelm IV.; BW] alle Maßnahmen zur Verteidigung. Sein Leibregiment zu Fuß quartierte er nördlich und westlich von Erfurt. Als Besatzung von Erfurt gedachte er 600 Mann geworbenes Volk, 2000 Mann Bürgerwehr und 1000 Mann Ausschuß zu verwenden; allerdings war er sich darüber klar, daß sie einem starken Angriff des Feindes nicht lange würde widerstehen können. Die Befestigungsanlagen unterzog er einer eingehenden Besichtigung und sorgte für genügende Verproviantierung. Seine Reiter, die er bei seiner Ankunft sehr zerstreut gefunden hatte, zog er zusammen und legte sie auf Wunsch der Städte Naumburg, Merseburg,[92] Zeitz[93] und Pegau[94] unter dem Befehl des Obersten von Brandenstein nach Naumburg, um die Städte zu ermutigen und gleichzeitig sein weimarisches Land vor dem Einbruch feindlicher Horden zu schützen. Auch Jena[95] ließ er durch einige Reiterabteilungen besetzen.
Herzog Bernhard hatte auf die Nachricht von Holks Einfall in Sachsen sofort den Entschluß gefaßt, dem Kurfürsten beizustehen. Er wollte sich mit Taupadel, der im Bambergischen stand, verbinden und mit Unterstützung Wilhelms und Kursachsens[96] einen Vorstoß gegen Holk und einen Einfall in Böhmen machen. Oxenstierna stimmte diesem Plan zu, versprach die Absendung des in Niedersachsen stehenden Generalmajors Lars Kagg nach Franken und war bereit, sich beim Kurfürsten für eine Unterstützung durch 5000 Mann einzusetzen. Wilhelm war hocherfreut über den Plan des Bruders, der ganz in seinem Sinne war. Er korrespondierte mit Baner, dessen Hauptquartier in Egeln[97] war, und ersuchte den Kurfürsten nochmals, alle verfügbaren Truppen zu schicken und sie entweder bei Halle[98] mit Baner oder bei Naumburg mit ihm zu vereinigen. Gemeinsam wollten sie dann zu Bernhard stoßen. Artillerie und ‚andere Notdurft‘ wolle er selbst beschaffen. Er hoffe, ‚es sollte auf solche Maße dem Hauptwerk und E. G. eigen sowohl auch Unseren angrenzenden Landen merklich geholfen werden. Dieskau, den der Kurfürst nach Weimar[99] geschickt hatte, um den Herzog nochmals um Hilfe zu bitten, und der am 30. August dort eingetroffen war, unterstützte diesen Vorschlag bei seinem Herrn und forderte ihn zu schnellem Entschluß auf. Ein Vorgehen gegen Holk erschien dem Herzog um so erfolgversprechender, als er erfahren hatte, daß der kaiserliche Feldherr sich nach der Einnahme Leipzigs nach Altenburg[100] zurückgezogen hatte und sein Heer ‚mit der Pest heftig infiziert‘ war. Er war der Meinung, daß Holk sich nach Böhmen zurückziehen wolle, und ließ Brandenstein nach Zeitz vorrücken, um ihn zu beobachten.
Inzwischen war am 22. August in Schweidnitz[101] zwischen Arnim und Wallenstein ein vierwöchiger Waffenstillstand geschlossen worden, dem Kurfürst Johann Georg zustimmte. Johann Georg gab Dieskau, der noch in Thüringen weilte, den schriftlichen Auftrag, dem Herzog mitzuteilen, ‚wie nunmehr die Sach’ fast in einen anderen Stand geraten’ sei. Wilhelm sollte von ihm und Arnim, der auf dem Wege zu Oxenstierna sei, die mündlichen Erklärungen entgegennehmen“.[102]
„Ob der Herzog mit Arnim, als dieser auf der Rückreise nach Dresden[103] am 13. September durch Weimar kam, eine Unterredung gehabt hat, ist ungewiß. Johann Georg aber forderte, wahrscheinlich auf Grund der Berichte Arnims und Dieskaus, den Herzog zu einer persönlichen Zusammenkunft auf. Wilhelm war auch dazu bereit und schickte den Obersten Brandenstein mit einem Schreiben nach Dresden. ‚Weil Wir’, schrieb er, ‚neulichst unter E. G. eigenen Hand verstanden, daß Sie in kurzem sich selbst mit Uns zu unterreden hofften, so tragen Wir Verlangen, was Sie bei den Sachen zu tun gemeint, zu erfahren. Derowegen wäre Uns sehr lieb, wenn E. G. gefällig, sich dieser Örter etwas zu nähern, weil sonderlich der Herr Reichskanzler auf dem Wege und bald hier ankommen wird, damit Wir denen Sachen, daran E. G. gelegen und hier zu traktieren, beiwohnen könnten’. Welche Absichten Wilhelm hinter dem Plan, Johann Georg und Oxenstierna zusammenzuführen, verbarg, ist uns nicht überliefert. Wollte er endlich den Gegensatz zwischen Sachsen und Schweden, dessen Folgen sich in Thüringen besonders störend bemerkbar gemacht hatten und machten und unter denen er auch selbst zu leiden hatte, durch eine Aussöhnung des Kurfürsten mit dem Reichskanzler aus der Welt schaffen ?
