Eisdorf, Hans Warnecke von; Harzschütze [ – 1628 ?] Hans Warnecke von Eisdorf [Eistorff, Aistorff], gebürtig aus Ammensen,[1] war der Anführer einer Gruppe von Harzschützen, einer Widerstandsbewegung gegen kaiserliche-ligistische Truppen während der Besetzung des Harzes. Das Kriegshandwerk hatte er unter Joachim von Carpe(n)zon, braunschweigischem Obrist und Generalquartiermeister unter Christian von Braunschweig, erlernt.
„Außer den Erpressungen und Räubereien der regulären Truppen taten allerhand Banden und ‚Merodebrüder‘ großen Schaden. Besonders zeichneten sich hierbei die sog. Harzschützen unter dem berüchtigten Hans von Eisdorf aus. Im Juli 1627 trieben sie der Stadt [Gandersheim[2]] über 100 Kühe weg und nahmen einige Bürger mit nach dem Harze. Für beides verlangten sie 1000 Thlr. Lösegeld. Durch Verhandlungen wurde diese Summe auf 350 Thlr. ermäßigt, dafür forderten die Räuber noch ein Schutzgeld und bedrohten die Stadt bei Verweigerung desselben mit Überfall, Raub und Brand. Sie machten diese Drohungen wahr, indem sie am 14. zurückkehrten, eine Herde Schweine wegnahmen und einen Bürger dabei erschossen. Das Schlimmste war dann noch, daß die kaiserlichen Garnisonen von Bockenem,[3] Einbeck[4] und Northeim[5] behaupteten, daß die Landeseinwohner mit den Harzschützen unter einer Decke steckten, so daß der Herzog die unglücklichen Leute dagegen in Schutz nehmen mußte“.[6] „Räubereien kamen natürlich häufiger vor, aus der Umgegend gingen vielfach junge Leute zu den Harzschützen Hans‘ von Eisdorf, trotz aller Mandate gegen die ‚rottirten bübischen Schützen‚, so wie jener 1628 zu Westerhof[7] ‚justifizierte Schnaphan Jürgen Sehlen‘ aus Harriehausen“.[8]
Der Hildesheimer[9] Chronist, Arzt und Ratsherr Dr. Jordan notiert in seinem Tagebuch unter dem 20.6./30.7.1627: „Die Schützen fallen uff Wrißberg-Holtensen,[10] rauben alles weg. Ihr Obrister ist Hanß von Eistorff, ist aus Ammensen bürtig“.[11]
Der Osteroder[12] Chronist Heinrich Wendt berichtete: „Umb diese Zeit hatten sich ein Hauffen HartzBauren und andere Schnaphanen Zusammenrottieret, darüber vornehmlich Hanß Warnecken von Aistorff commendirte, Welcher hernacher Zum Schartzfeld[13] in 4 Theile gelegt Und vor Osteroda an dreyen Ohrten uffgehänget, das Vierte Viertel ist Zum Schartzfeld gelaßen. Diese haben nicht allein den Kaiser[lichen] Abbruch gethan, besondern auch andere Reisende Leute herumb gerückt Und die Straßen umb Osteroda vnd am Hartz herumb gar Unsicher gemacht, Es seind fürst[liche] patenta angeschlagen Und darin befohlen worden, diese Gesellen Zu verfolgen. Man hat sie dennoch so bald nicht dempffen können. Bey denn Kaiserlichen, sonderlich dem GeneralCommissario Christoff von Lerchenfeld ist die Stadt Osteroda in Verdacht kommen, Alß wan die Stadt mit solchen Schützen oder Schnaphanen es hielte, denselben allen Vorschub thäte. Hingegen der Graff von Solmß [Philipp Reinhard v. Solms; BW], domaliger Dennemarckscher Commendant, in Wolffenbüttel[14] sich beschweret, daß die Stadt Osterode gegen solche Schützen, die sich in des Königes Diensten[15] gebrauchen ließen, feindlich erwiesen,[16] mit dieser angehängten commination, Wofern die Stadt bebemelten Schützen kein Paß oder repas verstatten, auch alle Notturfft an vivers gegen BeZahlung anfolgen laßen wurde, daß alßdan solches vindiciret und an der Stadt und deren Einwohnern gerochen werden solte. Darumb dan Osteroda von diesen Schnaphanen nicht wenig molestiren gehabt, Dan wan die Stadt Osteroda dem fürst[lichen] Befehl Zufolge von den Schützen, Welche anhalten wollen, haben sich die Schützen der Bürger alßbald wieder bemächtiget Und die Jhrigen dagegen loßbekommen. Es haben auch diese Schützen FeindeBrieffe an die Stadt geschrieben, darauff auch am PfingstMontag 1627 einen Bürger Nahmens Andreas Segelkcken von der Stadt hinweggenommen vnd denselben jämmerlich ermordet. Des Mitwochens in den H[eiligen] Pfingsten seind sie mit fliegenden Fähnlein über der Freyheit uff einen Hügel gerücket Und haben Bier, Brodt und Wein aus der Stadt abverlangen laßen. Jm Uffbruch aber sich feindlich beZeiget, Kühe vnd Schaff, Vieh und Pferde mitgenommen. Die Bürgere seindt außgefallen, haben Jhnen das Vieh wieder abgejaget und