Sweder Schele (1569-1639) und sein Hausbuch
Teil 3 / fol. 667
Die stat Magdeburg, die bi tiden
Caroli 5 vor Evangelische lher?[1] stand
geholden, na luit dem liede:
Magdeburg, halt dich feste,
du wallge/bauetes hausz;
dir kommen frembde / geste,
die wollen euch jagen aus.
Zu Magdeburg auff den wellen,
liggen / den hundlein fein,
die stets dem feind / anbellen,
lassen keinen Spanier ein.[2]
Sampt anderen, so ich in mein
jugent woll gehoret. Ist aber jetzund
von dem Tilli jamerlich verheret
nach laut folgenden traurigen liede.
Tempus ast ? es tut incipit judicium
a domo Dei (1 Pet. 4 v 17).[3]
Wie gerne wolt ich singen,
so sticht? / mich trauren an.
ich weis.. nicht / zu verbringen,
jedoch kann ich’s nit lhan?.
Her Gott, dir thu ich’s klagen
den / jamer und grosse noet,
so sich / vor / weinig tagen,
neulich hatt zu-getragen /
lasz dich’s erbarmen, Gott.
In Sachsen ist gelegen
een feine, schone stat;
mein christ thues? woll / erwegen,
Magdeburg sie den namen hatt / ,
keiser Carll der funfft des namens /
auch viel reichsfursten daer
mit einer grossen / sommen
sint vor die stadt gekommen /
das ist gewislich whar.
Als man zalt tausent funffhundert /
und funffzig ich auch sag,
haben sie / davor gelegen
viel lenger als jar und tag;
sie musten widerom abweichen
von obgemeldeten stat,
nun horen arm und reiche
darom nicht ihres gleichen
damals belegert wardt.
Aber in diesem jhar,
ihr lieben / christenleut,
das singe ich euch vorwar
jetzund in dieser zeit,
hatt sich’s noch / zugetragen
mit mher gemelter stat /
thu? ich mit warheit sagen,
darom / thut nit verzagen,
schrecklick begeben hatt.
Teil 3 / fol. 668
Graeff Tilli ist davor kommen
wegen keiserlicher Majesteit,
mit einen grosse sommen,
wie man erfahren hatt,
bei funfftzig tausent manne[4]
wart die stat angerant,
auch jeder man bekante
im gantzen teuschen lande.
Nun horet weiter an.
Sie theten sich fast vergraben
wall um die stat herum,
mit schantzen und lauff-graben
viel batterien in der sum ?;
das geschutz thet man darauff bringen
sie schossen hinein mit macht,
musquetten und pistolen klingen,
die kugeln hort man singen,
das in dem felde kracht.
Danach man ein trompetter
geschicket in die stat,
ob sie sich wolten ergeben, woll in des keisers gnad.
Sie theten einmutig sprechen zu dem trompetter gust:
unsern eidt wollen wyr nit brechen
auch wollen wyr ritterlich fechten
um leibe, her, gut und blut.
Als graff Tilli hat vernommen
Von der stat antwordt gar,
thet sich nit lang besinnen,
das ist gewislich war?.
Den 19 Maii eben,
asbalt bepholen wardt,
ordonnantz thet er in geben,
am abent soltens angeben und schiessen nach der stat.
Vom weidt? in der Elb man geschossen,
da die maur am swechsten war,
mit vuiel stucken, unverdrossen,
die gantze nacht vorwar.
Die mauren theten infallen,
in dem, da wardt es tag.
Das thet ihnen nicht gefallen.
Darum ihr Christen alle,
noch weiter ich euch sag.
Graff Tilli darauff alsbalt
Ordonantz gegeben hatt:
sie sollen mit gewalt
hinan woll auff die stat
zum sturm theten anlauffen,
das wall mannig tausent man.
Die in der stat theten auch mit slaffen
sie werten sich aus der massen,
wie ihr werdet hören an.