Die plötzliche Änderung der Lage machte den Plan hinfällig“.[104]
„Seine Reiterei unter Oberst von Brandenstein ließ er aus dem Rudolstädtischen[105] gegen die untere Unstrut vorrücken und bei Wiehe[106] quartieren, das Fußvolk unter Oberstleutnant [Hans; BW] Günther marschierte von Erfurt nach Frankenhausen.[107] Nur geringe Dragonerabteilungen ließ er zum Schutz gegen feindliche Streifscharen bei Schleiz,[108] Leutenberg[109] und Saalfeld[110] zurück, eine Kompanie blieb auf dem Eichsfeld“.[111]
„Herzog Bernhard weilte am 26. März/5. April [1634; BW] noch in Coburg. Zusätzlich zu den Proviantlieferungen, die er aus Thüringen nach Nürnberg[112] schaffen ließ, kümmerte sich Bernhard auch um den Nachschub an Kriegsmaterial. Binnen weniger Tage mußten aus dem Schloß in Würzburg[113] 100 Zentner Pulver, 45 Zentner Lunten, 50. 000 Musketenkugeln sowie 750 dreipfündige, 400 zwölfpfündige und 300 halbe Kartaunenkugeln (24pfündige) nach Schweinfurt transportiert werden. In Coburg erwartete man vergeblich den Zuzug von zusätzlich 9 kursächsischen Regimentern[,] die sich mit Bernhard vereinigen sollten. Die sächsische Armee unter Hans Georg von Arnim wandte sich jedoch nach Schlesien, wo sie am 13. Mai 1634 in der Schlacht bei Liegnitz[114] den Kaiserlichen unter Johann von Götz und Feldmarschall Colloredo eine empfindliche Niederlage beibrachte. Herzog Bernhard war deshalb bereits am Freitag dem 7. April mit seinen Truppen von Coburg aufgebrochen.
Nach dem Tagebuch der Dominikanernonne Maria Anna Junius traf der Herzog am gleichen Tag in Begleitung seines älteren Bruders Herzog Albert,[115] des Feldmarschall Cratz und einem Großteil der Reiterei gegen Abend um 5 Uhr in Bamberg ein, wo er am Abend des nächsten Tages (8.4.) das Kloster der Nonnen zum Heiligen Grab besuchte: ‚[…] alls wir nun zu abent Calatz [kleine Abendmahlzeit, Vesper] gehalten, da leüd man stark bei uns herrein und schreyt, der fürst hertzog Bernhart kum […], so Balt wir das thor auff machen geht hertzog Bernhart gantz fröllich mit lacheten munt auff uns zu, giebt einer schwester nach der andern die hant und fragt wie wir leben […] da hat sich der fürst nur auff die banck bey dem Crutzevix gesetzt und gar freündlich mit den schwestern geredet […] da lauff ich geschwind mit den zweyen schallen vol köstlicher ein gemachter sachen die stiegen rab […], neige mich und sprich zu ihm / ich bitte eüher fürstliche gnaden sie wollen zuvor etwas aus der schallen nehmen / da lacht der fürst und greüffte in die schallen, nimmt einen zitteronen schelfen [Zitronenschale] und iste gleich darvon / da sprich ich wiederumb / eüher fürstlich gnaden wolle auch einen haubtgriffen [großes Stück] nehmen / da sagt er es ist genug, ich thue mich dessen betancken und geht gleich fort‘. (BHVB Nr. 53, S. 181f.).
Am Sonntag, den 9. April, brach Herzog Bernhard bereits wieder von Bamberg auf. Zurück ließ er den Feldmarschall Johann Philipp Cratz, der sein Quartier in des Bürgermeisters Lorbers Haus beim Prediger-(Dominikaner)-Kloster nahm, und den Generalmajor Georg von Uslar, der in das bischöfliche Schloß Geyerswörth[116] zog (ebd. S. 184), zusammen mit 3 Regimentern zu Roß (Uslar, Philipp Sattler und Cratz‘ eigenes Regiment) und 3 zu Fuß (Bartholomäus v. Zerotin, Georg Friedrich von Brandenstein und James King), zusammen zwischen 2000 und 2500 Mann (Chemnitz II, S. 468, 524)„.[117]
„Wir wollen uns vorerst wieder den Ereignissen in Franken zuwenden, wo wir den jetzt schwedischen Feldmarschall Johann Philipp Cratz von Scharfenstein mit seinem 2200 Mann starken Heereskorps bei der Belagerung der Festung Forchheim[118] zurückgelassen hatten, die noch unter Herzog Bernhard am Dienstag, dem 20. Juni 1634, begonnen worden war. Zu diesem Zweck hatte Cratz auch an eben diesem Tag die bisher noch in Bamberg[119] liegenden Kavallerieregimenter unter dem Generalmajor Georg von Uslar nach Forchheim abberufen. Am folgenden Tag, 21. Juni, wurden auch die Cratz’schen Fußtruppen in Bewegung gesetzt, wodurch die Belagerungstruppen kurzzeitig auf eine Stärke von ca. 3000 Mann zu Fuß und 800 zu Pferd anwuchsen.