einen Von den Schützen, von Echte bürtig, gefangen mit weggenommen. Nach übergebung der Stadt Northeimb ist der Kaiser[liche] Commissarius Johan Moller[17] vor Einbeck bey dem Huefethurn von den Schnaphanen beraubet, welches dan Veruhrsachet, daß der Graff von Fürstenberg Zwey Compagn[yn] uff dem Huefethurn gelaßen, Welche von den Städten Einbeck vnd Osteroda verpfleget werden müßen. Jedoch ist solche Besatzung uff Vielfältige Bitte und gegen Revers der Städte Eimbeck und Osteroda, daß Sie, respective jhre Wartthürmer, selbst besetzen vnd den Schnaphanen kein Vorschub thun, sonderlich aber die Von Einbeck die Verfügung schaffen wolten, daß das Buschholtz umb die Huefethurn ringsherumb einen Mußqueten Schuß lang ab- und niedergehawen werden solte, hinwieder abgeführet. Geschehen im Monath Decembri 1627. Bey solcher Abführung hat auch der General Tilly von den beeden Städten Einbeck und Osteroda 4.000 Th[a]l[er] begehret Und sich daneben erkläret, daß Sie alßdan hinfürters mit weitern Contributionen verschonet bleiben sollten“.[18]
„Langsam breitete sich diese Aversion gegen Hans von Eisdorf auf viele Osteröder aus, weil sich Harzschützen aus seiner Gruppe mit dem Einheimischen Andreas Segelken, einem der erbittertsten Feinde des Hans, anlegten. Da Segelken einst auf den Eisdorf eingeschlagen hatte, prügelten die Harzschützen – reichlich verspätet zurück und töteten ihn. Höher hätten die Wogen der Empörung in Osterode kaum gehen können. Der Führer der Harzschützen gab der Empörung sogar noch leichtfertig Nahrung, indem er mit 150 Mann nahe der Stadt biwakierte und für die Furage nichts zahlte.
Wohl, um es den Osterödern zu »zeigen«, tat er sich mit einem Marktbesuch hervor. Wegen des Marktfriedens hatte er nichts zu befürchten. Solange Markt war, durften niemandem scheele Blicke zugeworfen werden. Aber die Städter stellten ihm eine Falle; sie brachen den Markt – wider alle Regeln eher ab, was sie durch den weithin schallenden Klang der Marktkirche verkündeten. In derselben Minute war Hans von Eisdorf vogelfrei. Ein paar kräftige Männer fielen jäh über ihn her und entwaffneten ihn. Flugs überstellte ihn die Obrigkeit dem Celler[19] Herzog. In der Fachwerkstadt sollen sie ihn angeblich gevierteilt haben. Den Leuten in Osterode überließen die Celler Stücke seines Körpers, die nun »stellvertretend« am Galgen baumelten. Den zweiten Teil der Geschichte um den Hingerichteten erzählte A. Reinbrecht: »Anderthalb Jahre waren verflossen, die meisten Leute dachten im steten Wechsel des Kriegsunglücks an Hans von Eisdorf nicht mehr, da kamen Söldner aus Holland zurück, ehemalige Kriegskameraden von Hans Warne(c)ke, die die Neuigkeit mitbrachten, daß sie vor ihrem Aufbruch aus Holland Hans Warne(c)ke wohlbehalten gesehen und gesprochen hätten, daß er dort mit seinem ehemaligen Obersten Karpenzen[20] gegen die Spanier kämpfte und daß er bei seinem Eide versprochen hätte, nie in seine Heimat wieder zurückzukehren.«“[21]
[1] Ammensen, heute Ortsteil von Delligsen [LK Holzminden].
[2] Gandersheim; HHSD II, S. 158ff.
[3] Bockenem [Kr. Hildesheim-Marienburg]; HHSD II, S. 54.
[4] Einbeck; HHSD II, S. 128ff.
[5] Northeim; HHSD II, S. 353f.
[6] MÜHE, Geschichte, S. 68.
[7] Westerhof, heute Ortsteil von Kalefeld [LK Northeim].
[8] MÜHE, Geschichte, S. 71. Harriehausen, heute Ortsteil von Bad Gandersheim [LK Northeim].
[9] Hildesheim; HHSD II, S. 228ff.
[10] Wrisbergholzen, heute Ortsteil von Westfeld [LK Hildesheim].
[11] SCHLOTTER, Acta, S. 20.
[12] Osterode; HHSD II, S. 370ff.
[13] Scharzfeld, heute Ortsteil von Herzberg am Harz [LK Osterode am Harz]; HHSD II, S. 412.
[14] Wolfenbüttel; HHSD II, S. 503ff.
[15] Der Chronist Dr. Jordan sprach v. „Königs Schulzen“ [= Königsschützen; einer der üblichen Fehler in dieser Edition; SCHLOTTER, Acta, S. S. 18ff.].
[16] BOBLENZ, Aktionen, 178, Nr. 178, betr. die in Osterode gefangen genommenen Gittel’schen Schützen.
[17] Johann Müller stand in ligistischen Diensten; KAPSER, Kriegsorganisation, S. 109, Anm. 241.
[18] WENDT, Geschichte, S. 409ff.
[19] Celle; HHSD II, S. 94ff.
[20] Joachim v. Carpe(n)zon, braunschweig. Obrist u. Generalquartiermeister unter Christian v. Braunschweig.
[21] HOFFMANN, Harzschützen, S. 71f.