Baving, Hermann SJ; Provinzial, Rektor [1574 – 1644] Hermann Baving [Bavingk] war 1625-1626 Provinzial der ungeteilten, 1626-1631 der neuen Niederrheinischen Provinz, bis 1632 Rektor des Paderborner Jesuiten-Kollegs und 1639 Rektor in Köln.
„Besonders bemerkenswert sind die Klagen über den Rittmeister Heuwinkel aus Salzuflen,[1] der seinen Chef, den Herzog [Christian; BW] von Braunschweig, in der Art der Kriegführung mit großem Eifer nachgeahmt zu haben scheint. Nachdem er früher anderswo, einmal auch in Bayern, Kriegsdienst getan hatte, sammelte er trotz des Verbotes des Grafen Simon im Januar 1622 in Salzuflen eine Kompagnie Reiter, die er dem Herzog Christian zuführen wollte. Noch ehe nun letzterer in die Stadt Paderborn[2] einzog, sah sich der Rektor des dortigen Jesuitenkollegiums, Hermann Bavingk infolge der dortigen Protestantenpartei genötigt, mit drei anderen Jesuiten die Stadt zu verlassen. Sie wandten sich zunächst nach dem Lippischen und wollten in Salzuflen den ihnen befreundeten Lizentiaten Justus Reinhard Robbing besuchen. Zwischen Schötmar[3] und Uflen aber, wo sie nach dem Wege fragten, wurden sie als Jesuiten erkannt und ihre Ankunft dem Rittermeister Heuwinkel verraten. Dieser überfiel sie mit einigen bewaffneten Leuten in Robbigs Hause beim Frühstück und erklärten sie für Gefangene des Herzogs von Braunschweigs. Sie wandten sich vergebens an den Bürgermeister und Rat von Salzuflen, welche die Gewalttat Heuwinkels nicht hindern konnten, vielleicht auch nicht den rechten willen dazu hatten. Mit Gewalt wurden die Jesuiten nach dem Hause Johann Wippermanns gebracht und dort bis zum folgenden Morgen festgehalten. Heuwinkel erklärte, daß er sie nur gegen Zahlung von 500 Tlrn. loslassen werde. Da die Jesuiten, wie sie später schrieben, den Grafen Simon nicht mit einer Beschwerde belästigen wollten und überdies fürchteten, daß sie, wenn sie hier freigelassen würden, auf der Weiterreise von neuem festgenommen werden möchten, so reisten sie unter Bewachung Heuwinkels und seiner Genossen ab, um jemand zu suchen, der ihnen die verlangte Summe vorstrecke. Hierzu erbot sich denn auch in Halle i. W.[4] ein adeliger Herr, Heinrich Korff, mit Beinamen Smisingk, auf Tatenhausen.[5] Heuwinkel ließ trotz vieler Bitten nichts von der verlangten Summe nach und erzwang die Bescheinigung, daß ihm das Geld geschenkt sei. Da die Jesuiten hörten, daß ihnen schon wieder andere von Bielefeld[6] gekommene Reiter auflauerten, so verlangten sie, daß sie wenigstens sicher nach Osnabrück[7] geleitet würden. Heuwinkel versprach dies, brachte sie aber selbst nur bis Melle[8] und ließ sie hier in einer stürmischen Winternacht auf einen Wagen laden und nach Osnabrück weiterfahren. Nebenher gestatteten sich seine Genossen auch noch kleinere Erpressungen, er selbst verlangte bald darauf auch noch 50 Tlr. mehr und erzwang schließlich die Auszahlung der ganzen Summe von dem Sekretär des Herrn von Tatenhausen durch die Drohung, daß er bei längerer Weigerung dessen Haus in Brand stecken werde. Dies etwa ist der Inhalt des in lateinischer Sprache verfaßten Klageschreibens, in welchem die Jesuiten vom Grafen Simon Schadenersatz und Bestrafung der dabei vorgefallenen Beleidigungen ihres Freundes Robbig und Sr. Majestät des Kaisers verlangten. Es fällt dabei auf, daß diese Klage erst im August, also über ein halbes Jahr später, von Paderborn aus erhoben wurde. Ob sie bis dahin durch die Kriegswirren und ihre Abwesenheit von Paderborn daran gehindert waren oder ob sie erst durch die inzwischen in Paderborn eingerückten Spanier zur Erhebung der Klage ermutigt wurden, muß dahingestellt bleiben. Wenn nun auch in der einseitigen Darstellung der Kläger diese oder jene Einzelheit übertrieben und entstellt sein mag, ein unrechtmäßiger Gewaltakt lag auf alle Fälle vor. Die Verhandlungen darüber zogen sich sehr in die Länge. Heuwinkel beanspruchte die Summe für den ‚Unterhalt und Schutz‘ der Jesuiten, seine Genossen beteuerten natürlich ihre Unschuld, und auch Bürgermeister und Rat von Salzuflen waren sich nicht des geringsten Unrechts bewußt; sie behaupteten, sie hätten sich vielmehr nach Möglichkeit der Jesuiten angenommen, und einer von ihnen hätte expreß gesagt, sie hätten Gott zu danken, daß sie in eine solche Stadt gekommen, da ihnen Schutz widerfahren sei.
