Lippe-Detmold, Johann Bernhard Graf zur [18.10.1613 Brake – 10.6.1652 Detmold]
Nach dem Tode ihres Mannes Simon Ludwig am 8. August 1636 übernahm Catherina von Waldeck unter dem Beistand ihres Vaters die Vormundschaft über den vierjährigen Simon Philipp, den knapp drei Jahre alten Hermann Otto; der dritte, Ludwig Christian, war sechseinhalb Wochen nach dem Tod ihres Mannes geboren, und die Regierung des Landes. „Sie glaubte sich als Mutter und nach Observanz des gräflichen Hauses dazu berechtigt, und es wurde auch anfangs von Niemand Widerspruch dagegen erhoben. Die älteste Gräfin-Witwe bat zwar in einem Schreiben vom 4. September die Ritterschaft und Stände, dem Grafen Otto die Vormundschaft zu übertragen; aber dieser Wunsch blieb unberücksichtigt, und Graf Otto wird wohl auch selbst keine große Neigung gehabt haben, dies Amt zu übernehmen, aus denselben Gründen, die ihn früher veranlaßt hatten, sich von der Vormundschaft für Simon Ludwig zurückzuziehen. Die Gräfin Katharina wurde auch durch ein Reichskammergerichtsmandat vom 9. Febr. 1637 als Vormünderin anerkannt. Mittlerweile aber waren die drei jüngeren Brüder des verstorbenen Grafen, Johann Bernhard, Otto Heinrich und Hermann Adolf, von ihrer Studienreise zurückgekehrt, und da über ihre Abfindung und zukünftige Stellung noch gar nichts festgesetzt war, so hielten sie die Gelegenheit für günstig, möglichst viel für sich herauszuschlagen. Durch die Teilung des Landes nach dem Tode Simons VI. war ein schlimmes Beispiel gegeben, und das Streben des Grafen Otto nach einer selbständigen Herrschaft hatte so guten Erfolg, daß es gar nicht zu verwundern war, wenn sie ähnliche Ziele ins Auge faßten.
Johann Bernhard, der selbst noch nicht mündig war, ließ sich von den Landständen, die gar kein Recht dazu hatten, vor der gesetzmäßigen Zeit für mündig erklären und beanspruchte nun als ältester männlicher Agnat die Vormundschaft über seinen Neffen. Er hatte schon vorher die Landstände und einen großen Teil der Beamten für seinen Plan gewonnen. Auch der Kurfürst von Köln, zugleich Bischof von Paderborn,[1] und der Landgraf von Hessen, die als Lehnsherren gewisser Teile von Lippe bei dem Streite interessiert waren, unterstützten ihn bei seinem Vorhaben, so daß er es wagen durfte, trotz des kaiserlichen Mandats sich in den Besitz der landesherrlichen Gewalt zu setzen. Er ließ sich die Schlüssel des gräflichen Residenzschlosses ausliefern, nahm die Schloßwache in Eid und Pflicht, setzte Beamte ab und ein und wurde durch einen Beschluß des allerdings nicht ganz ordnungsmäßigen Landtages als Landesregent bestätigen. Vergebens protestierte die Gräfin, auch ein kaiserliches mandatum poenale[2] blieb unbeachtet, alle landesherrlichen Funktionen wurden in den nächsten Jahren von Johann Bernhard ausgeübt. Die Gräfin ging Jahre lang nicht aus dem Schlosse, aus Furcht, daß sie nicht wieder eingelassen werden möchte. Sie mußte die größten Entbehrungen ertragen, ja Spott und Schimpf von ihren Gegnern sich gefallen lassen, aber sie ließ sich durch nichts zur Entsagung bewegen, besonders da sie merkte, daß es nicht bloß auf die Vormundschaft, sondern auf die Verdrängung ihres ältesten Sohnes aus der Herrschaft oder wenigstens auf eine erneute Teilung des Landes abgesehen war. Johann Bernhard hatte von Anfang an die Regierung nicht als Vormund, sondern in seinem eigenen Namen geführt, und allmählich trat er auch ganz offen mit der Ansicht hervor, daß das Land, wie nach dem Tode Simons VI., jetzt wieder unter die Söhne Simons VIII. geteilt werden müsse. Dem widersetzten sich jedoch die Landstände, da sie die Gefahr einer größeren Zersplitterung erkannten, und sie traten von nun an auf die Seite Katharinas. Diese fürchtete jetzt sogar für ihre Kinder und ließ daher, so schwer ihr auch die Trennung wurde, die beiden ältesten heimlich entführen und zu ihrem Schwager, dem Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt bringen, damit sie an dessen Hofe zu Marburg[3] zusammen mit seinen Söhnen in der lutherischen Konfession erzogen würden. Der Landgraf von Hessen wurde auch an Stelle des im Jahre 1638 verstorbenen Grafen Christian von Waldeck von Katharina zum Mitvormund gewählt, was jedoch wenig zu bedeuten hatte, da Katharina tatsächlich von der Vormundschaft ausgeschlossen war und er selbst auch erklärte, daß er mit der Administration des Landes nichts zu tun haben wolle. Da die Gräfin sich hauptsächlich auf die Entscheidungen des Kaisers stützte und auch den kaiserfreundlichen Landgrafen von Hessen-Darmstadt sich zum Beistand wählte, so war es ganz natürlich, daß Johann Bernhard bei den Gegnern des Kaisers, besonders bei der Landgräfin Amalie von Hessen-Kassel, die nach dem Tode ihres Gemahls an Stelle ihres unmündigen Sohnes die Herrschaft führte, Unterstützung suchte und fand. Der Kurfürst von Köln, der sich anfangs Johann Bernhard geneigt erwiesen hatte, wird wohl auch mehr durch seine Stellung zu den kriegführenden Parteien, als durch Gerechtigkeitsgefühl veranlaßt worden sein, sich von Johann Bernhard abzuwenden. Dabei betonte die ebenso kluge wie energische Gräfin Katharina immer mit besonderem Nachdruck ihre Neutralität, und so gelang es ihr auch, mit Benutzung persönlicher und verwandtschaftlicher Beziehungen zu Baner, dem Oberbefehlshaber der Schweden, diese wenigstens einigermaßen von Feindseligkeiten gegen sie abzuhalten.