Die Aktionen um Forchheim und die Festung Rothenberg[120] bei Schnaittach[121] liefen jedoch nicht sehr erfolgversprechend an. Bereits am 21. und 22. Juni wurde eine große Anzahl Verwundeter und Toter nach Bamberg zurückgeführt, darunter viele Offiziere. Die Dominikanernonne vom Heiligen Grab schreibt darüber etwas spöttisch: ‚[…] nach mitag hat man schon einen wagen vol beschetigter soltaden nacher Bamberg geführt / welche schon den vorcheimer towack versuchet haben wie dan etliche officirer zu früh, alls sie ihren abschiet von uns genuhmen haben, gesagt haben sie wollen zu vorcheim wacker dowack sauffen, welches mir nicht zweiflet sie werden des dowacken, so auff der Basteyen und mauhern zu vorcheim hin naus geBlassen wird, genug empfinden. […] Donerstag den 22. hat man schon 3 schellig [Schelch = Lastkahn] vol verwunden schweden nacher schweinfurt[122] gefürt, welche vor vorcheim und dem rothen Berg haben eingebüst. […] auff den abent kumt ein Büeblein zu uns welches den soltatten einen Bündel nacher vorcheim hat tragen müssen / der sagt uns das volck so alhie weg gezogen sey liege nur eine halbe meil von vorcheim und hertzog Bernhart lieg Im Höltzlein In welches die vorcheimer mechtig schiesen / die reüdterey las sich wol Bisweilen ein wenig sehen werd aber gleich wiederumb zuruckgetrieben / die schweden haben noch keinen schus in die stadt gethon […] Den 23. alls am freidtag zu früh hat man wiederumb 100 geschedigter soltadten nacher Bamberg Bracht / es scheint auch heüt im leger etliche drachoner bey samen gesessen, haben mit einander dowack geschnupt seint gar lustig gewessen / da kumt ungefer [unvermutet] ein falkanet kugel auss der statt under sie / macht mechtig rauhm / deren etliche davon hieher zum Badter im steinweg seind kumen und haben sich verbinden lassen welche solchiges selbsten erzelt haben‘. (BHBB 53, S. 195, 196).
Auch am Samstag, dem 24. Juni, wurden wieder 4 Schelche voll Verwundeter auf der Regnitz nach Bamberg geführt. Die Teuerung im Forchheimer Lager hatte mittlerweile solche Ausmaße angenommen, daß eine Maß Bier 4 Batzen und eine Maß Wein einen Reichstaler kostete[123] und doch nicht zu bekommen war. Den Belagerern machte vor allem das starke Schießen der Forchheimer mit schwerem Geschütz zu schaffen, welche nicht nur ‚einen schus auff einmahl, sondern creutzweis in ein ander‘ feuerten. Auf eine Übergabeaufforderung Herzog Bernhards am Sonntag den 25.6. antworteten die Forchheimer, ‚sie wollen sich wehrn Bies auff den letzten man, sie fragen nichts danach wan sie [die Schwedischen] schon alles hinweg Brenen / dan sie haben noch Bier und wein genug das sie mit leschen könen‘ (ebd. S. 197) Die Belagerer zündeten daraufhin 9 Dörfer in der Umgebung der Stadt an.
Die Forchheimer fühlten sich so sicher, daß sie jede Nacht zwei mal sowie gegen Morgen um 8 Uhr in das schwedische Lager ausfielen, auch jeden Morgen ihre Frauen vor die Mauern zum Gras holen schickten. Sobald die Belagerungstruppen sich der Stadt näherten, wurden sie durch heftiges Geschützfeuer zurückgetrieben. Um die Angreifer zu provozieren, ließ der Forchheimer Kommandant Friedrich von Schletz sogar vor den Stadtmauern mustern, welches die Schwedischen mit ansehen mußten, ohne angreifen zu können[,] weil sie sich ‚wegen des mechtigen schiessens nicht haben nahen dörffen‘. So jedenfalls berichtete der Quartiermeister des (Georg Friedrich von) Brandenstein’schen Regiments bei seiner Rückkehr nach Bamberg am Montag dem 26. Juni. Auch wußte er von folgender Begebenheit aus dem Forchheimer Lager zu berichten: ‚es saßen auch drey drachoner Bey samen die schnupfen dowack da kumt unversehens ein kugel aus der statt geflogen die nimmt den einen seinen rechten ellenbogen und drey finger von der hant auch den linken arm hinweg / dem andern hat sie das rechte Bein weggenuhmen aber den dryten hat sie den halben kopf hin weg genuhmen / also das sie gleich alle drey tod Blieben seind‘. (Ebd. S. 199).
