Lippe-Detmold, Hermann Adolf Graf zur

Lippe-Detmold, Hermann Adolf Graf zur; Rittmeister [31.1.1616 Detmold-10.11.1666 Detmold]

Hermann Adolf zur Lippe[2190]

Nach dem Tode ihres Mannes Simon Ludwig am 8.8.1636 übernahm Catherina von Waldeck unter dem Beistand ihres Vaters die Vormundschaft über den vierjährigen Simon Philipp, den knapp drei Jahre alten Hermann Otto; der dritte, Ludwig Christian, war sechseinhalb Wochen nach dem Tod ihres Mannes geboren, und die Regierung des Landes. „Sie glaubte sich als Mutter und nach Observanz des gräflichen Hauses dazu berechtigt, und es wurde auch anfangs von Niemand Widerspruch dagegen erhoben. Die älteste Gräfin-Witwe bat zwar in einem Schreiben vom 4. September die Ritterschaft und Stände, dem Grafen Otto die Vormundschaft zu übertragen; aber dieser Wunsch blieb unberücksichtigt, und Graf Otto wird wohl auch selbst keine große Neigung gehabt haben, dies Amt zu übernehmen, aus denselben Gründen, die ihn früher veranlaßt hatten, sich von der Vormundschaft für Simon Ludwig zurückzuziehen. Die Gräfin Katharina wurde auch durch ein Reichskammergerichtsmandat vom 9. Febr. 1637 als Vormünderin anerkannt. Mittlerweile aber waren die drei jüngeren Brüder des verstorbenen Grafen, Johann Bernhard, Otto Heinrich und Hermann Adolf, von ihrer Studienreise zurückgekehrt, und da über ihre Abfindung und zukünftige Stellung noch gar nichts festgesetzt war, so hielten sie die Gelegenheit für günstig, möglichst viel für sich herauszuschlagen. Durch die Teilung des Landes nach dem Tode Simons VI. war ein schlimmes Beispiel gegeben, und das Streben des Grafen Otto nach einer selbständigen Herrschaft hatte so guten Erfolg, daß es gar nicht zu verwundern war, wenn sie ähnliche Ziele ins Auge faßten“.[1]

„Gegen Ende des Jahres 1639 drohte Graf Johann Bernhard der Gräfin Katharina das Getreide, welches ihr aus ihrem Wittum zu Horn[2] zustand, zu entziehen. Sie bat daher Koch [kaiserlicher Kommandant von Lemgo[3]] um Beistand; als aber dieser das Korn unter militärischer Bedeckung von Horn nach Lemgo holen lassen wollte, wurde er durch die Grafen Otto Heinrich und Hermann Adolf, die sich in der Nacht nach Horn begeben hatten, daran gehindert. Diese blieben mehrere Tage dort, ließen Granaten und andere Munition, Bier, Pferde usw. dorthin kommen, um etwaigen weiteren Versuchen der Lemgoer Truppen entgegenzutreten. Die Gräfin Katharina hatte auch, wie sie an Koch schrieb, mit eigenen Ohren gehört, daß Kapitän Wrede ’sich etliche Mal dem Teufel ergeben‘, er wolle die von Lemgo nach Horn geschickten Soldaten alle niederhauen lassen“.[4]

„Am 4. Mai 1640 kam der kaiserliche Feldmarschall Graf v. d. Wahl, angeblich nur, um im Vorübergehen dem gräflichen Hause einen Besuch abzustatten, mit größerem militärischen Gefolge nach Detmold.[5] Ihn selbst durfte Johann Bernhard nicht zurückweisen, und er mußte schließlich auch gestatten, daß ihn etwa 25 Mann begleiteten. Es ist nur zweifelhaft, ob diese mit in das Schloß selbst oder nur bis zu der Wache, welche sich zwischen den beiden zum Schlosse führenden Zugbrücken befand, mitgehen sollten. Als aber der Schloßhauptmann v. Wrede merkte, daß die Soldaten dem mit Johann Bernhard vorausgehenden Feldmarschall auch über die zweite Zugbrücke folgen wollten, ließ er diese sofort aufziehen, so daß der Feldmarschall auch über die zweite Zugbrücke folgen wollten, ließ er diese sofort aufziehen, so daß der Feldmarschall völlig von seinen Offizieren und Soldaten abgeschnitten war. Auch die beiden jüngeren Brüder Johann Bernhards oder wenigstens einer derselben befand sich außerhalb des Schlosses. Der Feldmarschall befahl unter heftigen Drohungen die Brücke wieder herunterzulassen. Graf Johann Bernhard mußte aus mancherlei Rücksichten Folge leisten und auch einen Teil der Soldaten ins Schloß aufnehmen. Nachdem nun zwischen Katharina und dem Feldmarschall das Nötige verabredet worden war, wurde am folgenden Tage die gräfliche Schloßwache beseitigt und das Schloß ganz von kaiserlichen Truppen besetzt. Selbstverständlich übernahm jetzt Katharina die Regierung des Landes, und Johann Bernhard wie auch seine Brüder verließen Schloß und Land. Graf v. d. Wahl ließ bei seinem Abzug den Hauptmann Mehler mit 100 Mann als Besatzung auf dem Schlosse zurück und führte den Hauptmann v. Wrede nebst einem Teil der Schloßwache gefangen mit sich fort, und da der Drost von Post und der Licentiat Justus von Robbig, der Hauptratgeber Johann Bernhards, sich den von ihm getroffenen Anordnungen nicht fügen wollten, wurden auch diese nachträglich als Gefangene abgeführt“.[6]