Während dieser inneren Wirren dauerten die Belästigungen von seiten der kriegführenden Parteien ununterbrochen fort. Zunächst hielten die Kaiserlichen das Land besetzt; außer ihrem Unterhalt mußte aber auch Kontribution an die Schweden in Minden[4] bezahlt werden. Wenn letzteres versäumt wurde, hatte man noch kostspieligere Exekutionen zu gewärtigen, und wenn es geschah, so drohten die Kaiserlichen das Land mit Feuer und Schwert zu verderben. Als diese im Mai 1637 das Land verließen, wurde es nicht besser; denn nun rückten die Schweden ein, und Lemgo[5] allein erhielt als Einquartierung 10 Kompagnien zu Pferde, 2 Kompagnien Dragoner und 4 Kompagnien zu Fuß, und man fürchtete, daß ‚die gute Landstadt zum Steinhaufen öde und verwüstet bleiben werde‘. Auch die Residenz Detmold[6] blieb nicht verschont; das kleine Städtchen mußte täglich 3 Rinder, 6 Schafe, 2 Speckseiten, 10 Hühner, 25 Pfd. Butter, 1 Schock Eier, 500 Pfd. Brot, 2 Faß Bier, 1 Himbt Salz, für die hohen Offiziere einen Trunk Wein usw. liefern.
Daneben ließen aber auch die Kaiserlichen, die im Stift Paderborn[7] lagen, dem Städtchen wie dem ganzen Lande keine Ruhe. Welche Stimmung bei ihnen herrschte, sieht man aus einem Schreiben des Generals Gr. v. d. Wahl vom 12. Juli 1637. Obwohl Lippe die Schweden keineswegs freiwillig aufgenommen hatte, machte er doch dem Grafen Johann Bernhard Vorwürfe darüber, daß er ihn erst zur Räumung Lemgos veranlaßt und die Stadt den Schweden überlassen habe. Er fügte drohend hinzu: ‚Es ist aber, Gott lob, die Stadt Lemgo nicht Antwerpen; hoffe mit Gottes Hilfe mein revenge zu haben‘. Zum Schluß erklärte er auch, daß Johann Bernhard es ihm nicht verdenken könne, wenn er in Zukunft allein die vom Kaiser verordnete Vormundschaft anerkenne. Daß er in der Folge die Gräfin Katharina gegen ihn unterstützte, geht auch aus einem Schreiben desselben an den Bürgermeister von Detmold hervor. Er hat vernommen, daß der Frau Gräfin und Witwe von der Lippe als der Landesmutter anstatt der großen Vorsorge und Guttaten, so sie dem Lande erwiesen, nicht allein allerhand despect und Ungehorsam widerfahren, sondern auch ihren Dienern, die doch mit der Kontribution nichts zu tun haben, die Kühe behufs Exekution derselben mit Beschlag belegt sind. Er befiehlt, diese sofort zurückzugeben.
Von Paderborn aus erschienen u. a. auch am 18. Juli 300 zu Fuß, 100 Dragoner und 100 Reiter vor der Stadt Horn[8] und erstiegen die Mauern. Die durch die Feuerglocke zusammengerufenen Bürger gaben Feuer und verwundeten einige Soldaten. Diese ‚hielten die Hüte auf‘ und erklärten, daß sie mit den Bürgern nichts zu tun hätten, sondern nur einen feindlichen Rittmeister, der sich in der Stadt aufhielt, aufheben wollten. Dieser hatte sich verkrochen, und man mußte sich mit den Pferden, Waffen und Zeug desselben begnügen. Trotz des gegebenen Versprechens wurden aber auch die Bürger ausgeplündert und der Bürgermeister Dr. Ziegler gefangen weggeführt. Dieser sollte nicht eher freigelassen werden, als bis für jeden von den Bürgern getanen Schuß 1000 Tlr. bezahlt wären. Von dieser Forderung mußte vermutlich ein gut Teil nachgelassen werden, da es doch wohl kaum möglich war, in dem schon völlig verarmten Städtchen, von dessen früheren 350 Bürgern kaum noch ein Viertel übrig waren, eine solche Summe aufzutreiben, wenn es auch noch so wenig Schüsse gewesen wären.
Im Herbst des Jahres 1637 drängten die Kaiserlichen wieder die Schweden aus dem Lande hinaus. Das gespannte Verhältnis zwischen dem Grafen v. d. Wahl und Johann Bernhard blieb aber bestehen. In einem Schreiben des ersteren heißt es: … ‚Deroselben Schreiben habe ich empfangen. Spüre daraus, daß durch alle meine Wohlmeinenheit wenig Dank verdienet. Ist das nichts, daß ich anstatt 15 Compagnien nur 7 in der Grafschaft Lippe habe anweisen lassen und dadurch männiglich Ungunst und Ungnade auf mich geladen, auch an meiner Unterhaltung entbehren müssen? Wenn es mein väterliches Erbteil wäre, wüßte ichs nicht anders zu machen. … Alles was man für die kaiserische Soldatesca tuet, ist zu viel, aber was den Feind anlanget, so findet man nichts Unmöglichs …‘
Daß die Kaiserlichen es aber nicht etwa bei der bloßen Einquartierung der 7 Kompagnien bewenden ließen, sehen wir aus einem Bericht aus Varenholz,[9] nach welchem sie im November dort übel gehaust hatten. 40 Pferde und 250 Kühe hatten sie mitgenommen, 140 Schweine geschlachtet, die Papiere des Amtmanns zerstreut und das gräfliche Schloß so ruiniert, daß es auch den Unwillen des hinterher dort einquartierten Grafen v. d. Wahl erregte.
