Marazzani [Marazani, Marrazan, Marsoun, Moritzan. Marozin], Francesco Freiherr de; Obrist [ – ] Der aus Piacenza stammende Francesco Freiherr de Marazzani[1] [Marazani, Marrazan, Marsoun, Moritzan[2], Marozin], „camerier maggiore” Wallensteins,[3] war ab 1628 kaiserlicher Obrist. Zum Mai 1628 verzeichnet die „Kriegsliste“, dass das Fußregiment des verstorbenen Daniel Hebron Francesco Marazzani, mit gleichzeitiger Bestallung zum Obristen, übergeben wurde.
Als Nachfolger des Wratislaw von Pernstein war er Kommandant in Greifswald,[4] wo er den Ausbau der Festungsanlagen vorantrieb.[5]
1630 muss er sich vorübergehend in Zerbst[6] aufgehalten haben.[7]
Er hatte 1631 in Neubrandenburg[8] 600 Mann zu Fuß und 3 Kavallerie-Kompanien unter seinem Kommando. Marrazani hatte am 11.2.1631 die Stadt den Schweden übergeben und Tilly[9] gegenüber zu seiner Entschuldigung angeführt, Savelli habe ihm dies befohlen.[10] In der Darstellung des Augenzeugen Monro heißt es: „In der Stadt lag Oberst Marrazani mit einer Besatzung von 500 Reitern und 1 200 Infanteristen, die einen Anblick boten, so tadellos, wie man ihn sich nur wünschen konnte.
Der König, der um drei Uhr am Nachmittag (II, 15) in Reichweite der Geschütze an die Stadt herangekommen war, stellte uns in Schlachtreihe auf und teilte dann die Posten ein, wo die Brigaden liegen sollten. Er kommandierte auch Wachen zu Pferd ab, draußen vor den Fußtruppen zu stehen, andere Truppenteile wurden angewiesen, die Straßen zu sperren, und der Rest der Reiterei ging in die Quartiere. Nachdem die Schlachtaufstellung der Infanterie geordnet war, rückten wir mit fliegenden Fahnen unter Trommelklang vor, und jede Brigade marschierte abteilungsweise zu ihren Stellungen. Als sie angekommen waren, wurden befehlsgemäß die Wachen aufgestellt, der Rest ging in die Quartiere, wobei sowohl Offiziere als auch Soldaten den Befehl erhielten sich nicht außerhalb der Quartiere aufzuhalten und die Waffen zu verlassen, sondern auf Befehle zu warten. Als wir in die Stellungen einrückten und dabei in die Reichweite der Kanonen der Stadt gerieten, wurden mit Geschützen, Wallbüchsen[11] und Musketen begrüßt. In kurzer Zeit jedoch zahlten wir den Feinden das, was sie uns geschickt hatten, mit Zinsen zurück, und der Feuerwechsel dauerte solange, wie sie selbst herausschossen. In der Nacht kehrte überall Ruhe ein, bis der Tag wieder anbrach.