„Graf Otto Heinrich war übrigens zuerst zur Versöhnung bereit und wollte auch zwischen der Gräfin und seinen Brüdern verhandeln. Er kam deshalb schon im Januar 1641 nach Detmold und hielt sich auch im Mai desselben Jahres dort auf. Die Verhandlungen kamen aber lange Zeit nicht recht vorwärts, da die Grafen anfangs Abfindung mit Land, später aber so viel Geld verlangten, daß die Gräfin, ohne sich und ihre Kinder wie auch das Land zu ruinieren, unmöglich einwilligen konnte. Erst im Frühjahr kam eine Einigung dahin zustande, daß Otto Heinrich und Hermann Adolf jährlich je 1000 Tlr., Johann Bernhard 1200 Tlr. und einige Naturalien erhalten sollte. Letzterer hielt sich dann meist in Bremen[7] auf, bis er ganz unerwartet im Jahre 1650 von Rechtswegen zur Herrschaft des Landes gelangte“.[8]

Seit 1640 stand Hermann Adolf in braunschweigisch-lüneburgischen Diensten, seit 1644 war er Rittmeister im kaiserlichen Heer. „Während dieser Zeit gingen die Kaiserlichen wie die Schweden in der durch Schutzbriefe gesicherten Residenz Detmold ein und aus, ohne einander zu belästigen, und besonders die Offiziere der ersteren waren gern gesehene Gäste. So erschienen am 7. Juni 1642 Obrist Herzog Philipp Ludwig v. Holstein, Graf Hermann Adolf, jetzt Rittmeister in kaiserlichen Diensten, Oberstwachtmeister Wolf und Witte,[9] dazu aber auch ein Lüneburger Cornet und mehrere Mitglieder der Mindenschen Regierung, um die Hochzeit des Sohnes des lippischen Kanzlers v. Holwede zu feiern. Niemand dachte an irgendwelche Gefahr; da kam plötzlich in der Nacht um 2 Uhr von Lippstadt[10] her eine starke hessische Abteilung zu Roß und zu Fuß, sprengte die Tore und überfiel besonders die Häuser, in denen die fremden Offiziere oder wenigstens ihre Diener, Pferde und Sachen untergebracht waren. Außer dem Eigentum der kaiserlichen Offiziere wurden auch eine große Menge den Bürgern gehörige Gegenstände geraubt. Die hinterher darüber aufgestellten Verzeichnisse sind besonders deswegen von Interesse, weil sie zeigen, daß der Krieg nicht alles verzehrt, sondern manchem wohl auch kostbare Schätze beschert hatte. […] Die Gräfin Katharina beschwerte sich darüber bei der Landgräfin von Hessen, und diese gab dem Oberst Stauffen den Befehl, daß die den Bürgern gehörigen Sachen zurückgegeben, die anderen aber als dem Feinde abgenommene Beute zurückbehalten werden sollten“.[11]

„Auch nach dem Ende des Waffenstillstandes 1638 bemühte sich die Landgräfin den Krieg von Hessen fernzuhalten. Die Unterhandlungen scheiterten jedoch an den zu hohen Geldforderungen. So bot sie 1641 dem kaiserlichen General an, auf die Kontributionen aus dem Stift Paderborn, über das sie zu der Zeit zum großen Teil diie Gewalt besaß, bis auf 3500 Taler zu verzichten. Im Gegenzug erwartete sie, daß der Kommandant von Marsberg[12] mit 500 bis höchstens 1000 Talern monatlicher Kontribution zufrieden wäre. Dabei machte sie zur Bedingung, daß die Marsberger Besatzung ihre Raubzüge nach Hessen einstellte, andernfalls drohte sie mit energischen Gegenmaßnahmen.