Teil 3 / fol. 669
Morgens zwischen 6 und sieben
ging das recht sturmen an,
und weret bis zu eilffen
als der Mittag kam heran,
die keiserischen mit gewalt hinein drungen,
da stelt man sich zur wher.
Die stucken hort man klingen
Musketten und kugeln singen,
woll um die ohren hen.[5]
Auffm marckt ging es an ein treffen,
bis in die vierte stund,
sie theten ritterlich fechten,
mang tapffer helt ging zu grunt.
Ihr leben musten sie lassen
Auff beiden seiten behend,
viel bluts wardt da vergossen,
das auff der erden geflossen.
Gott hatt sie in seiner hand.
Ein schrecklich schreien und weinen
Hatt man alda gehoert;
Ein grosz heulen und karmen,
desgleichen niemals erhort,
von man man, weib, kinderen alle,
O, whee der grossen noet
Hört man mit grossem schalle.
Darum ihr Christen alle,
treibt daraus keinen spott.
Die borger theten sich weren,
bis auff den letzsten man,
oberster Falkenberg ist geblieben,
auch horet doch weiter an !
Den Bischoff hatt man gefunden,
unter den todten daer,
gar hardt war er verwundet
woll zu derselben stunde von keiserischen gefangen wardt.
Daer ginck es an ein plunderen,
von den keiserischen gut,
das feur uber-hand genommen
in der stat unverhut,
an allen orten und enden
je lenger und je mher,
so grausam thet es brennen, wie man solt’s bekennen !
Lasz dich’s erbarmen Her !
Also die stat verbronnen,
weinig heuser stehen noch daer,
wie man gar woll vernommen,
dis ist gewislich war !
auch jamer uber die massen,
o hertzen-leidt, grosse noet,
lasz uns ja nicht verderben,
in solchen smertzen sterben !
Lasz dich’s erbarmen Gott.
Woll bei dreissig tausent[6]
Auff beiden seiten blieben sein –
Darob mangen Christen grauset –
Ohn weib und kinder klein !
Ach jamer uber jamer,
o Elend, grosse noet !
Her Jesu Christ, du wollest ihn geben, allen das ewige leben,
genad ihn der ewige Gott.
Hernach haben eilff tausent todten
nakend und blosz in die Elb gefhurt
mit grausen?; o we den grossen woet,
alda mugt sie ruhen,
bis an den jungsten tag,
wan Gott der Her wirdt kommen
und versamlen seine frommen
am letzsten gerichtes tag !
und mussen also der hunde und vogel speise sein.
Darum ma[n]ch mensch zur stunde
Daruber hertzlich weint
weill die welt hatt gestanden
kein solch jamer elend und noet,
auch vor niemals erkandt
in Teuschen und Welschen landen !
Lasz dich’s erbarmen Gott !
Darum, ihr Christen alle
Stehet auff vom slaf der sunde,
Wacht und bettet, all zumale
ihr lieben menschen-kind,
die ruth ist schon gebunden,
der jungste tag ist nicht weit,
darum stehet ab von sunden,
das wyr uns mogen finden,
dort in der ewigen freud.
Zu welcher freund uns allen
woll helffen Jesus Christ
aus diesem jamerthale
wen die stund vorhanden ist;
wollest uns alle geleiten
mit alle engel-schaer
in die ewige freuden
jetzund zu allen zeiten. Amen.
Gedruckt zu Hamburg.
[1] Lher = Lehr
[2] Nach LANGER, Hortus, S.221:
Zu Magdeburg auf der Brücken,
da liegen zwei Hündlein klein,
die bellen alle Morgen
und lassen keinen Spanier ein.
[3] „Denn es ist Zeit, dass anfange das Gericht an dem Hause Gottes“.
[4] Ab dem 10. Mai 1631 belagerten rund 26.800 kaiserliche Soldaten die Stadt.
[5] wahrscheinlich: her.
[6] Ca. 20.000 Bürger sollen getötet worden sein.