Crailsheim [Kreilßheim], Bernholf [Bernhold, Bernulf] von

Crailsheim [Kreilßheim], Bernholf [Bernhold, Bernulf] von; Obristleutnant, Hofmarschall [1595-16.11.1635 bei Wallerfangen] Crailsheim entstammte der fränkischen Reichsritterschaft.

Er war wohl schon im Böhmischen Krieg aktiv und Mitglied in einem von Johann Ernst I. (dem Jüngeren) Herzog von Sachsen-Weimar am 21.7.1621 im Lager von Waidhaus[1] gestifteten Militärordens.[2]

Er war wahrscheinlich 1630 in schwedische Dienste getreten und hielt sich als Hofmarschall Gustav II. Adolfs in der unmittelbaren Umgebung des Königs auf.

„Anfang Oktober traf dann eine weitere Gesandtschaft [vorausgegangen war die Gesandtschaft Philipps von Liebenstein; BW] des Königs, der Hofrat Martin Chemnitz, in Bayreuth[3] ein, und bald folgte Oberstleutnant von Crailsheim, dessen bevorstehende Ankunft der schwedische König schon Ende September von Schleusingen[4] aus dem Markgrafen [Christian v. Brandenburg-Kulmbach/Bayreuth; BW] angekündigt hatte. Er kam am 11. Oktober zur Audienz.

Soweit waren die Verhandlungen also sehr einseitig geführt worden. Immer wieder hatte der König die Initiative ergriffen, der Markgraf aber hatte sich ausweichend und passiv verhalten. Er sah wohl die notwendige Entscheidung auf sich zukommen, aber er wollte auf alle Fälle keinen übereilten Schritt tun, auch mag ihn, mehr als die anderen evangelischen Stände Frankens, der Gedanke geleitet haben, daß unbedingt alle gemeinsam handeln müßten. So zögerte er, während andere handelten oder sich dazu anschickten. Ehe er irgendwelche bindenden Schlüsse faßte, wollte er sich erst durch fleißige Kommunikation mit allen anderen Ständen des Kreises, auch den katholischen, ein klares Bild der Lage machen, wollte Konsequenzen erwägen, und er wollte vor allem erkennen, was ihm der Schwede zu bieten habe und was er selbst ihm bieten müsse. Und in seinem tiefsten Herzen mußte er sich vor allem erst von seinem Herrn, dem Kaiser, losringen.

Dabei stand er während der entscheidenden Wochen unter einem ungeheueren politischen Druck, der nicht nur von außen, vom Kaiser und vom Schwedenkönig, auf ihn wirkte, sondern auch von innen aus dem Kreis seiner Räte und vertrauten. Während nämlich sein Kanzler Urban Kaspar von Feilitzsch, ganz in den Fußstapfen seines Herrn und Meisters wandelnd, stets vorsichtig lavierte und jedes Risiko vermeiden wollte, war der Erbmarschall und Landschaftsdirektor [Hans Heinrich; BW] von Künßberg, ein entschlossener Schwedenfreund, für schnelles und entschiedenes Handeln. War Kanzler von Feilitzsch der Typ des Hofmanns und Diplomaten, den der Fürst immer dort brauchte, wo Ausgleich und ‚Moderation‘ nötig waren, so trat ihm in Erbmarschall von Künßberg der echte Sproß eines alten, trutzigen evangelischen Rittergeschlechts gegenüber, der, sicher gereizt durch verschiedene Maßnahmen des Bischofs von Bamberg gegen seine Verwandten, geneigt war, den gordischen Knoten mit dem Schwert durchzuschlagen. Beide Männer standen Christian nahe und machten ihren Einfluß auf seine Politik geltend. Aber was konnte von Feilitzsch schließlich noch an wichtigen Argumenten für eine fortdauernde Neutralität vorbringen. Alle Ereignisse dieses Jahres hatten doch von Künßberg rechtgegeben, und er konnte vor allem geltend machen, daß eine Allianz mit den Schweden eine ungeheuere Vereinfachung, wenn nicht die Lösung aller schwebenden Probleme sei. Auch mochte er darauf hinweisen, daß man bei versuchter Behauptung der Neutralität endgültig zwischen die Fronten geraten werde. Die große Zeit des Kanzlers von Feilitzsch ging nun zu Ende, und der Erbmarschall von Künßberg trat in den Vordergrund“.[5]