Es blieb jedoch bei den Drohungen. Die Landgräfin war machtlos gegenüber den kaiserlichen Truppen. Die monatlich zu zahlenden Steuern an Marsberg und Höxter[13] betrugen 1200 Taler und mehr. Sie wurden zum Teil willkürlich erhöht und zwangsweise eingetrieben. Nur zu verständlich, daß die Landgräfin über diesen Umstand klagte und mit Rache drohte. Auf das eifrigste war sie bestrebt, die lästige Bergfestung auszuschalten und die kaiserlichen Truppen zu verjagen.

Nach und nach wurde die Marsberger Besatzung immer dreister und bald sehr gefürchtet. Viele hessische Kaufleute ließen sich Reisepässe, mehrere Orte Schutzbriefe vom Marsberger Kommandanten Weseler von Pape ausstellen, wofür sie stets viel Geld bezahlen mußten. Gefangene feindliche Offiziere, sogar Generale wurden auf der anscheinend uneinnehmbaren Festung Obermarsberg untergebracht.

Währenddessen beobachtete die Landgräfin mit wachem Auge die Vorgänge auf der Eresburg, um eine Gelegenheit zu einem Handstreich gegen die Stadt und ihre Besatzung zu finden. Die Gelegenheit hierzu bot sich 1643. Der kaiserliche Feldmarschall Oberst von Leittersam kam von Marburg[14] nach Marsberg, um die zu der Zeit bei Höxter stehenden kaiserliche Armee mit seinen Truppen zu verstärken. Er legte eine Reitertruppe von 700-800 Mann in 700-800 Mann in die Altenstadt und ordnete ihnen noch 100 Musketiere von der Oberstädter Garnison zu[r ?] Sicherheit hinzu. Darauf hatte die Landgräfin gewartet. Sie schickte, als sie von dieser Einquartierung hörte, den Generalmajor Oberst Johann Geiso (Geyso/Geiß) mit 1.500 Reitern und 700 Fußknechten nach Marsberg. Am 6. Oktober erreichte der Generalmajor noch vor Tagesanbruch die kaiserlichen Truppen. Er überlistete und tötete die Wachen an den Toren und jeden, der in der Stadt mit Waffen in der Hand angetroffen wurde, darunter auch mehrere Offiziere. 70 Mann wurden festgenommen, unter ihnen auch der ‚abtrünnige‘ Graf Hermann Adolf von Lippe-Detmold. Allen übrigen gelang die Flucht zur Oberstadt. Dort befand sich zu der Zeit auch der kaiserliche Feldmarschall, der gerade einer Einladung des Kommandanten der Oberstadt gefolgt war. Die Kriegsbeute des Generalmajors bestand aus 600 Pferden mit sämtlichen Sattelzeug und Geiso hätte mit Sicherheit noch die Altenstadt in Brand gesteckt, wenn sie nicht den Hessen kontributionspflichtig gewesen wäre. Die Oberstadt jedoch blieb auch weiterhin uneingenommen“.[15] Nach diesem Vorfall ließ Pape eine Untersuchung anstellen, um zu klären, warum die Hessen unbehelligt in die Stadt eindringen konnten. In dem Protokoll vom 8. 10.1643 machten die Bürger Marsbergs im Wesentlichen die fremde Reitertruppe Leittersams hierfür verantwortlich, die die Wacht nicht versehen und keine Patrouillen ausgeschickt hatte.

Demnach vorgestrigeß tags, den 6. dießeß monatß, morgens früh umb vier uhren ein geyendtlicher einfall in die Altenstadt, woselbsten etliche Kayßerliche truppen zu vferdt logirt geweßen, vorgangen; und sothaner einfall dem feyendt gerahten, dabey aber praetentirt [ = vorgehalten] undt vorgewendet werden wöllen, alß ob diejenige officierer undt solthaten, welche von der hiegiger guarnisaum, auff empfangenen befelch, zu siecherheit undt wachte zue fuß beygegeben, ihre debi[tum] [= Pflicht] undt schuldigkeit der gebuhr nicht verrichtet undt deßwegen ihnen einige schuldt, daß [sie] an dießem einfall wegen versaumbnuß mit uhrsache sein solten, beygemeßen werden wöllen. So hat es die notwendigkeit erfordert, auch der hiegiger com mendant undt obrister leutenandt herr Ernest Weßeler von Papen daruber fleißige inquisition [= Untersuchung] vorzunehmen undt zeugnuß einzuziehen anbefohlen undt begeheret. Undt damit niemandt mit vielen captiosos [= verfänglichen] und verdechtigen fragstucken beschwer[t] werden muchte, alß hat man etliche burgere auß der Altenstadt, welche mit in dießen einfall geweßen undt davon, weiln sie alles gesehen undt gehöret, die richtige wahrheit woll außsagen könten, vorgefördert, dieselbe vermittelß guten gewißens, undt des eidts, womit sie dero Churfürstlicher Durchlaucht zu Coln etc. [= Kurfürst Ferdinand von Köln] alß gehorsambste underthanen verwant, ernstlich vermahnet, auch deß mey[n]eydts verwahrnet, daß sie summarie [= insgesamt], auffrichtig, ohne schew, auch ohn respect, niemandt zu lieb oder leidt, nicht auß furcht oder nachdencken, sondern auß ihrem eignen wißen, undt waß sie recht gesehen undt gehört, wie es mit dießem einfall vom anfang biß zum endt umbstendtlich abgelauffen, außsagen, undt zu bestettigung der wahrheit zeugen solten.

Nach welchem die hernach benente in praesentia [= in Gegenwart] hern drostens Rumpß zur Wenna, burgermeistern Christian Kleinsorgen undt Adami Rodderß alhier auffm rhadthauß auf der gewohntlichen rhatstuben an eydtstadt undt mit verpflichten, solches, wan es erfordert wurde, mit einem leiblichen aydt zu bestettigen, außgesagt undt bezeugt, wie folgtt:

1. Herr Jost Warburg pastor in der Altenstadt bezeugt, daß er 3 viertel stunde vor dem einfall bey dem leuttenant deß rittmeisters Reigels compagnin auff dem kirchhoff, woselbst auch die wacht von den musqwattirern geweßen, mit ihnnen geredet undt hernach widder in sein pfarrhauß gangen, nach drey viertel uhr der lermen angangen undt die kreigsleut freund undt feyendt durcheinander gerhaten, viel schuße durcheinander gefallen, von weme, wuste er eygentlich nicht; er hette sonst die musquetier auff dem kirchhoff in guter positur undt wacht befunden. Deß abendts aber bez[eugt] er, daß der Greße Thonieß, so von herrn obristleutnant Papen auff kundtschafft außgeschickt, bey ihme geweßen, er gefragt, waßen newes hette, welcher geandtwortet, daß der feyendt sich auff Warburg[16] gezogen undt weheren etliche auff Germete[17] zumarchiret, welche avisen [= Nachrichten] der pastor dem herrn Graffen von der Lippe etc. undt obristen wachtmeister Witten in Herman Förmerß hauße hinterbracht, welche dazu stillgeschwiegen. Im rechten einfall hatte sich herr pastor in seinem hauß endthalten undt wuste nicht meher hinnvon zu sagen.

2. Herman Förmer bezeugt, daß er dem obrist wachtmeister Witten, welcher bey ihme logirt, selbst angedeutet, daß der

feyemdt auff 2 stunde wegs von dannen wehre, derwegen sie sich woll vorzusehen undt die straße woll zu parthiren [= einteilen], auch ihme an die handt gegeben, sie musten fleißige wacht nacher Helmingkhaußen[18] undt Westheimb[19] die Diemel hinab außschicken, wobey der fenderich von Clotz undt der feltwebell gestanden, den an solchen örten die gefahr undt daßelbst nötigh [!]. Darauff den obristwachtmeister die wachten commandiren wollen, w[o]bey sie sich gezancket, endtlich darumb spielen mußen, undt weheren diejenige, so auff die wacht commentirt, woll bey hundert zu pferdt undt fueß undt sein ungeduldig geweßen, sich der wacht geweichert. Aber er wiße nicht, daß ein eintziger man davon außerhalb der statt kommen. Eß wehre auch jemandt umb 12 uhr in der nacht vor sein hauß kommen, angeklopfft, undt endtlich nach vielen klopffen, den obrist[wachtmeister] ermuntert; waß sie geredet, wiße er nicht. Anlangt die bestelte wachte zu fueß, hette er schießens meher alß zuviel gehort, undt wehren die feyendparthe[i]en so starck eingefallen, daß die wacht, so in deß burgermeisters Kleinsorgens hauß gestanden, sich uber kopff retoriren [= zurückziehen] undt auff die hauptwacht auff den kirchhoff sich ziehen mußen, woselbste sie sich uber eine viertel stundeß gewehret.