In unserem Abschnitt lag vor einem Tor eine kleine Dreiecksschanze mit einem ringsumlaufenden Wassergraben und einer Zugbrücke. Wir überwanden den Graben, der nicht tief war, stürmten die Schanze und zwangen den Feind, sdich hinter die Wälle der Stadt zurückzuziehen. Da er einen Generalangriff befürchtete, ließ der Feind unverzüglich unter Trommelschlag ankündigen, daß er zu verhandeln wünsche, was ihm auch zugestanden wurde. Bürgen wurden hic inde ausgetauscht, die Verhandlungen kamen voran, und der Akkord wurde ausgehandelt und unterschrieben. Sie sollten zu Fuß und zu Pferd mit Sack und Pack herausmarschieren und eine Begleitmannschaft nach Havelberg[12] erhalten“.[13]
Da Marrazani keine Gönner wie Savelli bei Hofe hatte, verlor er sein Regiment und musste sich in einem Verfahren rechtfertigen. Tilly selbst hatte Neubrandenburg stürmen lassen, nachdem Knyphausen am Morgen des 19.3.1631 gegen den Willen der Bürgerschaft einen Akkord abgelehnt hatte. Erasmus Pontanus schreibt in seiner 1631 gedruckten Flugschrift „Truculenta Expugnatio Sanguineolentium Excidium Neobrandenburgicum“: „Hat die Königl. Mayt. zu Schweden Anno 1631 den 1. Februarij die Stadt berennen lassen, da denn Rath und Bürgerschafft nicht anders gemeint, es würde der zu der Zeit inn Brandenburg Commandirender Kayserlicher Obrister Frantz Marsoun, oder wie man ihn communiter genennet, Morizan, mit seinem gantzen Regiment vnd andern Officirern, als Major Galle mit seinen beyden Compagnien vnter dem Obristen Büttler [Walter Graf Butler; BW], nebenst dem Rittmeister Spor, vnd Rittmeister Lorentz, jeder mit seiner Compagnie, vnd des Hispanischen Grafen von Bruween [Bruay; BW], (der aber für seine Persone zwey Tage zuvorher nach Franckfurt an der Oder[14] abgereiset) hinterlassenen Compagnien Reutern, alle drey vnter des Monte Cuculi [Ernst v. Montecuccoli; BW] Regiment, wie einem rechtschaffenen Cavallier vnd Soldaten gebühret, für sich vnd die ihm anbefohlene Stadt, ritterlich gefochten, vnd den ihm anvertrauten Paß mit dem Schwerdt verfochten, vnd die disarmirten defendiret haben. Als er aber mit der Kön. Mayt. zu Schweden accordiret, mit Sack vnd Pack abzuziehen, vnd die wehrlosen Bürger vngedefendiret verlassen, für seinem Abzug aber von der Stadt ein documentum seines Ritterlichen Verhaltens, tapfferen Fechtens, vnd daß er der Königl. Mayt. zu Schweden große Macht nicht lenger resistiren können, sondern accordiren müssen, begehret, dem Raht vnd Bürgerschafft aber ihres vnverweißlichen Verhaltens halber, welches er Mündtlich gestanden, sie hetten sich gehalten wie redliche Leute, aber Schrifftlich nicht bekennen, weniger die deswegen geforderte Gegenrecognition geben wollen, ist sein des Obristen Morizan postulatum auch in Brunn gefallen, vnd er nur geeilet, dass er den Kopff auß der Pforten gezogen, welches den andern Februarij geschehen“.[15]
„Inmitteler zeit solches vorgangen, ward in der Kirchen der Gottesdienst mit beten, singen, predigen, vnd verreichung des Nachtmals verrichtet, darauff fellet ein Regiment der Tyllischen vmb 12 Vhr Mittags außer den Lauffgraben die Stadt mit grossem vnaußsprechlichen Geschrey an dreyen Orthen an, als für dem Newen Thor bey der niedergelegten Zingel, welche in der ersten furie bei der Zingel biß auff den Wall kamen, aber von den Königschen mit verlust vieler Tyllischen wieder abgetrieben worden, für dem Friedlandischen Thore, vnd dann bey der Bresche, und würden alle abgeschlagen, bald darauff continuirt das ander Tyllische Regimente den Sturn, würden auch von den Königschen abgeschlagen, dieser secundiret das dritte regiment, in dessen recolligirten sich beyde vorige mit großem verlust vieler Tyllischer, die in den ersten beyden Stürmen einbüßeten, abgetriebene Regimenter, vnd fielen mit eußerster Macht an, worzu sich auch viele von Reuterey mit haben gebrauchen lassen, vnd eroberten den Wall an dem Friedlandischen Thor, welchen Post der Oberste Kniphusen[16] und Capitän Pluch defendirten, vnd ob wol der Capitäin Plug schon zweyers geschossen, vnd hart blessiret, hat er doch mit einem Schlachschwerdte sich lange gewehret, vnd viele auffsteigende Tyllischen Soldaten niedergematzet, biß er auch endlich mit einer Mußqueten=Kugel durch den Kopff geschossen, vnd todt zur Erden gefallen, vnd haben die Tyllische die Königsche Soldaten zwischen zwo enge Mawren getrieben, vnd dergestalt darunter gemetschet, dass man in einem Platz etwa dreißig oder viertzig Schuch in der circumferentz[17] begriffen, zweene vnd neuntzig Personen vber einander todt hat ligend gefunden, wie man auch bey begrabung der Erschlagenen zwischen dem Friedlandischen Thore und Zingel, Leiche bei Leiche, abgehawene Feuste, Finger, Arme, Beine, Hirnschalen vnd andere Menschliche schampffierdte[18] Gliedmaßen gefunden“.[19]