Crailsheim war auch bei dem Einzug Gustav II. Adolfs am 10.5.1632 in Landshut[6] dabei und wurde im Jesuitenkolleg einquartiert: „Weniger hohe und gesittete Gäste als die Residenz [in der Horn und Hepburn einquartiert waren; BW] mußten die Jesuiten in ihren Mauern aufnehmen. Die ihnen von Hebron [Hepburn !, BW] bei einem kurzen persönlichen Besuch zugesicherte Unverletzlichkeit […] war in der Praxis nicht ganz frei von Ausnahmen. Bei den Jesuiten hatte sich nämlich der schwedische Hofmarschall, ein ansonsten nicht ungebildeter Mann […] mit dem königlichen Truchseß [Truchsess v. Wetzhausen; BW] einquartiert. Der Hofmarschall zeigte sich anfangs ganz umgänglich, als man ihm aber das geforderte Geschenk verweigern mußte, änderte sich sein Verhalten derart, daß er sich zornig vom Essen erhob und unter schlimmsten Drohungen in seine Kammer stürzte. Nach einer unruhigen Nacht suchten sich die Jesuiten ihres Kummers zu entledigen, indem sie 100 Taler aufbrachten und diese samt einer kunstvollen Uhr […] dem Hofmarschall schenkten. Jener nahm das Überreichte in Empfang, führte aber als Zugabe […] noch sechs Pferde mit sich fort, die vom Ingolstädter[7] Kollegium hergebracht worden waren, dazu ein Zugtier, ‚das uns zustand‘ […). Während des Essens, so der Bericht der Jesuiten zum Jahr 1632, kamen der Hofmarschall und der Truchseß einmal auf jenen bekannten Pariser ‚Doktor‘ zu sprechen, der auf der Totenbahre über seine Verdammnis wehklagte – eine Geschichte, der die beiden große Glaubwürdigkeit zumaßen. Die Frucht solcher Gespräche und der genannten Geschenke […] bestand darin, daß das Kollegium von jeder späteren Plünderung und jedem Überfall verschont blieb. Es geschah sogar, daß der königliche Hofmarschall unverzüglich mit gezücktem Schwert auf einige schwedische Soldaten eindrang, die sich heimlich hereingeschlichen hatten, und sie hinausjagte“.[8]