3. Swickert Bunßen deponirt [= legt dar], daß er den Ritmeister Abschlag in seinem qwattier gehapt undt ritmeister Schilder bey ihme geßen; hatte der obristwachtmeister ihme, Schilder, botten geschickt, undt daß er die wacht hette, ansagen laßen; darauff alßbalt gesagt, er wolt nicht wachen, wehre an ihme nicht, wolte es seinem fursten klagen; alß er aber hingangen undt widderkommen, bericht, er solte wachen, wehre er bey vorigem geplieben undt wolte nicht wachen; were auch in sein qwattier gangen, sich nidder gelecht undt seinen wirth Caspar Nolten auff schildtwache gesetzt. Wegen dero wacht den musquetierer wiße er nicht anders, alß daß sie sich wolgehalten; hetten auf dem Buhlberg sich alßo geweheret, daß sie auff den feyendt, so ihn gefangen gehapt, geschoßen, daß sie ihn verlaßen mußen. Sonsten bezeugt er an aydts stad, daß er von dem feyendt, alß er dem abgenommenem viehe gefolgt, selbst gehoret, daß der generall major Giese dem hern graffen von der Lippe zugeredet, sie musten schlechte wachte gehalten haben; auch den rittmeister Temens gefragt, er hette se keine patroll oder eußer wacht gesehen noch befunden, es were schlecht bestelt geweßen; auch ein leutenandt von Weißen regiemendt gefragt, wer deß wehere, der nider geschoßen, er hette sich nicht ergeben wollen, aber sie weren ihm zu sta[rk] auffs leib kommen, die musquetierer hetten sich redtlich undt woll gehalten.

4. Rab Fleckener bezeuget, daß er alzeit in seinem hauße geweßen undt alß der einfall geschehen, were eine courte guarde von mußqwetieren in bürgermeister Kleinsorgen hauß geweßen, worauff die feyendts-mußqwatierer mit gewalt getrungen undt den ersten einfall auff dieß hauß gethan, welch[e] musquatierer hinter dem hauß die schiltwache gehapt; die reuter weren die straß herunter kommen, undt hetten sich die musquetierer, wobey der corporall Veidt Dutz geweßen, alß er zuvor eine salva auß dem hauße gethan, auff den kirchhoff zu den andern reteriren mußen; dieser hette auch die anderen auffm kirchhoff umb Gottes willen gebetten standtzuhalten, wolten sie herauß schlagen; von dem kirchhoff haben sie fewr nach seinem hauß unter dem feyendt gegeben, der feyendt aber mit gwalt auff die musquatierer auff den kirchhoff getrungen, daß sie sich in das Leifflenderß hauß reterirt, an welchem hauß zu sehen im augenschein, wie der feyendt darauff fewr geben, und hetten sich die Marspergische solthaten dapffer gewehret, endtlich aber vor der großen macht auch auß dießem hauße weichen undt sich ferner reteriren mußen. Sonsten habe er dem obristwachtmeister vorher des abendts gesacht, sie solten sich woll vorsehen, der feyendt wolte ihrer haut haben, sie hetten lust zu fechten. Er geandtwortet, sie solten nur herkommen etc., daß aber jemandt von den reutern solte zur wacht außerhin geschickt sein, davon wiße er nicht. Er sagt auch, daß zweyspalt [= Zwiespalt] wegen der wacht unter den officierer-reuteren vorgefallen, habe aber nicht einen schuß von den reuteren gehort oder gesehen, alß von einem corporall von Stakenbregk, welcher die wacht gehapt.

5. Thonieß Tauschen sagt, daß er einen captein leutenandt, so vor einen graven genannet worden, im hauß gehapt, welcher eben auff die stadt gezogen, undt hette er den morgen einen schuß vor dem einfall gehort, darauff die seinigen loßgemacht undt auffgewecket, undt weiln sein hauß nahe bey dem kirchhoff stehet, habe [er] die musquatierer in vieller guter wacht gesehen, undt alß der feyendt auff die courtigwarde [= befestigter Wachtraum] in bürgermeister Kleinsorgen hauß zugetrunge undt selbige musquatierer loßgetrieben, hetten sich dieselbe auff den kirchhoff ziehen müßen, hetten zuvor ihre salve gethan. Darauff deß feyendts musquatierer so dick undt breit, alß der gantze wegk wie eine walcke auff den kirchhoff zugangen, welche sich mit gewalt geweheret, ein zu andern fewr geben, daß die Stadtbergische der macht weichen mußen. Er hette auch seine einqwartierte gewahrnet, sie solten sich woll vorsehen, der feyendt lege in der nähe uf 2 stunde, welches sie nichts geachtet. Nach dem einfall aber hette sie ihn wegen dießer warnung verdechtig gehalten, falsche actioneß vorgeben; sein hauß spoliirt [= geplündert], bey dem einfall hette er den cornet [= Fähnrich] in seinem hauß vor ein fenster gefhuret, undt wie der feyendt herein getrungen, undt schon […] gezeiget, hette er denselben nicht auff die bein bri[n]gen konnen, biß ihnnen die hohe noth herauß getrieben.