Nachdem Herzog Bernhard am 28.6. aus dem Lager bei Forchheim zum Entsatz Kelheims[124] und Regensburgs aufgebrochen war, schien die geringe Autorität, die der Feldmarschall Cratz bei seinen höheren Offizieren hatte, vollends zu schwinden. Die Nonne vom hl. Grab schreibt darüber: ‚Den 30. alls am freidag ist der oberste ussler [Gen. Maj. Georg von Uslar] sampten dem obersten mejor Beckert von Bamberg weg gezogen dan sie haben ihre empter resi[g]nirt und haben ihr volck andern über geben / aber es ist eigentlich nicht so gewessen sondern sie habens nur fürgeben sie resinirten das sie von vorcheim seint hinweg kumen, dan sie haben mit dem meineidigen gratzen gar nicht vereinigen können‘.
Auch die einfachen Mannschaften waren schwierig geworden: ‚sie halten darvor man hab sie daher geführt das man ihrer ledig werd dan wan sie lenger in lenger [im Lager] Bleiben müssen so werden sie noch alle nider geschossen und hungers sterben dan die obersten machen sich gar fein aus dem staub und die armen soltaden müsen ihr leben und gesunden leib ein Büssen‘. Am Samstag, dem 1. Juli machten die Forchheimer einen Ausfall in das schwedische Lager und töteten bzw. verwundeten 300 der Belagerer. Eine große Anzahl toter und verwundeter schwedischer Offiziere wurden am gleichen Tag nach Bamberg geführt. Mit ihnen kam auch der Quartiermeister der Schotten (von Ludowick Leslies schottischem Regiment), welcher diese Nachrichten im Dominikanerkloster berichtete.
Über die Verteidigungsstrategien des Kommandanten Schletz weiß die Nonne vom hl. Grab einiges zu berichten: ‚Montag den 3. zu frü zwischen 3 und 4 Uhr ist der comentant wieederumb mit 1000 man in das schwedische leger gefahlen / alls aber die vorcheimer gesehen das der schweden Bey 4000 seint / seind sie wiederumb auff die statt zu / da haben ihnen die schweden mit Begirt nach gesetzt, die [Forchheimer] reüderey ist gleich in die statt kumen, das fusvolck aber hat sich vor der statt zertheilt / welches der comentant befohlen hat / alls Balt hat er 5 gar grosse stück in einander richten lassen / alls nun die schweden […] auff sie zu geeilt, da hat der Comentant die stuck loss Brennen lassen / also hat dieses erschröckliche schiessen die gantze Batallia [Schlachtordnung] der schweden in die lufft auffgehoben / auff das mal seint wiederumb auf die 400 schweden Blieben welches ich von den schweden selbsten gehört hab‘. Besonders hebt die Nonne den Drill der Forchheimer Garnison und die Befehlstaktik ihres Kommandanten hervor: ‚[…] dan die vorcheimer seind so mechtig ab gericht gewessen / dan wan sie hinaus gefahlen so haben sie nur auff den Comentanten gesehen da haben sie schon gewiest was sie thun sollen / dan der Comentant hat allezeit ein rodes und weisses feltzeigen [Feldzeichen] auch eine rodte und weisse fedtern Bey sich gehabt / wan die soltadten gesehen haben daß er das weisze feltzeigen hat so haben sie sich gar nicht förchten törffen / wan er aber das rode hat angehabt so haben sie wol gewiest das sie flucht geben müssen‘. (BHVB 53, S. 200, 201).
Cratz hatte am 1. Juli von der Stadt Nürnberg, deren Vorräte anscheinend unerschöpflich waren, zwei Regimentsstücke, die dazu nötige Munition, mehrere Büchsenmeister und Kriegsvolk, Granaten, Spaten, Hacken, den nötigen Proviant für die Büchsenmeister und Fuhrknechte und schließlich Speis und Trank für die Küche des Grafen angefordert. Der Rat gab, was in seinen Möglichkeiten stand, entschuldigte sich jedoch für die Zukunft, weil die Stadt bei fortgesetzter Blockierung solche Lasten nicht weiter tragen könne. Bereits vorher hatte er 8 Geschütze mit 200 Begleitung nach Forchheim geschickt. Diese Geschütze hatten allerdings wenig Effekt, wie die Nonne Maria Anna bestätigt: ‚Dem 5. alls an der mitwochen haben die schweden etliche stücklein Bekumen welche sie Bey der nacht haben einpflanzen wollen, auch Basteyen [Verschanzungen] auff gebaud / aber der Comentant hat so erschröcklich hinnaus schiessen lassen, das er alles zerschmedern hat lassen, auch die Brucken so die Schweden über das wasser gebaud haben sie alle hinweg geschossen‘.