Im Laufe des Jahres hatte die Detmolder Regierung wiederholt mit den Kaiserlichen und Schweden wegen völliger Neutralität der Grafschaft, besonders aber Lemgos, verhandelt, und nach den Zusicherungen beider Parteien glaubte man sich auch endlich Hoffnung auf die Räumung des Landes machen zu dürfen, wenn zu dessen Schutze, wie schon früher einmal, eine eigene Kompagnie angeworben würde. Am 2. Januar erließ die Regierung an die Ämter und Städte den Befehl, nach Verhältnis die dazu nötigen Leute zu stellen; die Städte sollten je 20 Mann anwerben und bis auf weiteres verpflegen. Horn machte zwar Schwierigkeiten, indem es erklärte, es gäbe in der Stadt kaum 50 Bürger, die ein Stück Brot im Hause hätten; trotzdem aber konnte die Regierung schon am 15. Januar dem Befehlshaber der Kaiserlichen die Mitteilung machen, daß die Kompagnie komplett sei und daher der Verabredung gemäß Lemgo geräumt werden möchte. Sie erhielt zur Antwort, daß Lemgo bis zum nächsten Winter besetzt bleiben müßte. Als sich aber die Kaiserlichen im März von den Schweden bedroht sahen, machten sie den Vorschlag die Stadt zu räumen, wenn die lippische Regierung die vier halben Karthaunen und eine ‚Schlange‘ mit eigenen Pferden und 100 Mann Bedeckung nach Paderborn schaffen lassen wollte. Obwohl dies geschah, so rückten doch gleich nach dem Abzug der bisherigen Besatzung fünf Darmstädtische Kompagnien wieder ein.
Am 29. März wurde Lemgo wirklich von den Schweden unter General King eingeschlossen und hart belagert. Es muß bald schlimm um die Belagerten gestanden haben, denn am 2. April schrieb der kaiserliche General v. Vehlen [Velen; BW] an den Grafen Johann Bernhard, daß die Besatzung Lemgo verlassen sollte, wenn die Belagerung aufgehoben würde. Wider alles Erwarten hatte aber King schon an demselben Tage die Belagerung aufgehoben, weil er gehört hatte, daß von Hameln[10] her ein starkes kaiserliches Heer zum Entsatz heranrückte. Schon nach dieser kaum fünftätigen Belagerung klagten die Lemgoer in offenbar übertriebenen Ausdrücken über so großen Mangel, daß ’nicht ein Stück Brot für die kleinen Kinder, geschweige denn für die Einquartierten übrig geblieben wäre‘.
Ebenso wie Lemgo war jedenfalls die Umgegend durch die Belagerung geschädigt, besonders auch Schloß Brake,[11] wo General King sich in Abwesenheit des Grafen Otto einquartiert hatte. Trotz des von Oxenstierna für das Schloß ausgestellten Schutzbriefes mußten hier alle Vorräte an Viktualien und Fourage herausgegeben werden. Als der Amtmann Waterbeck sich darüber beklagte, wurde ihm erwidert, das ginge im Kriege nicht anders zu, und man möchte sich nur nicht einbilden, daß hier auf dem Schlosse etwas bleiben sollte. Offiziere und Reiter sagten auch, Graf Otto hätte sich vor kurzem in Bückeburg[12] bei seiner Durchlaucht so überaus arm gestellt und vorgegeben, er müsse wegen Mangel an Lebensmitteln aus dem Lande ziehen; jetzt aber fänden sie das Haus mit allerhand Notturft dermaßen gespickt, daß sie dergleichen auf vielen Meilen Weges sich nicht getrauten zu finden. Daß sie damit nicht Unrecht hatten, beweist ein Verzeichnis all der schönen Sachen, die in die Küche für den Generalleutnant King und seinen Stab geliefert worden waren. Zum Dank für die gute Bewirtung nahm King auch noch 10 Kutsch- und Wagenpferde nach Minden mit.
Die Reise des Grafen Otto war natürlich aus ganz anderen Gründen geschehen. Mitte Februar hatte er sich zunächst zum kaiserlichen Feldmarschall Grafen [Johann; BW] v. Götz nach Dortmund[13] begeben, um sich über Kriegsschäden und vor allem auch, wie immer, über vermeintliche Übervorteilung durch die Detmolder Regierung zu beklagen. Er muß sich auch wohl beim Grafen Götz in Gunst zu setzen gewußt haben, und um ihn noch mehr für sich gewinnen, reiste er mit geheimen Aufträgen desselben nach Hamburg[14] und Pinneberg.[15] Da diese Auftrage nur im Concept eines Schreibens des Grafen Otto an Götz in einer für die beiden allein verständlichen Weise angedeutet werden, so läßt sich nichts Bestimmtes darüber sagen, es scheint sich jedoch um die Herüberziehung gewisser Bundesgenossen der Schweden auf die Seite der Kaiserlichen gehandelt zu haben. [Möglich erscheint aber auch ein Wechsel von Götz ins schwedische Lager.]