„Ob gleich die Bürger nicht mit im Gewehr gewesen: Es ward niemand, er war in der Kirche, in den Häusern oder auff den Gassen geschonet, Viele vom Adel so in die Stadt geflohen nebenst den Bürgerfrawen vnd Jungfrawen waren in der Kirche geblieben, will der Gottesdienst vnd die Communion wegen großer Menge der Communicanten, biß 12 Vhr dass die Stadt vbergangen, sich erstrecket, da hinein flohen andere Bürger und Königsche Soldaten, denen folgeten die Tillyschen, da sahe und hörete Jammer vnd Zettergeschrey, da würden Bürger und Soldaten in der Kirchen nieder gemacht, ein Rahtsherr, Franciscus Caelius, Medicinae Doctor, ward für dem hohen Altar mit einer Pistolen vnter dem Kinn hinein, vnd oben zu der Scheitel wieder hinauß geschossen, vnd wie er davon todt zur Erden für dem Altar darnieder gelegen, spaltet ein Crabat mit einer Sebel jhme den Kopff Creutzweiß mit zweyen Strichen, vnd mit dem dritten Hiebe das Maul mit beyden Backen entzwey, von welchem füglich zu sprechen: Nec tutus in ará. Ein Königscher Fenrich riesse das weisse Fendlin von der Stangen, wickelt sich darinn, ward an der Predigstuhls Thüren nieder gemacht, dessen blut sprützet an gemelte Thüre des Predigstuhls, vnd hat sich so hart daran gesetzet, daß mans mit Wasser nicht vermocht hat abzuwaschen. Da schendeten die Tyllischen Frawen vnd Jungfrawen offentlich auff den Gassen, Marckten, auch in der Kirchen vnd Gotteshause, da war kein schonen jung oder alt […]
Tyllysche Offizirer ritten durch die Stadt vnd schreyen jhre Soldaten an, Bürger vnnd Soldaten kein Quartier, Bürger vnnd Soldaten kein Quartier […] Da gieng erst rauben vnd plünderen allererst recht an, alle Kelche mit den Patenen, zusampt dem Meßgewandt, vnd was zu des Herren Ampt vnd Altar gehöret, mit allen Leuchtern, waren von dem Altar hinweg gerissen, vnd es dermassen geblösset, daß nur die blosse Steinhauff zusehen war, die Kirchstühle vnd Bencken so wol der Männer als der Weiber waren vberall mit Menschen Blute besprützet […] zog Herr General Tylli mit der Armee wieder auß New Brandenburg in sein Quartier naher Stargard,[20] vnd ob er wol für seinem Abzuge bey Trommelschlag von ferneren rauben, plündern und morden abzustehen, vnd abzuweichen hette außruffen lassen, so war doch keine Folge, besondern die Companien, so darinnen zu bleiben commandiret würden, deren aber so viel waren, dass alle Losamenter vbrig voll beleget, also dass weder Wirth oder Wirthin eintzigen Platz, dahin sie jhren Fuß setzen kondten, in jhrem eigenem Hause nicht haben oder finden kondten, trieben solchen Muthwillen mit den armen Leuten, Mann vnd Weibes Personen, welche sie mit Daumschrauben, Knottechten Stricken, welche sie ihnen vmb die Köpffe zudreheten, daß die Knöpffe in die Augen, vnd biß auff die Hirnschale hinein gangen, mit erhenckend, vnd andern Henckerschen Büttelmessigen Sachen dermassen vnchristlich marterten und peinigten, zu bekennen, wohin sie ihre Geldt vnd Gut vergraben oder versteckt“.[21]
250 der Verteidiger fielen, die übrigen 500 wurden gefangen genommen. Die Schweden nahmen Rache: „Wie nun der H. General Tylli mit seiner Armee abgezogen, hinterliessen sie in Newen Brandenburg etwa bey ein hundert vnd darüber krancke blessierte Tyllische Soldaten, mit zweene Feldtscherer vnd etliche Corporalen, welche biß in den dritten Tag darinne gelegen, ehe dann sie aber restituiret, kamen achtzig Königsche Dragoner bey der Nacht, plünderten die Krancken, nahmen die Feldscherer gefangen, vnd zogen mit guter Beute von dannen, zwo Stunden hernacher kamen etliche Königliche Reuter, vnd machten der Krancken viele darnieder, nahmen jhnen auch die vbrige Beute, vnd von der Tyllischen Reuterey einen Quartiermeister, welcher sich bey seiner Damen und Amasien[22] in Liebe verspätet, gefangen mit hinweg“.[23] In der schwedischen Armee fand die falsche Nachricht Glauben, die ganze Garnison sei massakriert worden, was letztlich wohl auch dazu führte, dass schwedische Truppen später noch in Frankfurt an der Oder ein Blutbad anrichteten.