Dem General Cratz verehrte der Nürnberger Rat ein Faß Wein und ein Kalb. Damit begnügte sich der Graf jedoch nicht, sondern schickte seinen Sekretär nach Nürnberg, der vom Rat der Stadt eine Summe Geld für die vor Forchheim liegenden Regimenter forderte. Dieser lehnte die Geldforderung ab, schickte aber Proviant für die Soldaten und 4 Zimmerleute. Deren Verpflegung scheint denkbar schlecht gewesen zu sein, denn am 8. Juli kam der nürnbergische Schanzmeister Hans Martin aus Forchheim in die Stadt und beschwerte sich, man hätte ihm und seinen 12 Gesellen bei ihrer schweren und gefährlichen Arbeit bisher weder Sold noch Brot gereicht. Kaum hatte der Rat diesen Lohn und Lebensmittel nach Forchheim gesandt, so kam eine Forderung der fränkischen Kreisräte nach 50 Zentnern Pulver und Lunten für den Feldmarschall. Cratz wiederholte die Forderung am 20. Juli und begehrte dazu 70.000 Pfund ‚Biscottenbrot‘. Nürnberg leerte daraufhin seine Magazine und schickte alles nach Forchheim. (Soden II, S. 537). Diesen Aufwand erforderte bereits eine kleine Armeeabteilung von knapp 3000 Mann. Die reichhaltige Ernte rings um Nürnberg[s] konnte wegen der Gefahr ausfallender Abteilungen und aus Festungen Rothenberg und Forchheim nicht eingebracht werden, zumal die Hälfte der Untertanen von Haus und Hof gejagt waren. Auch aus den eigenen Reihen drohte Gefahr. Die Dragoner des Hippolit Endres Imhoff raubten und plünderten die Bevölkerung aus und schnitten das Getreide ab.
Die Koordination der Forchheimer Belagerung wurde zunehmend schwieriger, denn zu allen Mangelzuständen, unter welchen die Belagerer zu leiden hatten, erkrankte der Feldmarschall Cratz und mußte sich am 14. Juli nach Bamberg führen lassen, wo er sein Quartier im fürstbischöflichen Schloß von Geyerswörth nahm. Die Nonne Maria Anna Junius vermutete dazu: ‚[…] aber soliche kranckheit ist i[h]m nur von kümernus gewesen, dan er sich mechtig geschemt hat, das er zu vorcheim nichts hat könen aus richten, sondern täglich gar vil volck eingebüst / auch seind die vornehmsten obersten und officirer von ihm gewiegen [gewichen] dan sie haben wol gesehen, das soliches nicht zu gewienen ist / weil aber der meynadige [meineidige] Cratz dem hertzog Bernhart versprochen, er wolle ihm vorcheim gewinen ohne Brauchung einiges stuck [Geschütz] / deswegen haben ihme vil obersten soliche ehr gar wol gegünd und sich hinweg gemacht‘. (BHVB, S. 203f.).
Ganz so desolat, wie dies die fromme Dominikanernonne schildert, war die Situation zwar noch nicht, jedoch war der Zustand der schwedischen Truppen vor Forchheim denkbar schlecht. Cratz ließ deshalb auch von Bamberg aus mit seinen Forderungen an den Rat von Nürnberg nicht nach. Der General bat am 24. Juli erneut um Verstärkung seines Kriegsvolkes. Für die Befriedigung der Forderungen seiner Offiziere verlangte er 6000 Taler. Im Falle einer Weigerung drohte er dem Nürnberger Rat mit der Aufgabe der Belagerung. Am 29. Juli war Cratz noch in Bamberg und forderte von dort aus Nürnberg Stücke, Feuerkugeln, Mörser, Munition und Biskotte (Zwieback) an. Außerdem beschwerte er sich über die schlechte Qualität des gelieferten Pulvers. (Soden II, S. 540).
Am Mittwoch, dem 2. August, führte man wieder eine große Anzahl verwundeter Soldaten nach Bamberg. Auch nahm wegen des anhaltenden Mißerfolges die Moral unter den protestantischen Belagerungstruppen kontinuierlich ab. Eine erhebliche Anzahl von Soldaten desertierte, darunter auch viele Offiziere, ‚deswegen der Cratz mechtig erzörnet [war] dan er hat gesagt, er wolle einen Besundern Baum nehmen daran er die ridtmeister und officirer wolle hencken lassen‘. Am 3. August wurde ein Bote abgefangen, der einen Brief von Kronach nach Forchheim transportieren sollte.
Die Cratz’schen Truppen wurden schließlich aufgrund mangelnder Bezahlung und Verköstigung so schwierig, daß sie in der Umgebung zu plündern begannen. Als 9 mit Getreide beladene Wagen am 11. August von Windsheim[125] nach Nürnberg fahren wollten, wurden sie bei Seukendorf[126] in der Nähe von Cadolzburg[127] von 50 Cratz’schen Reitern überfallen, die mit der Forderung ‚Geld oder Blut‘ auf sie zusprengten. Als sich die Windsheimer Bürger weigerten, wurden zwei von ihnen sofort erschossen, ebenso ein Knecht von Illesheim.[128] 11 Karrenleute wurden verwundet, die Pferde ausgespannt. Das Getreide blieb auf freiem Felde stehen. Den General bat man um Bestrafung der Placker. (Soden II, S. 543).