Auch schon vor der Belagerung Lemgos hatte der Amtmann Waterbeck aufs eifrigste die Interessen des abwesenden Graf Otto wahrgenommen. Am 21. Februar schrieb er an diesen über allerlei Geldgeschäfte nach Dortmund und teilte ihm auch mit, daß vorgestern der frühere Bürgermeister Grote und gestern Bürgermeister Flörike und Clausing von Lemgo zu ihm gekommen wären und flehentlich gebeten hätten, daß Graf Otto der Stadt wegen ihres höchst beschwerlichen Zustandes noch etwas Frist zur Bezahlung der geliehenen Gelder gewähren und sie mit dem angedrohten Arrest in Gnaden verschonen möge. Ohne die Antwort des Grafen abzuwarten, ließ er Grote und mehrere vornehme Bürger, die wohl die Schuldverschreibung ausgestellt hatten, durch gräfliche Soldaten ‚mit brennenden Lunten‘ abholen und nach Brake in Arrest abführen. Die kaiserlichen Offiziere in Lemgo waren darüber aufs höchste entrüstet; der Oberst v. d. Recke erschien selbst vor dem Schlosse zu Brake und ließ den Amtmann herauskommen, um ihm über sein rücksichtsloses Verfahren Vorhaltungen zu machen. Er stellte ihm die Not der Bürgerschaft vor; ihm selbst wäre deshalb alle und jede Exekution rückständiger Forderungen untersagt; er müsse es als eine absichtliche Schädigung der kaiserlichen Truppen ansehen, wenn gerade diejenigen, die noch am besten imstande wären, für den Unterhalt derselben zu sorgen, durch Arrest daran gehindert würden: Feldmarschall Götz werde sicherlich die gute Meinung, die er zu Graf Otto gefaßt, verlieren, und es wäre doch auch schlimm, wenn die Untertanen, die bei ihren Herren Zuflucht in der Not suchten, von diesen härter als von Fremden behandelt würden. Auf diese und ähnliche sehr verständige Gründe wußte Waterbeck natürlich wenig zu erwidern, gab aber doch die Arrestanten noch nicht frei, sondern besprach die Sache erst mit dem Oberstleutnant v. d. Wahl, einem Verwandten[16] des bereits erwähnten Generals und Freunde des Grafen Otto. Der Oberstleutnant ließ darauf durch den Amtmann ein Schreiben an den Grafen Otto übersenden. Am nächsten Tag schickte der Oberst einen Kapitän und Kaplan zu Waterbeck, die noch heftiger als er selbst die Freilassung der Arrestanten verlangten. Endlich ließ er dem Amtmann nochmals durch einen Beamten sein Verlangen mitteilen und zwar immer noch in solcher Weise, daß der Amtmann an Graf Otto berichtete, der Oberst sei ein sehr diskreter und bescheidener Kavalier und habe alles mit solcher Höflichkeit begehrt, daß er fast nicht wüß-te, wie man solchem Herrn etwas abschlagen sollte. Weniger höflich waren die anderen Offiziere, welche die Brakischen Beamten Schelme und Eselsköpfe nannten. Von den Lemgoer Bürgern schreibt der Amtmann nur, daß es viel Unruhe bei ihnen gegeben habe; sie dürften sich wohl noch weniger respektvoller Ausdrücke über ihn bedient haben. Vom Grafen Otto kam endlich der Bescheid, daß man es machen solle, wie der Oberstleutnant v. d. Wahl geraten hatte. Die Arrestanten wurden demnach freigegeben gegen einen Revers, daß die Schuld nach einer gewissen Frist getilgt werden sollte“.[17]
„Wie wenig man in Brake das Gemeinwohl im Auge hatte, zeigt auch folgendes Beispiel: Da infolge der allgemeinen Verwilderung des Landes die Wölfe überhand genommen hatten, ordnete Graf Johann Bernhard eine Wolfsjagd an und ersuchte durch ein Schreiben die Regierung von Brake, auch Untertanen ihres Amtes Blomberg[18] zu diesem Zweck nach Horn zu schicken. Der Amtmann Waterbeck unterließ jedoch die Bestellung der Leute, weil ‚dergleichen sonst niemals vorgekommen wäre‘.
Nachdem die Schweden am 2. April die Belagerung von Lemgo aufgegeben hatten, dachten die Kaiserlichen natürlich nicht mehr daran, die Stadt zu verlassen, schon aus dem Grunde, weil die Lemgoer selbst gar nicht damit einverstanden waren, daß sie durch die Niederreißung ihrer Wälle des vermeintlichen Schutzes ihrer alten Freiheiten beraubt werden sollten. Wenn man es aber auch gewollt hätte, so wären doch aus dem verödeten Lande gar nicht die nötigen Arbeiter aufzutreiben gewesen, um in 3 Wochen die Festungswerke zu beseitigen. Da infolgedessen die mit schweren Kosten unterhaltene Kompagnie von 300 Mann überflüssig erschien, beschloß man, sie wieder abzuschaffen und nur 100 Mann davon zu beizubehalten.
Am 22. September erschienen von neuem schwedische und kurpfälzische Truppen vor Lemgo und belagerten es bis zum 6. Oktober, aber auch diesmal zogen sie unverrichteter Sache wieder ab, wahrscheinlich weil wiederum kaiserliche Truppen [unter Hatzfeld] zum Entsatz heranrückten. Schloß Brake hatte wieder in Abwesenheit des Grafen Otto dem Anführer der Schweden nicht nur Quartier und Unterhalt geboten, sondern auch im übrigen den Belagerern als Stützpunkt ihres Unternehmens gedient. Nach dem Abzug derselben schickte daher der Kommandant von Lemgo auf Anordnung des Generals einen Kapitän nach Brake mit der Forderung, daß ihm alle auf Schloß Brake befindlichen Geschütze, Haken und Munition und was sonst dazu gehöre, ausgeliefert und in Lemgo zur Verwahrung niedergelegt werden sollten. Ferner sollten die um das Schloß herumstehenden Eichen niedergehauen, ebenso aber auch die westlich vor Lemgo gelegene Kirche zu St. Johann, deren Turm bereits bis auf die Mauern abgebrannt war, niedergerissen werden, damit in Zukunft etwaige Belagerer keinen Schutz dahinter finden könnten. Endlich verlangte man noch, daß zur Absicherung des Schlosses vor einer Besetzung durch die Schweden 50 Mann eingenommen würden, gab sich aber schließlich damit zufrieden, wenn der Wachtmeister von Brake an Eidesstatt geloben wolle, in Zukunft keine Schweden gutwillig aufzunehmen und es nötigenfalls aufs äußerste zu verteidigen. Der Amtmann suchte den Abbruch der schönen Kirche zu verhindern, indem er erklärte, daß er der verlaufenen Bauern nicht mächtig werden könne. Sei es nun, daß schließlich doch die nötigen Arbeiter aufgetrieben wurden oder daß die Soldaten dabei helfen mußten, schon nach wenigen Wochen meldete der Amtmann seinem Herrn, daß die Kirche mehrenteils umgerissen und etwa 20 Eichen umgehauen wären. Ein geringer Vorrat von Geschützen, Haken und Munition war auf dem Schloß verblieben.