Zur Charakteristik der beteiligten Personen dient vielleicht auch folgender Brief, welchen der Rektor des Jesuitenkollegiums während jener Verhandlungen an Heuwinkel richtete: Gestrenger und mannhafter Herr Rittmeister ! Den Frieden Jesu Christi wünsche ich E. Gestr. von Hertzen. Wiewole zwischen uns vor etlichen Monaten zu Saltzuffeln unterschiedliche saure und süße Sachen vorgeloffen, habe ich doch auß christlicher guthertziger Affektion nit können unterlassen E. Gestr. mitt diesem Schreiben zu besuchen und zu grüßen, sondern diweil ich von Zeigern verstanden, daß E. Gestr. mitt Leibeskranckheit behafft sein dermassen, daß die Kranckheit je lenger je gefärlicher werden möchte. Es wird sich E. Gestr. wissen zu erinnern, wie wolmeintlich ich mitt derselben von Glaubens- und Gewissenssachen auff derselben Reiß discurrirt und zwar mir zu derselben Zeitt sonderlich wolgefallen, wie daß E. Gestr. im Herzogthumb Bayern ein gute Affection geschepffet zu dem alten alleinseligmachenden wahren catholischen Glauben, indem sie alda eine sonderbare Andacht unter dem gemeinen Volck gespüret. Warhafftig hat der liebe Gott deß herrn Rittmeisters Hertz vetterlich zu dero Zeitt gerüret und wollen süsiglich zu sich ziehen. Ist aber itzunder noch nicht zu spät. Dan in welcher Stund der Sünder sich zu Gott durch daß innerliche Seuffzen und wahre Buß kehren wird, wird der Herr sich widerumb zu dem Sünder neigen. Ich wollte, daß ich Gelegenheit hette gegenwertig mitt dem Herrn Rittmeister von seiner Seelen Seligkeit zu handlen, würde sich gewißlich in Ewigkeit meiner bedanken. Welchs dieweil vielleicht nit geschehen kan, schlage ich Euch diese richtige und wahre Mittel vor, welche zur Seligkeit durchaus vonnöten sein. Erstlich zwar, daß Ihr, so viel den Glauben antrifft, Euch gentzlich vornemmet in dem Glauben zu leben und zu sterben, in welchem Ewere liebe Voreltern vor hundert und mehr Jahren gelebt haben und gottseliglich gestorben sind, zum anderen, daß Ihr von Gott dem Herrn durch daß bitter Leiden und Sterben Christi Jesu demütig begheret wahre Rew und Hertzenleid aller Ewer von Jugent an biß auff diese Zeit begangener Sünd, mit steiffen Vorsatz, dieselbe durch wahre Mittel der heiligen Sacramenten in der wahren catholischen Kirchen abzubüssen. Zum dritten, daß E. Gestr. wollen bey ihren Lebzeiten durch sich selbst oder aber nach ihrem Leben durch andere brave Leut widerumb richtig machen, welchs sie in einem unrichtigen Krieg oder auff andere unrichtige weiß möchten zu sich gebracht haben an fremdem Gelt und Gut. Waß unser Collegium angehet, muß ich zwar wol zufrieden sein mit dem, was E. Gestr. Uns anpräsentiert, weil ich dieselbe nit beghere in dieser Schwachheit weiter zu betreiben, aber daran zweiffle ich, ob der gerechte Richter im Himmel damit wird zufrieden sein. Hette auch villeicht von dieser Ransionierung nichts widerumb gefordert, wenn man uns, da wir in der Nacht von Melle nacher Oßnabrug zugen, gehalten hette, waß man uns von Convoy dreier Reuter verheissen hatte. Ich zwar verzeihe dem Herrn Rittmeister samptt meinen Gesellen von Grund meines Hertzens und wünsche auch, daß sie auch vor Gott dem Almechtigen im Abscheiden von dieser Welt ein gnediges Urtheil mögen erlangen. Die gefangene Patres, welche mitt dem Lager von der Lippstatt weggefürt und itzunder widerumb zu Paderborn sein, lassen E. Gestr. von Hertzen dem gecreutzigten Christo Jesu, unserm Seligmacher, trewlich und demütig befhlen. Geben zu Paderborn auß dem verwüsteten Collegio der Societet Jesu 14. Octob. a. 1622. E. Gestr. dienstwilliger in Christo Jesu Hermannus Bavingk auß der Societet Jesu.