Der Nürnberger Rat kam schließlich zu der richtigen Überzeugung, das Forchheimer ‚Blokament‘ schade Nürnberg mehr als Forchheim. Allein an Naturalien, Werkzeug und Munition hatte die Stadt bisher Waren im Wert von 10.271 Reichstalern geliefert. Der General Cratz mußte letztendlich auch zu der Einsicht kommen, daß bei solch dürftigen Voraussetzungen an eine Eroberung der Festung nicht zu denken war. Aus Mangel an Truppen konnte er die Stadt nur zur Hälfte blockieren und dadurch den eigentlichen Zweck einer Belagerung nicht erreichen.
Bedingt durch die nun fehlende Rückendeckung Nürnbergs gab Cratz schließlich entnervt auf und begab sich von Bamberg nach Schweinfurt, offiziell aus Krankheitsgründen, jedoch wird die Enttäuschung über die Aussicht auf irgendeinen Erfolg ein Übriges getan haben. Jedenfalls berichtet die Bamberger Nonne: ‚[Sonntag] den 13. hat man den obersten Cratzen in einem sessel hinab auffs wasser getragen / welchen man auff einen schieff nacher schweinfurt geführt wegen grosser kranckheit wie er für geben, aber seine eigne soltaden haben gesagt er mache sich nur kranck weil er diese fesstung nimmer gewinen kön‘. (BHVB 53, S. 206).
Am folgenden Montagabend des 14. August wurde auch die Blockade Forchheims aufgehoben. Der Abzug der Truppen wurde wegen der Abwesenheit des Generals von den verbliebenen Offizieren ins Werk gesetzt und verlief ziemlich chaotisch. Zwei Geschütze, Munition und ein Teil der Verpflegung fielen beim Abzug über die Regnitz ins Wasser. Noch in der Nacht kamen große Einheiten nach Bamberg, wo sie Stadt und Bürger in Angst und Schrecken versetzten, die Kaufläden erbrachen und die Häuser plünderten. Am Samstag dem 19. August brachen allerdings die Cratz’schen Regimenter und sämtliche schwedischen Garnisonstruppen wieder in Bamberg auf und nahmen ihren Zug über Eltmann[129] weiter auf Schweinfurt und Kitzingen,[130] wo sie sich am 23. August mit den zurückgebliebenen Truppen des Generalmajors Lars Kagg vereinigten und so auf eine Gesamtstärke von etwa 4-5000 Mann kamen. Kagg selbst begab sich anschließend weiter nach Schweinfurt, um von dort seine Reise nach Schweden fortzusetzen. Der Generalmajor James King zog mit einem Teil seines Fußregiments zu Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg. Die zurückbleibenden Truppen waren gerade dabei, sich am Main einzuquartieren, als den Feldmarschall Cratz der Ruf Bernhards nach Unterstützung erreichte. Am 27. August wurden die Regimenter um Uffenheim[131] zusammengezogen und marschierten über Rothenburg[132] zur Hauptarmee. (Soden II, S. 544, 550; Chemnitz II, S. 525, 526)„.[133]
„Am 21. März 1634 nahm Mitzlaffs Brigade noch an der erfolglosen und verlustreichen Bestürmung Kronachs teil, wobei diese Brigade erheblich reduziert wurde, weshalb sich ihr Kommandeur zu neuen Werbungen veranlaßt sah. Im Mai 1634 forderte deshalb ‚der Königlichen Krone Schweden und des Evangelischen Bundes Kriegsrath und Oberster‘ Joachim Mitzlaff vom Rat der Stadt Nürnberg die Stellung von 330 Rekrutenknechten. Nürnberg, welches sich dazu nicht in der Lage sah, gab dem Obersten eine Obligation über 1650 Taler oder 2475 Gulden, ‚worüber Mitzlaff in bester Form quittierte‘. Er befand sich zu dem Zeitpunkt in der Armee Bernhards, der bei Roth[134] Quartier bezogen hatte, um den Entsatz Regensburgs[135] vorzubreiten. (Soden II, S. 496). Mit dem bevorstehenden Zusammenschluß der Armeen Horns und Bernhards (dieser erfolgte schließlich am 12. Juli) war die Stellung Mitzlaffs bei den Truppen des Herzogs nicht mehr zu halten und der schwedische Feldmarschall konnte schließlich die Entfernung des Obersten aus dem schwedischen Heer durchsetzen.
