Rabe, N; Obrist [ – ] Rabe stand als Obrist[1] in schwedischen Diensten.[2] Der Erzgebirgschronist Christian Lehmann [11.11.1611-11.12.1688][3] erinnert sich: „Den 15. December [1644; BW], war der 3. Advents-Sontag, kamen frühe umb 9 Uhr von Chemnitz[4] herauf marchiret nach Marienberg[5] und Wolckenstein[6] zue 1 regiement[7] zue Pferd des Pfalzgraffens von Zweybrück,[8] 1 Regiement zue Pferd des Obristen Dörflings,[9] 1 regiement Fritzlebens, 1 Esquadron[10] des Obrist-Leutenandts Rabens, alle zue Pferd und 1 Compagnie[11] zue fuß; wie die letzten uber die brücke untter Wolckenstein gingen, fiele Sie ein, darvon ezliche verwundt wurden, und einer mit sambt den Pferd gar todt bliebe. Der Obrist Fritzleben mit seinem Regiement bliebe in Wolckenstein liegen, die andern alle, in die 5000 starck, legten sich in Marienberg, theils in wuste heußer, und verursachten hunger, angst und noth; Den Sie lagen 4 wochen biß auf den 14. Januar, fraßen alles auf, daß weder brod noch bier, weder holtz noch salz mehr wahr zuebekommen. Die heußer wurden zue wachfeuern niedergerißen, und wahr dieses das ärgste, daß Sie eine schedliche kranckheitt[12] unnter die bürger brachten und darmit die Statt ansteckten, daß nach ihren aufbruch Sie heuffig erkranckten und wegstarben. Sonst hielten Sie untter ihren regiementern scharfe disciplin; auf den Annenberg[13] musten reuter und jungen spießruthen lauffen.[14] Den 8. Januar wurde auf den Marienberg ein musquetirer[15] gehengt,[16] der einen andern bey Andreas Cuntzmann erstochen hatte“.[17]
„Den 15. Januar [1646; BW] kam der Obrist Rabe nach Marienberg, begehrte vor die Völcker 3000 (300 ?) pfund brot, 6 fas[18] bier, 50 (5) scheffel[19] haber, von Annenberg auch so viel“.[20]
[1] Obrist: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S. 388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Dazu beanspruchte er auch die Verpflegung. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide. Zum Teil führte er auch seine Familie mit sich, so dass bei Einquartierungen wie etwa in Schweinfurt schon einmal drei Häuser „durch- und zusammen gebrochen“ wurden, um Raum zu schaffen; MÜHLICH; HAHN, Chronik Bd. 3, S. 504. II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.
[2] schwedische Armee: Trotz des Anteils an ausländischen Söldnern (ca. 85 %; nach GEYSO, Beiträge II, S. 150, Anm., soll Banérs Armee 1625 bereits aus über 90 % Nichtschweden bestanden haben) als „schwedisch-finnische Armee“ bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen der „Royal-Armee“, die v. Gustav II. Adolf selbst geführt wurde, u. den v. den Feldmarschällen seiner Konföderierten geführten „bastanten“ Armeen erscheint angesichts der Operationen der letzteren überflüssig. Nach LUNDKVIST, Kriegsfinanzierung, S. 384, betrug der Mannschaftsbestand (nach altem Stil) im Juni 1630 38.100, Sept. 1631 22.900, Dez. 1631 83.200, Febr./März 1632 108.500, Nov. 1632 149.200 Mann; das war die größte paneuropäische Armee vor Napoleon. Schwedischstämmige stellten in dieser Armee einen nur geringen Anteil der Obristen. So waren z. B. unter den 67 Generälen und Obristen der im Juni 1637 bei Torgau liegenden Regimenter nur 12 Schweden; die anderen waren Deutsche, Finnen, Livländern, Böhmen, Schotten, Iren, Niederländern und Wallonen; GENTZSCH, Der Dreißigjährige Krieg, S. 208. Vgl. die Unterredung eines Pastors mit einem einquartierten „schwedischen“ Kapitän, Mügeln (1642); FIEDLER, Müglische Ehren- und Gedachtnis-Seule, S. 208f.: „In dem nun bald dieses bald jenes geredet wird / spricht der Capitain zu mir: Herr Pastor, wie gefället euch der Schwedische Krieg ? Ich antwortet: Der Krieg möge Schwedisch / Türkisch oder Tartarisch seyn / so köndte er mir nicht sonderlich gefallen / ich für meine Person betete und hette zu beten / Gott gieb Fried in deinem Lande. Sind aber die Schweden nicht rechte Soldaten / sagte der Capitain / treten sie den Keyser und das ganze Römische Reich nicht recht auff die Füsse ? Habt ihr sie nicht anietzo im Lande ? Für Leipzig liegen sie / das werden sie bald einbekommen / wer wird hernach Herr im Lande seyn als die Schweden ? Ich fragte darauff den Capitain / ob er ein Schwede / oder aus welchem Lande er were ? Ich bin ein Märcker / sagte der Capitain. Ich fragte den andern Reuter / der war bey Dreßden her / der dritte bey Erffurt zu Hause / etc. und war keiner unter ihnen / der Schweden die Zeit ihres Lebens mit einem Auge gesehen hette. So haben die Schweden gut kriegen / sagte ich / wenn ihr Deutschen hierzu die Köpffe und die Fäuste her leihet / und lasset sie den Namen und die Herrschafft haben. Sie sahen einander an und schwiegen stille“.