Obwohl die Gräfin Katharina von der Regierung gänzlich ausgeschlossen war, so ließ sie doch klugerweise die Gelegenheit nicht vorübergehen, wenn sie dem Lande nützen und dadurch zugleich ihren Anhang stärken konnte. Da Lemgo allein in dem sonst reformierten Lande wie selbst der lutherischen Konfession angehörte und ihr von vornherein deshalb zugetan war – auch der Hauptverteter ihrer Rechte, der spätere Kanzler Dr. Tilhen, war ein Lemgoer – , so nahm sie sich dieser Stadt besonders an und schrieb auch am 16. September, also kurz vor der zweiten Belagerung, an den schwedischen Feldmarschall Baner folgenden Brief:
Meinen in Gebüer freundlichen Gruß und dienstwilliges Erpieten bevor ! Wohlgeborner Herr General Feldmarschalck, geliebter und geehrter Herr Schwager ! Ob ich wohl bey diesem elenden Zustandt, da mein Bruder und Schwager Johan Bernhardt, Graffe und Edler Herr zur Lippe under dem Vorwandt, daß ihm alß meiner Kinder nechsten Agnaten derselben Vormundschafft gebüre, mich von derselben, ohnangesehen ich vom Kay. Cammergericht darzu bestettigt gewesen, gewaltsamb darvongestoßen, die mei-nem eltesten Söhnlein allein unzerstückt und unzerteilt zugehörende Graffschafft zu sich gerissen und sich gegen alles Recht und Billigkeit selbsten vor regierenden Herrn derselben ausgibt und helt, mich gleichsamb gefangen behelt und deß von meinem hertzlieben Herrn wohls. Andenckens verschriebenen Wittumbs beraubet und darben lesset, wenig oder gar nichts von meines Söhnleins arm betrengt und in eines andern Gewalt stehende Landt und Leut thuen kan, mag ich doch nicht umbhin, auf undertheniges Wünschen unsres Söhnleins guten Stadt Lemgow ein freundlich und dienstliche Vorbitt vor dieselbe bey E. Excell. und L. einzulegen. Sie ist über die Maßen erschöpft und verderbet, der meiste Theil der sonsten ansehnlichen Bürgerschafft auß Noth endlauffen und durch den Todt umbkommen, die herrlichste Gebeuw darin auß Mangel der Einwoner niedergerißen, von der guarnison zu Minden einmahl rein außgeplündert, von den Kayserischen, da sie nuhn fast vor einem Jahr schwedische guarnison ingehabt, mit Schwert und Feuer hefftig beängstiget, da die guarnison außgezogen, dem Magistrat mit Hencken gedrauet und seithero immer sehr starck belegt und vollends auff den Grund außgezogen worden. Nuhn wollen die gute noch restirende Bürger gern sich erholen und, waß ihnen auffgelegt und ihrem Vermögen etwaß gleichförmig, zu Contentirung der Soldatesca in die Cassa oder sonsten beytragen, wan ihnen nur die beschwerliche guarnison abgenommen und freyer Handel und Wandel zu treiben vergönnet werden möchte. Die Kayserische sindt auff vielfältig bescheheneß Bitten nicht abgeneigt die guarnison abzufüren und die Statt in neutralitet zu setzen, wan sie also zu laßen und neutral zu halten auff schwedischer Seite ingleichen eingewilliget und versprochen wirdt. Derowegen ersuche E. Excelll. und L. ich in Gebüer dienstfreundlich, schriffliche ordre an den Herrn Commandanten dieser Ends zu erteilen, solche neutralitet zu verstatten, darüber schrifftlichen Schein der Statt zu ertheilen, allen der Stat Bürger frey ab und zu zu reißen in ihren Geschefften und mit ihren Wahren zu vergönnen und sie sonsten zu allem übrigen demselben bestermaßen zu recommendiren. Eß ist die Hauptstatt und Zierte dieser Graffschafft, auch eintzig von den Stätten der Augspurgischen Confession beygethan und derowegen von den andern etlichermaßen übel angesehen und von der Herrschafft angefochten, Ew. Excell. und L. faveurs aber, als so sich auch zu derselben bekennet, so viel mehr versichert und würdig, ob auch schon das gantze Land mit grössestem Unrecht von meines kleinen Waysens Vettern occupirt. Jedoch weil ich verhoffe, solcher Unbilligkeit, so Gott und den Menschen mißfeldt, solte baldt gesteuert werden, der Schade gleichwohl, so underdeßen darin geschieht, nicht dem unrechtmessigen und falsch eingebildeten regierenden Herrn, sondern meinem unmündigen Waysen widerfehrt, alß will Ew. Excell. und L. zugleich das gantze Land bestes Fleißes reciommendirt und gebetten haben, sol-ches ingleichen den hierumb commandirenden königlichen Schwedischen Generals person kräfftig zu thuen, auch dieses ernstlich darbey, daß sie in keinem Dinge meinem Wiedertheil die Hand bieten. Ew. Excell. und L. verzeihen mihr, daß Ihnen mit meinen Bitten molest binn, Gott’s wird Ihnen vergelten und ich erpiete mich Deroselben nach aller Müglichkeit alle angefellige Ehrendienste zu erweißen. Detmollen den 16./26. Septembris Anno 1638. E. L. dienstwillige Dienerin Catharina, geborene Grefin zu Waldeck, Grefin und Frauw zur Lippe Witibe.
Wie Katharina hier, allerdings ohne Erfolg, die bei den Schweden für die Stadt Lemgo und sie selbst sprechenden Umstände sehr geschickt ins rechte Licht gesetzt hatte, so suchte sie nach der Belagerung in folgendem Schreiben in nicht weniger kluger Weise die Gunst des kaiserlichen General Sergeant de bataille Boron [Baron ?] v. Westerholt[19] zu gewinnen:
Meinen in Gebüer freundlichen Gruß und williges Erpieten bevor ! Wolgeborner freundlicher lieber Vetter !
