Nassau-[Katzenelnbogen]Dillenburg, Georg Graf von [1562 – 9.8.1623]
Im pro-protestantischen „Theatrum Europaeum“ hieß es: „Das Kriegsvolk nahm unter dem Grafen von Anhold [Anholt; BW] seinen Weg durch die Grafschaften Nassau, Dillenburg und Siegen. Dort hat es in den Orten mit Rauben und Plündern schrecklich gehaust, mit Schändung der Frauen und Jungfrauen, ohne Schonung der Kindbetterinnen“.[1]
„Am 30. Januar [1622; BW] rückte ein 12.000 Mann starkes Bayernkorps mit Infanteristen und Kavallerie in das Dillenburgische ein, zog aber darauf ins Siegener[2] und Westfälische Land weiter. Während Dillenburg[3] von Einquartierungen verschont blieb, besetzte Graf Anholt mit 800 Kavalleristen Haiger.[4] Die schlechte Zucht und Disziplinlosigkeit der kurbayerischen Truppen des Generals Anholt waren erschreckend. Die Soldaten verübten in den Nassauischen Ländern unvorstellbare Greueltaten. Männer, Frauen und Kinder mußten Unmenschliches ertragen. Die Frauen wurden in Gegenwart ihrer Männer vergewaltigt. Kindbetterinnen vertrieb man aus den Wohnungen und verjagte sie in die umliegenden Wälder. Männer, die sich zur Wehr setzten, wurden bestialisch umgebracht.
In Ebersbach (Ewersbach[5]) und Uckersdorf[6] mußten die Quartiersleute bis zu 100 Reichsthaler an die Soldaten bezahlen. Zu allem Überfluß wurden ihnen auch noch alle Hauseinrichtungen zerschlagen und die wenigen noch übriggebliebenen Proviantvorräte mit Kot beschmutzt und ungenießbar gemacht. Im Dillenburgischen ließ Graf Anholt den Bürgern 126 Pferde abnehmen. Aus den Siegener Dörfern wurden noch üblere Taten der Gewalt und Schande, an denen sich auch die Anholtischen Offiziere beteiligten, gemeldet. In Ferndorf überfielen die Soldaten den dortigen Schultheiß und stahlen alles, was nicht niet- und nagelfest war. Während sie ihn bis auf das Hemd entkleideten, warfen sie seine Frau, die erst vor drei Tagen ein Kind geboren hatte, aus ihrem Bett und jagten sie in den Wald.
Die Schadensmeldung beim Durchzug des 12.000-Mann-Heeres durch die Dillenburger und Siegener Lande bezifferte Graf Georg auf 50.000 und Graf Johann der Mittlere auf 80.000 Gulden. Hinzu kamen noch die offenstehenden Forderungen des Marquis Spinola, die noch nicht gänzlich erfüllt waren und mit 15.817 Reichstalern zu Buche schlugen. In dieser Zeit überbrachte Hermann von Donsbach im Auftrag des Grafen Johann eine Depesche an Graf Georg, in der die Grenzbefestigung befohlen wurde. Das dem Herzog Christian von Braunschweig unterlegene Anholtsche Korps kam aber nicht durch das Siegener Gebiet, sondern blieb im Kölnischen liegen. Erst im Mai begann der Rückzug der kurbayerischen Truppen durch das Hessische nach der Wetterau“.[7]
[1] MILGER, Gegen Land und Leute, S. 127.
[2] Siegen; HHSD III, S. 686ff.
[3] Dillenburg [Lahn-Dill-Kreis]; HHSD IV, S. 89ff.
[4] Haiger [Lahn-Dill-Kreis]; HHSD IV, S. 196f.
[5] Ewersbach [Lahn-Dill-Kreis], HHSD IV, S. 116.
[6] Uckersdorf, heute Stadtteil von Herborn [Lahn-Dill-Kreis].
[7] GAIL, Krieg, S. 10f.; Wetterau; HHSD IV, S. 457ff.