Wie aus einem weiteren Schreiben Bavingks vom 4. November hervorgeht, hatte Heuwinkel den obigen Brief freundlich beantwortet. Seine Gesundheit war einigermaßen wiederhergestellt, auch die Freundschaft zwischen beiden so weit gediehen, daß Bavingk zur Stärkung ein ‚Trunklein Paderbornischen Bieres‘ übersandte, natürlich mit ähnlichen Ermahnungen, wie im vorhergehenden Briefe. Heuwinkel muß aber doch bald darauf unbekehrt gestorben sein, denn schon in den folgenden Monaten wurde der Prozeß gegen seine Erben, die Kinder seiner Schwester, wie auch gegen seine Genossen resp. deren Angehörige, ganz unbemittelte Leute, mit solcher Hartnäckigkeit fortgesetzt, daß es einmal sogar ihrem Vertreter, dem paderbornischen Oberstleutnant Blanckart, zu viel geworden zu sein scheint. Nach einem Schreiben vom 5. März 1623 waren die Jesuiten endlich durch Zahlung von 200 Tlrn. und Bürgerschaft für den Rest zufriedengestellt“.[9]
Tilly[10] muss von dem seit Anfang 1628 existierenden Reformplänen des kaiserlichen Beichtvaters Lamormaini gewusst haben, der vier neue Jesuitenprovinzen – eine westfälische, niedersächsische, obersächsische und brandenburgische – errichtet haben wollte. Rund 80 Kollegien sollten dabei aus den Erträgen restituierter Kirchengüter finanziert werden, um neue Schulen, Seminare und Universitäten zu errichten,[11] was auch die Zustimmung Urbans VIII. fand.[12] Zunächst war dieser Plan geheim gehalten worden; selbst der durch seinen Beichtvater über genügend Zuträger in der SJ verfügende Nuntius Carafa, dem der größte Teil der Nordischen Missionen unterstand,[13] hatte erst am 16.2.1628 davon erfahren.[14] Ordensgeneral Vitelleschi[15] hatte den Rektor des Hildesheimer[16] Jesuiten-Kollegs, P. Turrianus, der zumindest seit 1625 engen Kontakt mit Tillys Beichtvätern gehalten hatte, beauftragt, die Errichtung von Kollegien und Seminarien sorgfältig zu bedenken,[17] der seinerseits Tillys Beichtvater P. Mauritius informiert hatte.[18]
Dieser erreichte es, dass der Generalleutnant Urban VIII. von den Plänen unterrichten sollte. In Tillys Namen wurde ein von Turrianus formulierter Brief – der zudem noch von dem Provinzial der niederrheinischen Provinz Baving, dem bewusst war, dass es ohnehin zur Neuaufteilung der Provinzen kommen würde, überprüft worden war[19] – an Urban VIII. geschrieben, der im Juni 1628 abgehen sollte. Der Papst, ein kleiner, leicht erregbarer und redseliger Mann, der sich im Vatikan von spanischen Spionen umgeben fühlte, war prinzipiell für die Rückgabe der Klostergüter an die alten Orden und gegen eine Übergabe an die SJ eingetreten, was auch Baving wusste. Baving hatte daher am 24.5. empfohlen, die SJ namentlich nicht zu erwähnen, sondern auf die besondere Situation im protestantischen Niedersachsen zu verweisen – bereits im Frühjahr 1628 waren Rundschreiben Friedrich Ulrichs zur Rechtsbelehrung an alle Klöster seines Territoriums ergangen, allgemeine politische Richtlinien zum Verhalten gegenüber kaiserlichen Kommissaren und Ordensangehörigen ließ er Ende Oktober an den Abt von Bursfelde[20] und die Pröpste des Calenberg-Wolfenbüttel’schen Teils ausgehen[21] – , doch sollten das Tilly und Turrianus entscheiden. Baving hatte allerdings die Bereitschaft der SJ herausgestellt, das Kreuz des Herren und die Schlüssel Petri unter dem Schutz von Tillys Truppen überall zu verteidigen. Tausende seien bereits im Stift Hildesheim in wenigen Jahren zum alten Glauben zurückgeführt worden – in Siegen[22] waren die Einwohner erst nach schweren Drohungen und Strafen konvertiert[23] – ; alle Altersgruppen könnten bekehrt werden, wenn Schulen, Kollegien und Seminare rechtzeitig errichtet werden könnten. Am 30.5. war der Briefentwurf durch Turrianus dem P. Mauritius in Stade[24] übermittelt worden.[25] Dem Inhalt zufolge sollte Urban VIII. die SJ in dieser Angelegenheit unterstützen, später habe der Papst immer noch Gelegenheit, nach eigenem Gutdünken die den Häretikern abgenommenen Güter zum Wohle der Kirche – und damit erst den Wünschen der anderen Orden entsprechend – einzusetzen.[26]
Am 31.8. hatte der Generalleutnant Ferdinand II.[27] geschrieben, das Erzstift Bremen – Anfang 1628 hatte der Kaiser Maximilian I. noch versichert, das Erzstift werde für das Haus Wittelsbach reserviert[28] – und Stade hätten sich in kaiserliche Devotion ergeben; es handle sich nun darum, „Gott […] die verfürte selen durch den allein seligmachenden cath. Glauben, sonderlich unter dieser geistlichen jurisdiction vor allen dingen wiederumben zu gewinnen“. Er schlug dem Kaiser, den die „Sancta Congregatio de Propaganda Fide“ zwar als zweiten Konstantin gewürdigt hatte,[29] dem es aber nach ihrer Auffassung als „inferior Papae“ nicht zustand, über Klöster zu verfügen und Kirchengüter zu verpfänden,[30] und der als staatliche Gewalt erst dann eingreifen dürfe, wenn der kirchlichen Gewalt nicht gehorcht würde,[31] vor, die dem Prämonstratenser-Orden entzogenen Klöster der SJ zur Gründung von Kollegien in Stade, Minden,[32] Lüneburg[33] und Verden[34] zu übergeben.[35] Tilly hatte bei Urban VIII. die Gründung dieser Kollegien angeregt und diesen um Unterstützung beim Kaiser gebeten. Die restituierten Kirchengüter der Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstratenser sollten dafür verwendet und die Leitung der Kollegien Jesuiten übertragen werden, da diese „mit Eifer, Liebe und Wirklichkeitssinn (attualità) besser als andere geeignet sind“.[36] Auch der Dominikaner und Inquisitor in Köln, Morelles, hatte davon gesprochen, dass der Mangel an brauchbaren Geistlichen seine Ordensbrüder auf den Gedanken gebracht habe, einige Klöster als Seminarien und Schulen für die SJ zur Erziehung gut katholischer Priester einzurichten.[37] Dass die SJ bevorzugt wurde, mag mit der Form der „nachgehenden Seelsorge“, bei der die Untertanen in ihrem Lebensbereich aufgesucht wurden, mit der Predigt und Katechese sowie der beeindruckenden Ausgestaltung liturgischer Handlungen (Gottesdienst, Prozessionen, Wallfahrten, Heiligenverehrung) zusammengehangen haben.