E. L. ist wissend, in was Gefahr Feuer und Schwerts meines eltesten Söhnleins gute Statt Lemgow bey letzt vergangener Belagerung gestanden, wie willig sie solches zu allerunderthenigstem Dienst der Röm. Kay. May. unsers allergnedigsten Herrn außgestanden, wie fertig sie alles, was in ihrem Vermögen und so zu sagen under neun Schlössern verschlossen gewesen, zu Erquickung der kayserlichen bey ihnen einquartirten Soldatesca hervorgelangt, wie embsig sie Tag und Nacht mitgearbeitet und nach eusserster Müglichkeit ihre Gebüer geleistet und dem Feind Abbruch thuen helffen und daß dardurch, weil ihr Vermögen, so ohne daß gantz biß aufs letzte erschöpfet gewesen, auch umb einen guten Theil geschwechet worden, sie compassion und Linderung würdig ist; sie klagt aber mit hertzbrechendem Barmen und Klagen, daß zu der ohne daß unerträglichen Last der guarnison anstatt der Linderung noch eine größere ihnen will aufgebürdet werden, und schreit mich umb Verschreiben an E. L. an. Finde ich zwar nichts, darauff ich einige Hofnung bawen könte, dardurch etwas Fruchtbarlichs außzurichten, ich wolte es den in E. L. selber suchen, nemblich deren hochberümbten Courtoisie und Leutseligkeit; mus es derohalben nochmals darauf wagen und E. L. ersuchen, Sie wollen eines armen verlassenen gravelichen Waysen arme verlassene und auch bey denen, so sie vertretten solten, ver-haster Statt annehmen und nicht allein weitere Last von ihnen abwenden, sondern auch die jetzige, soweit thuenlich, lindern. E. L. halten sich versichert, daß so viel geängstigter Seelen dankbare Seufzen (!) zu Gott Deroselben zu dem jüngst erhaltenen Sieg[20] E. L. noch mehr bey Gott zu wegen bringen und Gott Dero Haupt darumb mit ei-nem Triumph und Lorbeerkranz über den an-dern schmücken und zieren werde, ich auch sorgfeltig sein werde, Gelegenheit außzuspehen, mit angefelligen Ehrendiensten es umb E. l. zu verschulden. Gott habe E. L. in Hut und segne Sie mit allem erwünschten Wohlwesen. Detmollen den 15./25. ten 8 bris 1638.
– – Im Dezember 1638 wandte sich Melchior von Hatzfeldt an Johann Bernhard und forderte die Freilassung die Freilassung der elf in Detmold einsitzenden Reiter des Regiments Oer von Palsterkamp wegen der Aburteilung durch die kaiserliche Militärjustiz statt durch die lippische Landesjustiz.[21] – –
Das Jahr 1639 verlief verhältnismäßig ruhig. Die Schweden ließen die Kaiserlichen in Lemgo ungehelligt, bestanden dagegen um so eifriger auf der Bezahlung der Kontribution. Gleich zu Anfang des Jahres setzten sie den Oberamtmann Mai [Mey, BW] und den Sekretarius Lucanus, die zu Unterhandlungen nach Minden geschickt waren, waren, in Arrest, um die Zahlung der rückständigen Schuld zu erzwingen, und zu gleichem Zweck beraubten sie einmal die Residenz ihrer Pferde und Kühe. Wenn nicht so viel Räubereien wie sonst vorkamen, so war dies vielleicht der Wachsamkeit der lippischen Soldaten zu verdanken, welche im Lande verteilt waren. Trotzdem waren sie nicht immer gern gesehene Gäste; in Blomberg kam es wenigstens einmal zu Tätlichkeiten zwischen ihnen und dem Bürgermeister, da die Bürger den ihnen zustehenden Unterhalt nicht liefern konnten oder wollten.
Die Streitigkeiten im gräflichen Hause zu Detmold nahmen ihren Fortgang wie bisher. Als Katharina ihrem Schwager Johann Bernhard ein zu ihren Gunsten lautendes Urteil des Kaiserlichen Kammergerichts präsentierte, erwiderte dieser ‚über die maßen höhnisch‘, der Kaiser hätte mit sich selbst genug zu tun, würde wohl andere vergessen …., er säße hier auf dem Haus und möchte sehen, wer ihn herunterbringen wolle. Die Gräfin ließ sich nicht dadurch beirren, sondern traf in aller Stille und Geduld die Vorbereitungen, die ihr zur Erreichung ihres Zwecks nützlich schienen. Vor allem suchte sie den Kommandanten von Lemgo, den Obristleutnant Koch, für sich zu gewinnen und unterhielt mit diesem einen regen vertrauten Briefwechsel. Sie beklagte sich darin bitter über die ihr zugefügte Behandlung, ohne jedoch irgendwelche Niedergeschlagenheit zu zeigen. So teilte sie einmal mit, daß der Schloßhauptmann v. Wrede ihrer Hofmeisterin, einer von Adel, v. Exter, vorgestern Schläge präsentiert habe und ihr selbst heute ’nicht viel weniger‘. Koch spottete dagegen über Wrede: „Ich mag ferners wohl leiden, daß Wrede mit seinem Trommelrühren so viel sich lustig mache, als er will, maßen selbiger dessen nicht viel gewohnt ist‘ usw. Ein ander Mal erzählt er, daß der Oberstleutnant v. d. Wahl bei ihm gewesen und daß sie zusammen in aller Untertänigkeit auf das Wohl der Gräfin getrunken haben.
Gegen Ende des Jahres 1639 drohte Graf Johann Bernhard der Gräfin Katharina das Getreide, welches ihr aus ihrem Wittum zu Horn zustand, zu entziehen. Sie bat daher Koch um Beistand; als aber dieser das Korn unter militärischer Bedeckung von Horn nach Lemgo holen lassen wollte, wurde er durch die Grafen Otto Heinrich und Hermann Adolf, die sich in der Nacht nach Horn begeben hatten, daran gehindert. Diese blieben mehrere Tage dort, ließen Granaten und andere Munition, Bier, Pferde usw. dorthin kommen, um etwaigen weiteren Versuchen der Lemgoer Truppen entgegenzutreten. Die Gräfin Katharina hatte auch, wie sie an Koch schrieb, mit eigenen Ohren gehört, daß Kapitän Wrede ’sich etliche Mal dem Teufel ergeben‘, er wolle die von Lemgo nach Horn geschickten Soldaten alle niederhauen lassen.