6. Lipß Iggell sagt, er habe einen leutenandt von rittmeister von der Stege im hauß gehapt, sey im hauß geplieben, habe vorm Osternthor 2 schuß den morgen umb vier uhr gehört, darauff sein leutenandt undt seine knecht, welche alle geschlaffen, gewecket; bezeugt, daß auff dem kirchhoff ein trefflich schießen vorgefallen.

7. Reinhart Lyßen bezeugt, daß ein schuß am Osternthor, alß deß feyendts trouppen gleich ankommen, von dem fuß-volck geschehen, sey darauß auch kein schuß meher gehort. Er habe gesehen, daß 10 reuter zu fuß zu den mußqwetieren an daß thor gangen, habe aber nicht einen menschen auff patroll oder außenwacht deß wegs vernommen noch gesehen.

8. Herman Lyßen sagt, habe keinen reuter auß dem thor reiten sehen, zur patroll oder butenwacht, sondern bey zehen zu fuß, so bey die solthaten commentirt, welcvhe all[e] miteinander auff dem strohe gelegen undt geschlaffen. Die musquetier aber alert [= bereit] geweßen.

9. Henrich Bannenberg sagt, er were ein halb stund ungefeher vor dem einfall bey der wacht vor dem thor gewesßen, die solthaten weren alert gestanden undt zehen reuter dabey auff dem stroh gelegen; sobalt er in sein hauß kommen, were ein schuß von der wacht schehn undt der feyendt alßbalt darauff eingefallen, undt hette er keinen menschen zu dem thor hinauß meher reiten oder gehen sehen, der die außenwacht oder patroll versehen.

Factum [= geschehen] Marspergk, den 8. Octobris anno 1643“.[20]

Der Historiograph und Habsburg-Anhänger Wassenberg[21] stellt die Eroberung in seinem „Florus“ von 1647 so dar:„Daselbsten als der Hessische Obrister Wachtmeister Geiß nachricht erlanget / daß der Keyserliche Feld-Marschall Leutenant von Lutersheim / welcher eine geraume zeit her auff der Vestung Ehrenbreitstein[22] / sonst Hermanstein genant / im Arrest gewesen / mit 15. starcken hauffen in 7. biß 800. Pferde bestehend / vom Rhein ab / den außgezogenen Wolffenbüttelischen[23] vnnd Einbeckischen[24] Völckern entgegen gangen / vmb sich mit ihnen zu verstärcken / auch allbereit naher Statt-Bergen angelangt; hat gedachter Geiß mit 300. Reuttern vnd 700. zue Fuß einen Anschlag auff die auß vnterschiedlichen Regimenten angeführte / vd vom Herrn Lutersheim in Alt-Stattbergen gelegte Reutter einen Anschlag gemacht / welcher dergestalt wol außgeschlagen / daß den 25. dieses in der Nacht die außgestelte keyserliche Wacht von den Hessischen geschlagen / vnnd für ihre Personen mehrentheils auff die Vestung / allda der von Lutersheim sich die Nacht über auch befunden / geflohen; die Pferde aber alle mit einander / sintemal deren über 16. nicht davon kommen / sampt Sattel / Zeug / Pistolen / Köllern / Manteln / vnd andern sachen den Hessischen zur Außbeute verblieben seynd: Verschiedene / darunter auch etliche Kriegesbeampten seynd nidergemacht / vnnd in 70. beneben einem Grafen von der Lip / 50. Rittmeister / gefangen worden / da hingegen die Hessischen bey solchem Anschlag mehr nit als einen einigen Soldaten verlohren“.[25]

Obrist Johann Casimir Graf von Leiningen wurde Nachfolger Philipp Ludwigs von Holstein als kaiserlicher Kommandant von Lemgo. Er war ein Vetter ersten Grades des in Detmold vormundschaftlich regierenden Grafen Emich XII. von Leiningen-Dagsburg-Falkenburg (1612-1657), der seit 1641 mit Catharina von Waldecks jüngerer Schwester Dorothea von Waldeck verheiratet war. „Der Kontakt zu diesen Verwandten [Johann Casimir] des Regenten erwies sich aber gar bald als nicht etwa vorteilhaft oder gewinnbringend für die Familie zur Lippe und das Land, vielmehr wurde diese Begegnung für einen der Detmolder Grafen, fatal im eigentlichen Sinn des Wortes.