Mitzlaff hatte sich bereits gegen Ende Juni zu Herzog Wilhelm nach Weimar begeben. Diesen bat er, die Untersuchung seiner Angelegenheit vor einem Kriegsrat zu befördern. Wilhelm, dessen Verhältnis zu Oxenstierna zu diesem Zeitpunkt bereits ausgesprochen unterkühlt war, fühlte sich dazu wegen seiner nach wie vor nicht bestätigten Charge als Generalleutnant derzeit nicht in der Lage. Er hoffte aber, sich den Einfluß des Obersten bei der Heranziehung seiner noch unter Bernhards Befehl stehenden Regimenter zunutze zu machen. Er stellt Mitzlaff unter diesen Voraussetzungen eine Generalsstellung, ja sogar das Oberkommando über seine Truppen während seiner Abwesenheit in Aussicht, jedoch nur unter der Bedingung, daß der Oberst vorher seinen Streit mit Horn beilegen und seinen offiziellen Abschied von der schwedischen Armee tätigen sollte. Die Situation eskalierte, als Herzog Wilhelm Mitzlaff das Angebot machte, in der Zwischenzeit die Statthalterschaft über das von Sachsen-Weimar okkupierte Eichsfeld zu übernehmen. Diese Nachricht schlug bei der schwedischen Partei in Frankfurt wie eine Bombe ein. Einen Eindruck darüber vermittelt die Nachricht des weimarischen Rats Dr. Braun, der, ohne Kenntnis der eigentlichen Identität der Person Mitzlaffs, an Herzog Wilhelm schrieb, man munkele, ‚der Herzog habe einen reformierten, kassierten und gescholtenen Obersten, einen verwirrten wunderseltsamen Kopf, bisher an sich und zu Rate gezogen und vielleicht auf dem Eichfeld hoch zu heben entschlossen. Wer der Oberst ist, weiß er nicht, vermerke aber, daß er sehr verhaßt ist und auch E. f. G. wird verhaßt machen‘. (Huschke, S. 187f.). Tatsächlich war vor allem Oxenstierna äußerst empört. Er teilte dem Herzog am 8. Juli mit, ‚er habe des Herzogs Sache [soll heißen: die Bestätigung seiner Generalleutnantschaft und die offizielle Überschreibung des Eichsfelds] zu gewünschtem Ende zu bringen gehofft, doch wären viele hohe Beschwerungen und Klagen dazwischen gekommen. Er wüßte nun nicht, wie den Sachen zu helfen‘ (ebd. S. 209).
In dieser Situation entschloß sich der Herzog, sein Vorhaben, Mitzlaff mit der Statthalterschaft über das Eichsfeld zu betrauen, fallen zu lassen, entwickelte aber statt dessen eine noch skurrilere Idee. Er plante, das Truppenkontingent unter Graf Cratz vor Forchheim zu verstärken, beanspruchte jedoch dafür den Oberbefehl über die fränkischen Truppen und sandte deshalb Mitzlaff am 20. Juli 1634 an seinen Bruder Bernhard mit der Bitte, ihm die Regimenter des Feldmarschalls Cratz zu unterstellen. In diesem Fall wolle er ‚seine thüringischen Truppen ebenfalls nach Forchheim schicken und nach dessen Eroberung sein Glück abermals an Kronach versuchen‘ (ebd. S. 188). Auf diesen Vorschlag konnte Bernhard keinesfalls eingehen, weshalb Herzog Wilhelm nun verärgert begann, Teile der Forchheimer Truppen, darunter sein altes Leibregiment unter Georg Friedrich von Brandenstein, abzuziehen und am 3. August auch seinen Generalmajor Georg von Uslar nach Weimar zurückbeorderte. Die Folge dieser Querelen war, daß sich der Oberst Joachim Mitzlaff in einer ziemlich prekären Situation nun wieder bei Herzog Bernhard und dem mittlerweile vereinten schwedischen Heer befand, welcher Umstand die Harmonie der beiden Feldherren, Horn und Bernhard, erneut belastete“.[136]
„Die Nachricht von dem Fall Regensburgs, die Herzog Wilhelm am 3. August erhielt, versetzte ihn in lebhafte Unruhe. Er wies seine Offiziere an, ihre Truppen so zu quartieren, daß er ‚ihrer jederzeit mächtig sei‘, befahl dem noch bei Hildesheim stehenden Oberstleutnant Günther, sich zum Aufbruch nach Thüringen bereit zu halten, und rief den Generalmajor Georg von Uslar zu sich nach Weimar, um mit ihm zu ‚konferieren, was zu tun sei‘. Den in Frankfurt versammelten Ständen gegenüber erklärte er sich bereit, mit 1200 Reitern, 1500 Mann zu Fuß und der Artillerie nach Franken zu marschieren, wenn sie ihm eine Entscheidung wegen seiner Charge zukommen ließen. Darüber hinaus tat er jedoch nichts. Den Bitten des Grafen Cratz um Abfolgung der thüringischen Regimenter, die dieser mit seinen Truppen zu einem Korps zum Schutz Frankens gegen feindliche Streifscharen vereinigen wollte, gab er ebensowenig nach wie der Aufforderung Oxenstiernas, dem Grafen die Regimenter zuzusenden. Er war nicht bereit, seine Truppen dem Kommando eines anderen zu unterstellen, verlangte jetzt auch, als er hörte, daß Graf Cratz die Blockade Forchheims wegen der andringenden Reiterschwärme Johann von Werths und Strozzis aufgehoben hatte und sich gegen Würzburg und Schweinfurt zurückziehen wollte, sein altes Leibregiment zu Fuß unter Oberst von Brandenstein, dessen Abfolgung ihm Herzog Bernhard einst verweigert hatte und das an der Blockade beteiligt gewesen war, zurück und wies ihm Quartiere im Hennebergischen an“.[137]