Trotz der kaiserlichen Antwort, die nicht mehr war als eine Empfangsbestätigung,[38] fühlte sich Tilly, der jedoch die von Kurfürst Ferdinand geforderte Exekution gegen Dortmund[39] abgelehnt hatte,[40] in seinem Vorhaben gestärkt und verfasste am 26.10. eine ausführliche Schilderung der Situation in den Bistümern Verden, Bremen und Minden.[41] Beunruhigt war er allerdings durch die zunehmende anti-kaiserliche Propaganda, wie sie sich vor allem in Emden und Ostfriesland im Sinne der Generalstaaten in Flugblättern verbreitet wurde,[42] nachdem er bereits Anfang 1628 in einem Memorial zur Verschonung Ostfrieslands mit weiteren Quartierlasten angemahnt worden war, um eine unter dem Einfluss der Generalstaaten mögliche Rebellion zu verhindern.[43] In seinem Schreiben an Ferdinand II. hatte er zugegeben, das Prämonstratenser-Kloster den Jesuiten zugewiesen zu haben; die Zuwendung anderer Klöster stellte er in das Belieben des Kaisers.[44] Die Besitzungen der Klöster Himmelpforten,[45] Neuenwalde[46] und Lilienthal[47] sollten für die Ausstattung eines in Stade zu errichtenden Jesuiten-Kollegs verwendet werden. Am 20.10. hatte er sich deswegen an Urban VIII. gewandt, am 27.11. war Baving zu entsprechenden Gesprächen in Stade erschienen. Der Sekretär der Bursfelder Kongregation, der Abdinghofer[48] Mönch Benedikt Binholt, hatte am 10.11.1628 von der angeblichen Rekonziliierung des Domes in Bremen, vom Anwachsen der Gläubigen im Bremischen – durch Befreiung von Kriegssteuern ! – und Hersfeldischen berichtet.[49] Seine geschönte Darstellung habe dem Papst und den Kardinälen so gefallen, dass sie Dankschreiben an Tilly und Davensberg in Auftrag gegeben hätten.[50] Allerdings lehnte Anfang Dezember 1628 der Reichshofrat jedoch das Ansinnen Tillys ab,[51] wie der Extremist unter den Ordensleuten, Schönhainz, aus Wien seinen Amtskollegen mitteilen konnte, der ohnehin die Überlassung der Klöster mit Einkünften zwischen 2.000 und 3.000 fl. und der Frauenklöster an die SJ nach dementsprechenden Äußerungen Lamormainis befürchten musste.[52] Am 14.12. erklärte Ferdinand II., dass das Liebfrauenkloster, das Prämonstratenser-Stift St. Georg,[53] das Franziskanerkloster und eine Beguinen-Klause, „welche nach besagten Paßawischem vertrag von denen Uncatholischen occupirt worden, denen Ordinibus welchen dieselbe zuvor zugestanden und entzogen worden, zu restituirn und derselben Guetter denen Fundationen zuwider in andere Usus gar nicht verwenden zulassen“.[54]
Hye, Eiling und der Hildesheimer Advokat Melchior Martini vollzogen als servile Diener ihres Herrn das Restitutionsedikt Anfang 1630 in Goslar.[55] Auf Wunsch Bavings wurde eine Residenz der Jesuiten begründet, die mit dem Vermögen der Kollegiatstifte „Simon und Judas“ sowie „Petersberg“ ausgestattet wurde. Die notwendige Übereinkunft zwischen Ferdinand II. und Urban VIII., mit der Kurfürst Ferdinand operierte, wusste er zur eigenen Legitimation mit der Abschrift einer Mitteilung des Kölner Dominikaners und Inquisitors, Morelles,[56] vom 26.1. 1630 aus Rom zu untermauern, was letztlich jedoch fingiert war.[57] Dessen Vermittlung in Rom war aber nicht nach den Vorstellungen Franz Wilhelm von Wartenbergs ausgefallen,[58] der nur von Carafa Unterstützung erfuhr.[59]
Vitelleschi verlangte von Larmormaini die entschiedene Intervention gegen diese Eigenmächtigkeit,[60] während Wartenberg ihr Vorhaben mit einem „Extractus ex litteris Patris Morelles“ als Willen des Papstes legitimierte. Allerdings hatte Wartenberg dessen Vorstellungen schon 1628 falsch eingeschätzt, als er glaubte, die Inkorporation Walkenrieds[61] für sein Seminar „per viam secretam“ und durch ein „motu proprio“ des Papstes, der ja auf der Rückgabe der Klostergüter an die alten Orden bestand, erreichen zu können.[62] Ferdinand von Köln selbst hatte Wartenberg gebeten, Morelles‘ Bemerkungen geheim zu halten und selbst Hye nicht zu informieren.[63] Der getäuschte Hye und Baving gingen gemeinsam vor, um eine Jesuitenschule als erstes Seminar zu errichten, in dem katholische Geistliche zum Einsatz in Westfalen und Sachsen ausgebildet werden sollten.[64] Baving erinnerte Wartenberg im März 1630, dass Ferdinand II. zur Gründung der Schule die Einkünfte von Wöltingerode[65] und zur Gründung einer Universität in Goslar[66] die Einkünfte von Gernrode bestimmt habe.[67] Wöltingerode war noch im Juni 1630 von zwei Zisterzienserinnen-Nonnen und drei Novizinnen aus Teistungenburg (Eichsfeld)[68] besiedelt worden.