Crailsheim hielt sich auch in der Nähe des Königs auf, als dieser in der Schlacht bei Lützen[9] fiel. „Der nüchternste und zuverlässigste Bericht stammt wohl von Gustav Adolfs Hofmarschall Bernholf von Crailsheim: … ‚in welcher charge I. M. [alsbalden] der linke arm über dem gelenk zu stücken geschossen, [wie auch das Pferd durch den hals], und von dem feind verfolget und wegen gedachten nebels von den Truppen wegkommen … in welcher folge denn I. M. erstlich wiederum in den rücken durch den leib geschossen, darauf Sie vom pferde gefallen [auf den boden], hernach noch einen schuss recht durch den kopf [und 2 stössen den leib] bekommen [folgendes von dem feinde ausgezogen worden] …‘. Crailsheim befand sich im engeren Gefolge des Königs und wachte nach der Schlacht über den Leichnam. Der Page des Hofmarschalls, der 18jährige Nürnberger Patriziersohn Augustus von Leubelfing, welchen Conrad Ferdinand Meyer in ein Mädchen verwandeln sollte, versuchte noch, des Königs Arm zu verbinden und ihm dann wieder aufs Pferd zu helfen, als die kaiserlichen Kürassiere über sie herfielen. Leubelfing wurde tödlich verwundet, sein Grabstein ist in Naumburg[10] noch zu sehen“.[11] Der schwedische Kriegstrompeter Teitt erinnert sich: „So ist Ihr Kön: Mttn. auß dero tapfferen heroischen gemüth den negsten wegk auff den feindt zugangen undt erst sich in Naumburgk logieret, welches war den 29. octobris. Weil sich dann der feindt colligiret und vernohmen, daß Ir. Kön: Mttn. in der nähe im anzugk weren und sich resolviret, mitt dem feindt ein treffen zu thun, haben sie sich zusammen gemacht und erwartet, was Ihr Kön: Mttn. machen wollen, denn der feindt hat sich deß nit vermuttet, daß Ihr Kön: Mtth. in praesentia were beij der armada gewesen. Weil dann Ihr Kön: Mtth. sich in sinn gefasset und resolviret, mit dem feindt ein treffen zuthun, alß ist Ihr Kön: Mtth. mitt der ganzen armada den 5. novembris aufgebrochen undt dem feindte under die augen gegangn. Der feindt aber retteriret sich sächtiglich zue seinem forttel in einer kleinen stadt mit nahmen Lützen, zwo meil von Leipzig[12] in Meißen gelegen, und aldar ein standt genohmen. Ihr Königl. Maijtten aber folgten allmehlich und sächtlichen nach biß zue derselbigenn stadtt, da dann den 6. novembris die bluttige schlacht [Bl. 13r] angegangen. Weil es aber sehr neblicht wetter war, haben Ihr Kön: Mth. des feindes volck nicht wol können recognosciren, sondern sindt mit dero armada immer neher auf den feindt gegangen, biß das der feindt mit seinen stücken on unterlaß auff die königl. armada gespielet, daß also Ihr Kön: Mitt nicht lang zeith gehabt zuseumen. Ist derowegenn zue dem fußvolcke geritten und ihnen mannlich also zue gesprochen: Ihr alten deutschen brüder, last sehen, fechtet woll umb der freijen deutschen libertet undt das ware evangelium willen. Ich will beij euch auffsezen leib, gutt und blutt. Verhoffe, daß Gott unß allen helffen wirdt. Undt die schweden ermahnet er umb Gottes willen, daß sie sich wol halten sollen und ihr vaterland bedencken undt redlich fechten. Darauf Ihr K: Maijtt ferner gesprochen: Ich wil euch alle so recompensiren, daß ihr ursach sollet haben, mir darvor zue dancken. Wo Ihr aber nicht fechtet, so soll keines beins vonn euch wieder in Schweden kommen. Darauff dann Ihr Königl. Maijth ein glücklich valete gesprochen: [Bl. 13v] Gott bewahre euch alle. In dem haben sie zu sich erwehlet vier, die auff seinen leib warten sollen. Nemblich hertzog Frantz Albrecht von Sassen Lauenburgk, den hoffmarschalk Bernolff von Kreilßheim, ein fränckischen vom adel, und einem mechelnburgischen vom adel, mit seinem zunahmen Molck, ein maior, undt seinem leibknecht mitt nahmen Anders Jönson. Darauff dann freudigh angefangen zusingen: Jesus Christus, unser Heijlandt, der den todt uberwandt p. In dem so kommen die crabaten auf den rechten flügel undt scharmützieren mit den schwedischen unnd finnischen reuttern. Ihre Kön: Maijth aber commandireten den hoffmarschalck und den maior Molck vonn sich undt köntten dann Ihr Kön: Mtth. nichtt wieder antreffen, weil es so ein finsterer undt dicker nebel wahr, sambt dem rauch von der stadt undt pulver. So blieb nun der Herzogk undt der leibknecht allein beim König. In dem so kommen Ihr Kön: Mttn. zu den schmålendischen reuttern, des Friderich Steenbocks regimentt, unndt [Bl. 14r] siehet, daß die kürißier auff sie drengen wollen. Ihr Kön: Maijtn aber treffen persönlich mitt dem regiment, weill dessen obrister in den fuß war geschossen, undt führet sie ohne wapffen an, in lederm koller und liedern hosen angezogenn. In diesem treffen mit den schmålendischen reutern sindt Ihr Kön: Maijth geblieben undt sein pferdt war in den halß geschossen. Daßelbe kam wiedder mit den pistolen undt die eine pistole wahr bluttigh. Alß das pferdt wieder kam, da machet man ein muthmaßung, daß Ihr Kön: Mttn. geblieben weren. In zwo stunden darnach hat man Ihr Kön: Maijttn leib, und die kleider davon außgezogen, gefunden, mit zehen wunden geschossen, gehawen, verwundt und mit drei bluttigen hembden angezogen. In dem Ihr Kön: Mtth. war geblieben, verlohr die sonne ihren schein und schiene nicht mehr biß in die vierde woche. Undt der dicke nebel blieb auch etliche wochen bestehen. Also endeten Ihr Königl. Maijttn. mit grossem rhumb sein leben vor das liebe [Bl. 14v] evangelium, daß auch das firmament des himmels ein anzeigung uber des großmechtigen königs trübseligen abgangk undt hinfall gegebenn. Ob nun gleich Ihr Kön: Mttn dero leben ritterlich gelassen, seindt doch die soldaten nicht erschrocken gewest, sondern den feindt wie die lewen angefallen undt Ihnen die stücke abgenohmen undt den feindt geschlagen. Der general Pappenheimb ist auch auffs lezte mitt seinen troppen darzue gekomen unndt beßer wollen machen alß der Wallsteiner. Ist aber auch so empfangen wie die andern, hat auch gleichsfals mit seinem leben bezahlen müssen. Und seindt also durch Gottes gneedige hülffe außm freijen feldte geschlagen. Des feindtes armada ist geschetzet auff 46000 man unndt Ihr Kön: Maijttn auff 16000 mann. Es seindt des feindes stücken geblieben 18 halbe carthaunen undt alle Ihr munition waagen sambt 25 fänlein. Die unßerigen haben verlohren 33 fähnlein. [Bl. 15r]“[13]