„An diese [die thüringischen Stände und Anhalt] hatte der Herzog am 22. September [1634; BW] Schreiben gesandt, in denen er ihnen nochmals die Gefahr, in der sie schwebten, vor Augen stellte. Der Feind stehe bei Schweinfurt und Koburg; um weiteres Vordringen zu verhindern, sei Baner auf dem Marsch nach Thüringen. Man müsse also endlich den Ausschuß zum Schutz der Grenzen zusammenziehen und für Baners Armee Proviant liefern. Außerdem sei zur Befriedigung der Soldateska Geld vonnöten. Bis zum 6. Oktober solle die veranschlagte Summe geliefert und der Proviant zusammengebracht sein. Um seine Arbeit zu unterstützen, sollten die Stände ihm bis zum 2. Oktober Deputierte nach Weimar schicken. Altenburg möge seinen Ausschuß an die Pässe bei Saalfeld und Gräfenthal[138] legen, Eisenach und Schwarzburg aber sollten den ihrigen am 30. September nach Ohrdruf[139] schicken. Oberst von Brandenstein erhielt sogleich den Auftrag, sich zu Johann Ernst und den Grafen von Schwarzburg zu begeben, zu mustern und den Major Springsfeld zum Oberstleutnant darüber zu bestallen. Aber auch jetzt kam Herzog Wilhelm nicht zu seinem Ziel. Schwarzburg war zwar bereit, einen Teil der geforderten Leistungen zu erfüllen, Johann Philipp [v. Sachsen-Altenburg; BW] aber wandte sich zu-nächst nach Dresden, um über die Ansicht des Kurfürsten unterrichtet zu sein, und Johann Ernst erklärte, in dieser Eile sei an eine Erfüllung der Wünsche Herzog Wilhelms nicht zu denken. Außerdem habe er gehört, daß Baner sich in Thüringen ‚refraichieren’ wolle. Da dann sicher auch sein Land nicht verschont bleiben werde, sei es unmöglich, auch noch Wilhelms Begehren nachzukommen. Sein Land müsse ja auch Mittel zur Verteidigung Koburgs aufbringen. Den Ausschuß, den er auszuheben beginne, brauche er zum Schutz seines eigenen Fürstentums. Ostheim vor der Rhön[140] sei bereits von feindlichen Scharen geplündert, ‚dahero allenthalben große Furcht im Lande’. Wenn er eine Gewähr dafür haben könne, daß weder der Feind noch Baner in sein Land komme, wolle er seine Mannschaft abfolgen und auch sonst ein Genüge tun. Es sei aber besser, man verhandele mit den anderen Kreisständen“.[141]
1635 amtierte Brandenstein noch als Statthalter in Magdeburg[142] und Halberstadt.[143]
Im Laufe des Juni 1635 hatte Brandenstein, der den Beitritt Wilhelms IV. zum Prager Frieden nicht akzeptiert hatte, auf eigene Bitte hin seinen Abschied erhalten.[144]
Der Schmalkaldener[145] Chronist Pforr berichtet: „Nachdem nun hießiges orts landeß die Keyßerlichen uff daßmahl wechgeweßen, sint den 17. Jun: [1635, BW] sieben Weymarische mußquetirer vom Brandensteinischen regiment anhero kommen und alß sie sich vollgeßoffen, haben sie einen tumult in der statt angefangen, die leuht uff der gaßen verjaget und darüber einen bawren von der Struht todtgestochen, deßwegen die bürger zugelauffen und solche frevelhaffte soldaten abgeblet und gefangen genommen. Den 27. huius ließ der Obrist Brandenstein die gefangene soldaten abholen, den mörder aber hinterlaßen, welcher den 5. 8br: alhier mit dem schwert gerichtet worden.
Alß nun bemelter obrist erfahren, daß die 3 bauren, welche seiner soldaten zwey den vergangenen winder solden erschlagen haben, gefengklich eingezogen worden, hat er begehrt, ihme, dißelbe zu straffen, abfolgen zu laßen. Aber es wurde ihme abgeschlagen, hergegen alhier urtheil und recht uber sie eingeholet, dadurch sie, weil sie ein nohtwehr thun müßen, ledig gesprochen wurden“.[146]
Nach dem Prager Frieden nahm er seinen Abschied.
Brandenstein wurde am 9.10.1635 in der Erfurter Prediger-Kirche bestattet.[147]