Es könnte auffallend erscheinen, daß die kaiserlichen Truppen diesem Zustand nicht mit Gewalt ein Ende machten, da sie sich doch auf die im Namen des Kaisers gefällten Urteile berufen konnten. Da sie Lemgo besetzt hielten, hätten, hätten sie doch gewiß auch die Herrschaft Johann Bernhards im Lande beseitigen und schließlich auch noch das Schloß zu Detmold erobern können. Die Erklärung dafür ist nur darin zu finden, daß die Kaiserlichen den Schweden und Hessen gegenüber durchaus den Schein wahren wollten, als ob sie sich in die inneren Angelegenheiten des lippischen Hauses nicht mischen und auch Katharina den kriegführenden Parteien gegenüber die volle Neutralität beobachten wolle. Katharina wartete also geduldig und suchte und fand mit ihren kaiserlichen Freunden endlich doch noch eine Gelegenheit, um ihr Ziel zu erreichen.
Am 4. Mai 1640 kam der kaiserliche Feldmarschall Graf v. d. Wahl, angeblich nur, um im Vorübergehen dem gräflichen Hause einen Besuch abzustatten, mit größerem militärischen Gefolge nach Detmold. Ihn selbst durfte Johann Bernhard nicht zurückweisen, und er mußte schließlich auch gestatten, daß ihn etwa 25 Mann begleiteten. Es ist nur zweifelhaft, ob diese mit in das Schloß selbst oder nur bis zu der Wache, welche sich zwischen den beiden zum Schlosse führenden Zugbrücken befand, mitgehen sollten. Als aber der Schloßhauptmann v. Wrede merkte, daß die Soldaten dem mit Johann Bernhard vorausgehenden Feldmarschall auch über die zweite Zugbrücke folgen wollten, ließ er diese sofort aufziehen, so daß der Feldmarschall auch über die zweite Zugbrücke folgen wollten, ließ er diese sofort aufziehen, so daß der Feldmarschall völlig von seinen Offizieren und Soldaten abgeschnitten war. Auch die beiden jüngeren Brüder Johann Bernhards oder wenigstens einer derselben befand sich außerhalb des Schlosses. Der Feldmarschall befahl unter heftigen Drohungen die Brücke wieder herunterzulassen. Graf Johann Bernhard mußte aus mancherlei Rücksichten Folge leisten und auch einen Teil der Soldaten ins Schloß aufnehmen. Nachdem nun zwischen Katharina und dem Feldmarschall das Nötige verabredet worden war, wurde am folgenden Tage die gräfliche Schloßwache beseitigt und das Schloß ganz von kaiserlichen Truppen besetzt. Selbstverständlich übernahm jetzt Katharina die Regierung des Landes, und Johann Bernhard wie auch seine Brüder verließen Schloß und Land. Graf v. d. Wahl ließ bei seinem Abzug den Hauptmann Mehler mit 100 Mann als Besatzung auf dem Schlosse zurück und führte den Hauptmann v. Wrede nebst einem Teil der Schloßwache gefangen mit sich fort, und da der Drost von Post und der Licentiat Justus von Robbig, der Hauptratgeber Johann Bernhards, sich den von ihm getroffenen Anordnungen nicht fügen wollten, wurden auch diese nachträglich als Gefangene abgeführt.
Es kam jetzt, wie schon angedeutet, darauf an, die Gegner der Kaiserlichen wegen der Neutralität Lippes zufrieden zu stellen. Bei den Schweden wurde dies der Gräfin nicht allzu schwer gemacht. Schon am 20. Mai schrieb der Oberst Wolf aus Minden an Drost Hunold, daß man dort mit der Übernahme der Regierung durch Katharina ganz zufrieden sei. Graf Johann Bernhard hatte nämlich die Kontribution sehr unpünktlich bezahlt; und man hoffte, daß die Gräfin darin mehr Eifer zeigen werde, man verlangte aber, daß die kaiserliche Besatzung vom Schlosse zu Detmold wieder entfernt würde. Da die Gemahlin des Feldmarschalls Baner, eine mit Katharina verwandte Gräfin von Erbach,[22] gerade gestorben war, drückte ihm Katharina ihr Beileid aus und benutzte diese Gelegenheit, ihr Verfahren gegen Johann Bernhard zu rechtfertigen. Sie bat ihn auch, sie bei dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg, bei welchem Graf Hermann Adolf in Dienst getreten war, sowie auch bei der Landgräfin von Hessen zu entschuldigen. Baner kam diesem Wunsche gerne nach, verlangte aber ebenfalls, daß die kaiserliche Besatzung von Detmold weggenommen werden sollte; wenn sie militärischen Schutzes bedürfe, möge sie solchen bei den Schweden suchen. Da die Gräfin noch weiter verdächtigt wurde, entschuldigte sie sich nochmals bei Baner in einem Schreiben vom 23. August, worin sie ihm zugleich mitteilen konnte, daß die Kaiserlichen entfernt und ein neuer Kommandant mit allen dazu angenommenen Soldaten auf sie selbst vereidigt worden sei.