Im Frühjahr 1644 trug sich ein Vorfall zu, der für den Grafen Hermann Adolf sehr unangenehm war und für seinen Bruder Otto Heinrich in den späteren Folgen verhängnisvoll wurde. Am 18. April begab sich der Administrator Graf Emich v. Leiningen nach Brake,[26] um im dortigen Kruge mit dem Grafen Hermann Adolf, der als Rittmeister im Regiment des Herzogs von Holstein in Lemgo stand, und mit dessen Bruder Otto Heinrich zu konferieren. Von dort aus ließ er seinem Vetter, dem Oberst und Kommandanten von Lemgo, Grafen Johann Kasimir von Leiningen, sagen, er werde nächstens selber zu ihm kommen, um mit ihm zu reden, oder wenn es ihm gefiele, möge er ein wenig zu ihm herausreiten. Graf Johann Kasimir hatte zunächst Bedenken wegen des ‚allda zu besorgenden Trunkes‘, machte sich aber schließlich zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags doch noch mit einigen anderen Offizieren nach Brake auf und nahm, da zwischen Detmold und Lemgo eine verdächtige Truppe gesehen worden war, zu seiner und der anderen Sicherheit einen Koporal und 15 Knechte mit. Nach einem Trunk, wie ihn Johann Kasimir befürchtet, begaben sich mehrere Offiziere zur Erfrischung auf den Hof, wo eine ‚Pielketafel'[27] stand, und vergnügten sich damit, nach den auf dieser Tafel stehenden Steinen mit anderen Steinen zu werfen. Dabei flog ein vom Grafen Johann Kasimir geworfener Stein zwischen den Beinen des Grafen Hermann Adolf hindurch, ohne ihn zu berühren. Wie ersterer später behauptete, war dies unabsichtlich geschehen, und er hatte auch um Entschuldigung gebeten; andere sagten, er habe es mit Absicht getan und noch einige Steine hinterher geworfen. Den Obristwachtmeister Witte vom Holsteinischen Regiment verdroß dieser Scherz, und er reizte den den Grafen Hermann Adolf, sich das nicht gefallen zu lassen, mit Redensarten, wie: ‚Frische Eier, gute Eier ! oder: Wenns mich anginge, wollte ichs ihm gedenken. Fort, fort, Herr Graf, es muß geschlagen sein ! Ein jeglicher nehme seinen Mann in acht, ich will meinen wohl finden, daß er bald soll in Stücken liegen. Wir müssen uns von den Paßgängern und Fußschabben (Infanteristen) nicht kommandieren lassen‘. Graf Hermann Adolf fragte den Oberst: ‚Vetter, wie soll ich das verstehen ?‘ Dieser aber legte sich auf die Tafel und lachte ihn höhnisch aus. Als nun Graf Hermann Adolf den Oberst aufforderte, ‚herauszukommen‘, antwortete dieser, daß man ‚einen solchen Rittmeister wohl in Arrest nehmen könnte‘. Darauf entfernte sich Graf Hermann Adolf.  Als nun der Oberstleutnant Witte seinen Rittmeister dem Oberst gegenüber in Schutz nahm, antwortete dieser mit einer groben Beleidigung; es kam zu Tätlichkeiten, und die beiden mußten mit Gewalt von den Umstehenden getrennt werden. Am nächsten Morgen ließ der Oberst dem Oberstleutnant wie dem Grafen Hermann Adolf Arrest ankündigen, und sie mußten wohl auch trotz ihres Protestes den Arrest antreten. Später fand dann eine Untersuchung der Sache statt, über das Ergebnis derselben ist aber in den Akten nichts zu finden. Graf Hermann Adolf nahm zu Anfang des folgenden Jahres seinen Abschied aus kaiserlichen Diensten“.[28]

„Es muß etwa im Februar 1648 gewesen sein, daß Otto Heinrich auf Bitten des Grafen Emich von Leiningen dessen Gattin Dorothea von Detmold aus nach Hause brachte zum leiningenschen Schloß Heidesheim,[29] nordostwärts von Grünstadt[30] in der Pfalz. Unglücklicherweise hielt sich damals auch Johann Casimir von Leiningen gerade dort auf. Otto Heinrich blieb für einige Zeit in Heidesheim und scheint sehr deutlich gezeigt zu haben, was er von dem früheren kaiserlichen Kommandanten von Lemgo hielt – diesem selbst und auch anderen Herren. Am 9. März (alten Stils) wollte er die in einer Sänfte reisenden Gräfin Agnes von Waldeck zu dem leiningenschen Schloß Hardenburg[31] (westlich von Bad Dürkheim[32]) begleiten. Johann Casimir ritt der kleinen Rei-segruppe nach, holte sie zwischen Dackenheim[33] und Herxheim[34] ein und sprach den Lipper an. Es ergab sich ein Wortwechsel, Otto Heinrich wollte seine Pistolen ziehen, aber Johann Casimir kam ihm zuvor und holte ihn mit zwei Kopfschüssen aus dem Sattel. Der Tote wurde nach Detmold überführt und am 16. Mai in der Stadtkirche beigesetzt.