[1] Waidhaus [LK Neustadt/Waldnaab]; HHSD VII, S. 781.

[2] HEERMANN, Beytrag, S. 334.

[3] Bayreuth; HHSD VII, S. 77f.

[4] Schleusingen [Kr. Suhl]; HHSD IX, 382ff.

[5] STICHT, Markgraf Christian, S. 125f.

[6] Landshut; HHSD VII, S. 386ff.

[7] Ingolstadt; HHSD VII, S. 326ff.

[8] EBERMEIER, Landshut, S. 41f.

[9] Lützen [Kr. Merseburg/Weißenfels]; HHSD XI, S. 286f. Schlacht bei Lützen am 16.11.1632 zwischen den Schweden unter Gustav II. Adolf (18.000 Mann) und den Kaiserlichen (16.000 Mann) unter Wallenstein. Die für die Schweden siegreiche Schlacht endete mit dem Tod Gustav Adolfs und dem Rückzug Wallensteins, der etwa 6.000 Mann verloren hatte, nach Böhmen. Nach Lützen schlug Wallenstein keine Schlacht mehr. Vgl. dazu HAPPES ausführliche Schilderung und Reflexion der Ereignisse [HAPPE I 295 v – 302 r; mdsz.thulb.uni-jena]. Vgl. SIEDLER, Untersuchung; STADLER, Pappenheim, S. 729ff.; WEIGLEY, Lützen; BRZEZINSKI, Lützen 1632; MÖRKE, Lützen als Wende; WALZ, Der Tod, S. 113ff.

[10] Naumburg [Kr. Naumburg]; HHSD XI, S. 341ff.

[11] JUNKELMANN, Gustav Adolf, S. 457f.

[12] Lützen [Kr. Merseburg/Weißenfels]; HHSD XI, S. 286f.

[13] http://www.amg-fnz.de/quellen/teitts/ed.htm: Jöns Månsson Teitts Kriegszüge.

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