Baving war unterdessen auf Wunsch Lamormainis von Juli bis November 1630 zum Regensburger Kurfürstenkonvent gereist.[69] Im Juli traf er dort mit dem kaiserlichen Beichtvater, Tillys Vertrautem P. Mauritius und dem Sekretär Ferdinands von Köln, P. Georgius SJ, zusammen, um das weitere Vorgehen in Goslar zu erörtern.[70]
[1] Bad Salzuflen [LK Lemgo]; HHSD III, S. 48.
[2] Paderborn; HHSD III, S. 601ff.
[3] Schötmar, heute Ortsteil von Bad Salzuflen [LK Lippe].
[4] Halle i. W. [LK Halle/Westf.], HHSD III, S. 282.
[5] Tatenhausen bei Halle i. Westfalen [LK Gütersloh].
[6] Bielefeld; HHSD III, S. 73ff.
[7] Osnabrück; HHSD II, S. 364ff.
[8] Melle [Kr. Melle]; HHSD II, S. 326.
[9] STEGMANN, Grafschaft Lippe, S. 9ff.
[10] JUNKELMANN, „Der Du gelehrt hast meine Hände den Krieg“. JUNKELMANN, Tilly. Eine Karriere; JUNKELMANN, Tilly. Der katholische Feldherr; KAISER, Politik.
[11] REPGEN, Kurie I/1, S. 177; BIRELEY, Maximilian von Bayern, S. 84f., der darauf verweist, dass der Beichtvater des Mainzer Kurfürsten, Reinhard Ziegler SJ (1569-1636, v. 1625-1636 Beichtvater der Mainzer Kurfürsten; DUHR, Jesuiten II/2, S. 272-275), bereits 1625 für eine durchgreifende Restitutionspolitik eingetreten sei, Maximilian I. jedoch angesichts der Kriegslage die Zeit noch nicht für gekommen gehalten habe; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kasten schwarz 769, fol. 171-181 (Entwurf): Maximilian I. an Kurmainz, München, 1625 IX 02; BA NF II/2, Nr. 105, Anm.; BIRELEY, Religion, S. 60f.
[12] RITTER, Restitutionsedikt, S. 101.
[13] Vgl. die v. GINZEL hg. Legatio apostolica, S. 35ff. Pier Luigi Carafa (1581-1655), Bischof v. Tricario, 1624-1634 Nuntius in Köln u. apostolischer Visitator in Norddeutschland, 1645 Kardinal; PASTOR, Geschichte der Päpste Bd. 13, Teil 1, S. 344f.; DBDI 19, S. 596-599; REPGEN, Konfliktlösung, S. 26ff.; ROBERG, Kölner Nuntien, S. 51ff. Carafas Beichtvater war Silvestro Pietrasanta (1590-1647) SJ, der durch seine Beziehungen über weit reichende Informationen verfügte; ROBERG, Das Wirken der Kölner Nuntien, S. 57ff.; STILLIG, Jesuiten, S. 154ff.
[14] RITTER, Restitutionsedikt, S. 90, 101.
[15] 1563-1645; Ordensgeneral der SJ seit 1615; KOCH, Jesuiten-Lexikon Bd. 2, Sp. 1822f.
[16] Hildesheim; HHSD II, S. 228ff.
[17] So auch in seinem Schreiben an Baving vom 10.6.1628; DUHR, Geschichte der Jesuiten Bd. 2, Teil 1, S. 14. Am 2.9. übermittelte Vitelleschi auch Lamormain den Befehl, Augenmaß zu bewahren u. kein Kloster „quorumcunque religiosorum“ der SJ zu überlassen; POSCH, Zur Tätigkeit und Beurteilung Lamormains, S. 328; STIEGELE, Beiträge, S. 863, 867.