Die Akten des Staatsarchivs Detmold enthalten Darstellungen des Geschehenen, Zeugenaussagen, Ergebnisse von Befragungen usw., die Otto Heinrich eindeutig als das Opfer eines geplanten, heimtückischen, hinterhältigen Mordes erscheinen lassen. Daß Johann Casimir den Grafen zur Lippe ums Leben gebracht hat, ist unbestritten. Er selbst hat die Tat zugegeben, aber als Notwehr hingestellt. Schwer belastet ihn die Schilderung des Geschehenen durch Agnes von Waldeck in einem Brief an Emich von Leiningen, die keinen Zweifel daran aufkommen lassen will, daß es sich um einen vorbereiteten, gezielten Mord gehandelt habe.

Es ist Bericht darüber an den Kaiser ergangen und gegen Johann Casimir ein Prozeß eingeleitet worden, der sich lange hingezogen hat. Mit wie wenig Sachverstand die Untersuchung geführt wurde, geht schon allein daraus hervor, daß ein im kaiserlichen Auftrag abgefaßter Schriftsatz vom 23. Dezember 1648 den Tatbestand so darstellt, als sei Otto Heinrich mit Agnes von Waldeck am 9. März von Lippstadt[35] (!) aus nach Hardenburg unterwegs gewesen. Nach jahrelangem Prozessieren ist die Untersuchung ergebnislos verlaufen, der Täter unbestraft geblieben“.[36]

Um weitere Hinweise unter Bernd.Warlich@gmx.de wird gebeten !

[1] STEGMANN, Lippe, S. 114.
[2] Horn [LK Detmold]; HHSD III, S. 341f.
[3] Lemgo [LK Lemgo]; HHSD III, S. 452ff.
[4] STEGMANN, Lippe, S. 127.
[5] Detmold [LK Detmold]; HHSD III, S. 156ff.
[6] STEGMANN, Lippe, S. 128f.
[7] Bremen; HHSD II, S. 69ff.
[8] STEGMANN, Lippe, S. 131.
[9] Konrad Witte, Obristleutnant und späterer lippischer Landeshauptmann.
[10] Lippstadt (LK Lippstadt]; HHSD III, S. 474f.
[11] STEGMANN, Lippe, S. 134.
[12] Marsberg, Ober- und Nieder- [LK Brilon]; HHSD III, S. 494ff.
[13] Höxter [LK Höxter]; HHSD III, S. 346ff.
[14] Marburg; HHSD IV, S. 35ff.
[15] STOLZ, Marsberg, S. 124f.
[16] Warburg [LK Warburg]; HHSD III, S. 752ff.
[17] Germete, heute Stadtteil von Warburg [LK Höxter].
[18] Helminghausen, heute Ortsteil von Marsberg [Hochsauerlandkr.].
[19] Westheim, heute Ortsteil von Marsberg [Hochsauerlandkr.].
[20] CONRAD; TESKE, Sterbzeiten, S. 220ff.
[21] Vgl. LAHRKAMP, Everhard Wassenberg.
[22] Ehrenbreitstein [Stadt Koblenz]; HHSD V, S. 86f.
[23] Wolfenbüttel; HHSD II, S. 503ff.
[24] Einbeck; HHSD II, S. 128ff.
[25] WASSENBERG, Florus, S. 538f.
[26] Brake i. L. [LK Lemgo]; HHSD III, S. 112.
[27] „Die Beilketafel, plur. die -n, das Deutsche Billiard, oder eine lange, schmale Tafel mit einem Rande, und Rinnen an den beyden Seiten, auf welcher man mit eisernen, unten glatt geschliffenen runden Steinen spielet“.
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 820.
[28] STEGMANN, Lippe, S. 138ff.
[29] Heidesheim am Rhein [LK Mainz-Bingen].
[30] Grünstadt [Kr. Frankenthal]; HHSD V, S. 121f.
[31] Hardenburg [Gem. Hardenburg, Kr. Neustadt a. d. W.]; HHSD V, S. 128f.
[32] (Bad) Dürkheim [Kr. Neustadt a. d. W.]; HHSD V, S. 22f.
[33] Dackenheim [LK Bad Dürkheim].
[34] Herxheim [Kr. Landau]; HHSD V, S. 136f.
[35] Lippstadt (LK Lippstadt]; HHSD III, S. 474f.
[36] FINK, Das Haus der Grafen zur Lippe, S. 42f.
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