Marrazani verlor sein Regiment und sollte einem Kriegsgerichtsverfahren unterzogen werden.[24]
Um weitere Hinweise wird gebeten !
[1] SEDINA-ARCHIV Nr. 4/1974 Familiengeschichtliche Mitteilungen. Vgl. die Erwähnungen bei KOLLMANN, Dänisch-Niederdeutscher Krieg; ERNSTBERGER, De Witte; HARRACH-Tagebücher.
[2] BOLL, Chronik der Vorstadt Neubrandenburg, S. 138.
[3] Vgl. REBITSCH, Wallenstein; MORTIMER, Wallenstein (ab Februar 2012 auch in dt. Übersetzung).
[4] Greifswald [Kr. Greifswald]; HHSD XII, S. 194ff.
[5] LANGER, Die Universität Greifswald, S. 80.
[6] Zerbst [Kr. Zerbst]; HHSD XI, S. 523ff.
[7] Vgl. Slg. 15: Autographensammlung des Königlichen Hausarchivs der Niederlande. Online verfügbar unter: sachsen-anhalt.de/fileadmin/Elementbibliothek/Bibliothek_LHA/FB/Slg_15_00_Findbuch.pdf.: Oberst Franz Marrazani an Fürst August von Anhalt-Plötzkau, Zerbst 1630 (Nr. 66); Oberst Franz Marrazani an Fürst August von Anhalt-Plötzkau, Zerbst 1630 (Nr. 67).
[8] Neubrandenburg [Kr. Neubrandenburg]; HHSD XII, S. 69ff.
[9] Vgl. KAISER, Politik; JUNKELMANN, Der Du gelehrt hast; JUNKELMANN, Tilly.
[10] Österreichisches Staatsarchiv Wien Kriegsarchiv Alte Feldakten 54/1631/2/35 (Kopie): Marazzani an Tilly, Fornau ?, 1631 II 13.
[11] Wallbüchsen: reine Festungswaffen, die Ladungen von 8 Lot Blei verschossen. Diese Wallbüchsen waren ca. 1,25 m lang und konnten von einem Mann allein noch von einer Wehr zur anderen getragen werden, um sie an einem Schussloch oder Bock abschießen zu können.
[12] Havelberg [Kr. Westprignitz/Havelberg]; HHSD X, S. 217ff.
[13] MAHR, Monro, S. 99f.
[14] Frankfurt a. d. Oder [Stadtkr.]; HHSD X, S. 177ff.
[15] BOLL, Chronik der Vorstadt Neubrandenburg, S. 144.
[16] Vgl. SATTLER, Reichsfreiherr Dodo zu Innhausen und Knyphausen.
[17] circumferentz: Umkreis.
[18] schampffierdte: abgetrennte.
[19] BOLL, Chronik der Vorstadt Neubrandenburg, S. 150.
[20] [Burg] Stargard [Kr. Neubrandenburg]; HHSD XII, S. 12f.
[21] BOLL, Chronik der Vorstadt Neubrandenburg, S. 151ff.
[22] amasia: Geliebte.
[23] BOLL, Chronik der Vorstadt Neubrandenburg, S. 155.
[24] TOEGEL, Der schwedische Krieg, S. 393.
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