[18] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 167.
[19] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 167f.
[20] Bursfelde, heute Stadtteil von Hann. Münden [LK Göttingen].
[21] BRENNEKE; BRAUCH, Die calenbergischen Klöster, S. 309f. Dass der als „blöde“ geltende Friedrich Ulrich v. Braunschweig-Lüneburg (so SEIBRICH, Gegenreformation, S. 236, Anm.) nichts v. einer Gefährdung seiner Klöster bemerkt habe u. sich Hye u. Wartenberg gegenüber (Staatsarchiv Hannover Celle Br. 49 Nr. 414, fol. 216: Braunschweig, 1629 XI 01) verhandlungsbereit gezeigt habe, erscheint allerdings mehr als fraglich.
[22] Siegen; HHSD III, S. 686ff.
[23] DUHR, Geschichte der Jesuiten Bd. 2, Teil 1, S. 95.
[24] Stade; HHSD II, S. 432ff.
[25] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 168. Vgl. STIEGELE, Beiträge, S. 866.
[26] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 168.
[27] Vgl. neuerdings BROCKMANN, Dynastie.
[28] BIRELEY, Maximilian, S. 104. Zur Verärgerung Maximilians I. über die Verleihung an Erzherzog Leopold Wilhelm vgl. FORST, Politische Korrespondenz, Nr. 255: Kurfürst Ferdinand an F. W. v. Wartenberg, 1628 V 29; ALBRECHT, Auswärtige Politik, S. 105.
[29] TÜCHLE, Acta, S. 67.
[30] TÜCHLE, Acta, S. 114, 121, 218.
[31] TÜCHLE, Acta, S. 55.
[32] Minden [LK Minden]; HHSD III, S. 517ff.
[33] Lüneburg; HHSD II, S. 311ff.
[34] Verden; HHSD II, S. 464ff. Zur Restitution im Bistum Verden ab Oktober 1629 METZLER, P. Johannes Arnoldi, S. 110ff.
[35] Österreichisches Staatsarchiv Wien Reichshofrat Religionssachen 33, fol. 14-15 (Ausfertigung): Tilly an Ferdinand II., Stade, 1628 VIII 31; BA NF II/2, Nr. 129. METZLER, P. Johannes Arnoldi, S. 102.
[36] Tilly an Urban VIII., Stade, 1628 X 20; Stade, 1629 II 02; ALBRECHT, Tilly-Briefe, S. 143ff.
[37] RITTER, Deutsche Geschichte Bd. 3, S. 424.
[38] Österreichisches Staatsarchiv Wien Reichshofrat Religionssachen 33, fol. 32-32′ (Entwurf): Ferdinand II. an Tilly, Wien, 1628 IX 26.
[39] Dortmund; HHSD III, S. 166ff.
[40] Stadtarchiv Dortmund Akten 552: Tilly an Kurfürst Ferdinand, Stade, 1628 X 02. Im April wurde Tilly erneut mit der Exekution beauftragt; Stadtarchiv Dortmund Akten 553: Krane an Kurfürst Ferdinand, 1629 IV 25; mit Schreiben Kranes an Kurfürst Ferdinand, 1629 X 30 (553), hatte man schließlich die Angelegenheit Wallenstein übergeben.
[41] Die v. KAISER, Kriegstheater, S. 286, erwähnte Visitation Tillys im Erzstift Bremen bzw. der an der Weser stehenden Truppen zur „moralischen Aufrüstung“ (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2379, fol. 381 (Ausfertigung): Ruepp an Maximilian I., Stade, 1628 IX 08) hatte noch andere Hintergründe als die Aufmunterung seiner erschöpften Truppen.
[42] Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2384, fol. 483f. (Ausfertigung): Tilly an Maximilian I., Stade, 1629 X 10.
[43] Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2379, fol. 106-107 (Abschr.): Memorial für Tilly, Februar 1628.
[44] Österreichisches Staatsarchiv Wien Reichshofrat Antiqua 122/20 (Ausfertigung): Tilly an Ferdinand II., Stade, 1628 X 26; ferner METZLER, P. Johannes Arnoldi, S. 102-103.
[45] Himmelpforten, Kloster [Gem. Niederense, LK Soest]; HHSD III, S. 325.
[46] Neuenwalde, heute Ortschaft in Langen [LK Cuxhaven].