Schwieriger war es, die Landgräfin Amalie von Hessen zu beruhigen, in deren Dienst Otto Heinrich sich begeben hatte. Die feindliche Gesinnung der Hessen machte sich durch verschiedene Einfälle bemerkbar. So wurden in der Nacht vom 25. zum 26. Juli verschiedene Pferde und zwei Soldaten aus der Nähe von Detmold nach Lippstadt,[23] wo Otto Heinrich als Rittmeister stand, entführt. Man nahm in Detmold allgemein an, daß dieser es veranlaßt habe. Gräfin Katharina schrieb daher an seinen Obristen Stauffen [Stauff, BW] und erklärte es für unmöglich, daß ihr Schwager sich an einer Tat beteiligt haben sollte, wofür man gemeine Reiter zu henken pflege. Obrist Stauffen hatte aber ganz richtig einen Vorwurf gegen Otto Heinrich darin gefunden, und nahm diesen sehr energisch in Schutz. Er schrieb, Graf Otto Heinrich habe nur den Reitern 44 Tlr. gegeben, damit die Pferde nicht verbracht würden; überdies gehörten sie dem Grafen Johann Bernhard und die gefangen mit weggeführten Leute seien kaiserliche Soldaten, also Feinde gewesen. Gräfin Katharina widerlegte zwar die beiden letzten Punkte, erbot sich aber gegen Rückgabe der Pferde die 44 Tlr. an Otto Heinrich zurückzuzahlen; sie sei überhaupt bereit, alles Mögliche für ihn zu tun, wenn er nur Frieden halte; ‚für diesen Fall wolle sie gerne ihren Rock verkaufen‘. Die Pferde wurden infolgedessen zurückgegeben. Die Gräfin bedankte sich sehr höflich bei Oberst Stauffen; obwohl sie aber auch an Otto Heinrich, um ihn zu versöhnen, ein Briefchen geschrieben hatte, mußte sich doch schon wieder über ihn beklagen, weil eine von ihm mit Paß und Befehl versehene Abteilung Reiter in der Nacht den Drosten des Amtes Horn Hauptmann v. Rübel mit List und Gewalt aus seinem Hause in Hornoldendorf[24] weggeführt hatte. Nach einem ihr zugegangenen Schreiben sollte er nicht eher freigelassen werden, als bis Drost von Post und Licentiat Robbig, die noch in Lemgo gefangen saßen, freigegeben würden. Sie schrieb, sie könne sich nicht denken, daß die Landgräfin den Befehl dazu gegeben oder der Oberst selbst darum gewußt hätte; Graf v. d. Wahl würde sich auch hierdurch so wenig wie durch ihre frühere Fürsprache zur Freigabe seiner Gefangenen bestimmen lassen, sie bäte also, ihren Beamten, der weder mit Kriegsangelegenheiten noch mit ihren Hausirrungen etwas zu tun hätte, wieder zurückzuschicken. Die Landgräfin Amalie wie der Oberst Stauffen müssen aber doch wohl mit dem Verfahren des Grafen Otto Heinrich ganz einverstanden gewesen sein; denn erst längere Zeit danach wurde Rübel freigelassen gegen das Versprechen, daß auch Post und Robbig freigegeben werden sollten.
Graf Otto Heinrich war übrigens zuerst zur Versöhnung bereit und wollte auch zwischen der Gräfin und seinen Brüdern verhandeln. Er kam deshalb schon im Januar 1641 nach Detmold und hielt sich auch im Mai desselben Jahres dort auf. Die Verhandlungen kamen aber lange Zeit nicht recht vorwärts, da die Grafen anfangs Abfindung mit Land, später aber so viel Geld verlangten, daß die Gräfin, ohne sich und ihre Kinder wie auch das Land zu ruinieren, unmöglich einwilligen konnte. Erst im Frühjahr kam eine Einigung dahin zustande, daß Otto Heinrich und Hermann Adolf jährlich je 1000 Tlr., Johann Bernhard 1200 Tlr. und einige Naturalien erhalten sollte. Letzterer hielt sich dann meist in Bremen auf, bis er ganz unerwartet im Jahre 1650 von Rechtswegen zur Herrschaft des Landes gelangte.
„Im Juli 1643 wurde die Vereinbarung getroffen, daß im Fall der Wiederverheiratung der Gräfin ihr Schwager, Graf Emich von Leiningen-Westerburg, die Vormundschaft weiterführen sollte. Diese Vereinbarung wurde bis zur Bestätigung durch das Reichskammergericht verheimlicht, damit nicht etwa Graf Johann Bernhard Einspruch dagegen erhöbe. Die Hochzeit fand am 15. November 1643 statt. Da aber Graf v. Leiningen wegen anderer dringender Geschäfte nicht sogleich nach Detmold kommen konnte, wurde zunächst eine provisorische Regierung eingesetzt, welche aus dem Hofrichter Schwarz, Drost Hunold und Vizekanzler Tilhen bestand. Man fürchtete anfangs immer noch allerlei Störungen durch den Grafen Johann Bernhard und die von ihm aufgereizten Hessen und Schweden; schließlich aber wurde Graf v. Leiningen allgemein anerkannt und führte die Vormundschaft ungehindert im Namen Katharinas bis zum Jahre 1650″.[25]
[1] Paderborn; HHSD III, S. 601ff.
[2] mandatum poenale: Strafbefehl.
[3] Marburg; HHSD IV, S. 35ff.
[4] Minden [LK Minden]; HHSD III, S. 517ff.
[5] Lemgo [LK Lemgo]; HHSD III, S. 452ff.
[6] Detmold [LK Detmold]; HHSD III, S. 156ff.
[7] Paderborn; HHSD III, S. 601ff.
[8] Horn [LK Detmold]; HHSD III, S. 341f.
[9] Varenholz [LK Lemgo]; HHSD III, S. 729.
[10] Hameln; HHSD II, S. 192ff.
[11] Brake i. L. [LK Lemgo]; HHSD III, S. 112.
[12] Bückeburg; HHSD II, S. 80ff.
[13] Dortmund; HHSD III, S. 166ff.
[14] Hamburg; HHSD I, S. 83ff.
[15] Pinneberg; HHSD I, S. 206f.
[16] Es handelt sich dabei um den Bruder.
[17] STEGMANN, Lippe, S. 119ff.
[18] Blomberg [LK Detmold]; HHSD III, S. 86f.
[19] Westerholt zu Lembeck, Bernhard Hackfort von (1595-1638).
[20] Gemeint ist hier der Sieg der Kaiserlichen unter Melchior von Hatzfeldt bei Vlotho am 17.10.1638 gegen Ruprecht von der Pfalz und King.
[21] ENGELBERT, Hatzfeldt, Nr. 70.
[22] Banér hatte in 2. Ehe am 25.7.1636 Elisabeth Juliane von Erbach († 29.5.1640) geheiratet.
[23] Lippstadt [LK Lippstadt]; HHSD III, S. 474f.
[24] Hornoldendorf, heute Ortsteil von Detmold [LK Lippe].
[25] STEGMANN, Lippe, S. 138.