[47] Lilienthal [Kr. Osterholz]; HHSD II, S. 296f.
[48] Abdinghofkloster, ehemaliges Benediktinerkloster in Paderborn.
[49] Archiv der Sacra Congregatio de Propaganda Fide, Vatikanisches Archiv, Rom 70, fol. 218′.
[50] Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Werden Akten III/28, fol. 16-20: Binholt an Spichernagel, Rom, 1628 XII 26; päpstliches Dankschreiben, Rom, 1628 XII 01.
[51] Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 486 Rot Nr. 86, fol. 101 (Ausfertigung): Schönhainz an schwäbische Äbte, Wien, 1628 XII 06.
[52] Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 486 Rot Nr. 86, fol. 117 (Ausfertigung): Schönhainz an schwäbische Prämonstratenseräbte, Wien, 1628 X 25.
[53] BOHMBACH, Das Kloster St. Georg, S. 36ff.
[54] Österreichisches Staatsarchiv Wien Reichshofrat Antiqua 122/20 (Kopie): Ferdinand II. an Tilly, Wien, 1628 XII 14.
[55] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11, fol. 189; FORST, Politische Korrespondenz, S. 400-403: Kurfürst Ferdinand an F. W. v. Wartenberg, 1630 I 30.
[56] 1557-1636; Regens des Studium generale der Dominikaner in Köln, seit 1618 Inquisitor; LÖHR, Die Kölner Dominikanerschule, S. 21f., 34. Morelles vertrat in Rom auch die Angelegenheiten Söterns; LUCAS, Die Kurtrierische Frage, S. 13, Anm. 65-67. Vgl. ENCICLOPEDIA UNIVERSAL ILUSTRADA 36, Barcelona 1919, S. 993; KRAUS, Annales, S. 262. BIRELEY, Maximilian, S. 132, vermutet Morelles hinter den für Kf Ferdinand verfassten Gutachten „Consilium Theologicum Cuisdam Monachi Dominicani et Celebris Professoris“.
[57] FORST, Politische Korrespondenz, S. 405f.: Kurfürst Ferdinand an F. W. v. Wartenberg, 1630 II 18; KLOPPENBURG, Die Jesuiten in Goslar, S. 155.
[58] Staatsarchiv Osnabrück Rep. 100 Abs. 375 Nr. 3, fol. 200′ (Ausfertigung): Doneux an F. W. v. Wartenberg, Rom, 1629 VIII 25.
[59] Staatsarchiv Osnabrück Rep. 100 Abs. 367 Nr. 19, fol. 79-80 (Abschrift): F. W. v. Wartenberg an Carafa, Iburg, 1629 V 09.
[60] STIEGELE, Beiträge, S. 867 (Brief vom 26.1.1630).
[61] Walkenried [Kr. Blankenburg]; HHSD II, S. 470ff.
[62] Staatsarchiv Osnabrück Rep. 100 Abs. 375 Nr. 3 fol. 103-104 (Abschrift): F. W. v. Wartenberg an Doneux, Iburg, 1629 III 07. Allerdings hatte die Propaganda den Antrag zur Einholung v. Informationen an Holste u. Carafa verwiesen.
[63] FORST, Politische Korrespondenz, 406: Kurfürst Ferdinand an F. W. v. Wartenberg, 1630 II 18.
[64] KLOPPENBURG, Die Jesuiten in Goslar, S. 152, 155.
[65] Wöltingerode [Stadt Vienenburg, Kr. Goslar]; HHSD II, S. 510.
[66] Goslar; HHSD II, S. 174ff.
[67] KLOPPENBURG, Die Jesuiten in Goslar, S. 156; SEIBRICH, Gegenreformation, S. 437. Gernrode als reichsunmittelbares Stift wurde allerdings v. Reichshofrat am 25.3.1630 ausgenommen; SEIBRICH, Gegenreformation, S. 447.
[68] Teistungenburg, Kloster [Kr. Worbis]; HHSD IX, S. 433f.
[69] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11 fol. 189; BIRELEY, Maximilian, S. 130. Dort waren neben Contzen, Ziegler, Larmormaini, Georg Schröttel – dem Beichtvater Kurfürst Ferdinands – insgesamt mehr als dreißig Jesuiten erschienen; BIRELEY, Maximilian, S. 114.
[70] Bischöfliches Archiv Hildesheim LHCH J 11 fol. 197f.