Zur Fehleinschätzung der schwedischen Armee (1642): FEIL, Die Schweden in Oesterreich, S. 355, zitiert [siehe VD17 12:191579K] den Jesuiten Anton Zeiler (1642): „Copey Antwort-Schreibens / So von Herrn Pater Antoni Zeylern Jesuiten zur Newstadt in under Oesterreich / an einen Land-Herrn auß Mähren / welcher deß Schwedischen Einfalls wegen / nach Wien entwichen / den 28 Junii An. 1642. ergangen : Darauß zu sehen: I. Wessen man sich bey diesem harten und langwürigen Krieg in Teutschland / vornemlich zutrösten habe / Insonderheit aber / und für das II. Was die rechte und gründliche Ursach seye / warumb man bißher zu keinem Frieden mehr gelangen können“. a. a. O.: „Es heisst: die Schweden bestünden bloss aus 5 bis 6000 zerrissenen Bettelbuben; denen sich 12 bis 15000 deutsche Rebellen beigesellt. Da sie aus Schweden selbst jährlich höchstens 2 bis 3000 Mann ‚mit Marter und Zwang’ erhalten, so gleiche diese Hilfe einem geharnischten Manne, der auf einem Krebs reitet. Im Ganzen sei es ein zusammengerafftes, loses Gesindel, ein ‚disreputirliches kahles Volk’, welches bei gutem Erfolge Gott lobe, beim schlimmen aber um sein Erbarmen flehe“. Im Mai 1645 beklagte Torstensson, dass er kaum noch 500 eigentliche Schweden bei sich habe, die er trotz Aufforderung nicht zurückschicken könne; DUDÍK, Schweden in Böhmen und Mähren, S. 160.
[3] SCHMIDT-BRÜCKEN; RICHTER, Der Erzgebirgschronist Christian Lehmann.
[4] Chemnitz; HHSD VIII, S. 43ff.
[5] Marienberg; HHSD VIII, S. 215f.
[6] Wolkenstein [Erzgebirgskreis]; HHSD VIII, S. 364f.
[7] Regiment: Größte Einheit im Heer: Für die Aufstellung eines Regiments waren allein für Werbegelder, Laufgelder, den ersten Sold und die Ausrüstung 1631 bereits ca. 135.000 fl. notwendig. Zum Teil wurden die Kosten dadurch aufgebracht, dass der Obrist Verträge mit Hauptleuten abschloss, die ihrerseits unter Androhung einer Geldstrafe eine bestimmte Anzahl von Söldnern aufbringen mussten. Die Hauptleute warben daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. Wegen der z. T. immensen Aufstellungskosten kam es vor, dass Obristen die Teilnahme an den Kämpfen mitten in der Schlacht verweigerten, um ihr Regiment nicht aufs Spiel zu setzen. Der jährliche Unterhalt eines Fußregiments von 3.000 Mann Soll-Stärke wurde mit 400- 450.000 fl., eines Reiterregiments von 1.200 Mann mit 260.-300.000 fl. angesetzt. Zu den Soldaufwendungen für die bayerischen Regimenter vgl. GOETZ, Kriegskosten Bayerns, S. 120ff.; KAPSER, Kriegsorganisation, S. 277ff. Ein Regiment zu Fuß umfasste de facto bei den Kaiserlichen zwischen 650 und 1.100, ein Regiment zu Pferd zwischen 320 und 440, bei den Schweden ein Regiment zu Fuß zwischen 480 und 1.000 (offiziell 1.200 Mann), zu Pferd zwischen 400 und 580 Mann, bei den Bayerischen 1 Regiment zu Fuß zwischen 1.250 und 2.350, 1 Regiment zu Roß zwischen 460 und 875 Mann. Das Regiment wurde vom Obristen aufgestellt, von dem Vorgänger übernommen und oft vom seinem Obristleutnant geführt. Über die Ist-Stärke eines Regiments lassen sich selten genaue Angaben finden. Das kurbrandenburgische Regiment Carl Joachim v. Karberg [Kerberg] sollte 1638 sollte auf 600 Mann gebracht werden, es kam aber nie auf 200. Karberg wurde der Prozess gemacht, er wurde verhaftet und kassiert; OELSNITZ, Geschichte, S. 64. Als 1644 der kaiserliche Generalwachtmeister Johann Wilhelm v. Hunolstein die Stärke der in Böhmen stehenden Regimenter feststellen sollte, zählte er 3.950 Mann, die Obristen hatten 6.685 Mann angegeben. REBITSCH, Gallas, S. 211; BOCKHORST, Westfälische Adlige.
[8] Karl X. Gustav König (1654) v. Schweden [8.11.1622 Nyköping-13.2.1660 Göteborg], schwedischer Generalissimus.
[9] Georg v. Derfflinger [Derfling, Doerfling, Dörffling, Törfling, Dorflinger] [20.3.1606 Neuhofen/Österreich-14.2.1695 Gusow], schwedischer Obrist.
[10] Schwadron: Im 16. Jahrhundert bezeichnete Escadre (von lateinisch exquadra Gevierthaufen, Geschwader) eine Stellungsform des Fußvolks und der Reiterei, aus welcher im 17. Jahrhundert für letztere die Eskadron, für ersteres das Bataillon hervorging. Ca. 210 Pikeniere sollten eine Schwadron bilden, 3 eine Brigade. Die Schwadron der Reiterei entsprach der Kompanie der Fußtruppen. Die schwedische Kompanie (Fußtruppen) bestand nach Lorenz TROUPITZ, Kriegs-Kunst / nach Königlich Schwedischer Manier eine Compagny zu richten, Franckfurt 1638, aus drei Schwadronen (zu Korporalschaften, eine Schwadron entsprach daher dem späteren Zug).
[11] Kompanie: Eine Kompanie zu Fuß (kaiserlich, bayerisch und schwedisch) umfasste von der Soll-Stärke her 100 Mann, ihre Ist-Stärke lag jedoch bei etwa 70 Mann, eine Kompanie zu Pferd bei den Bayerischen 200 Mann, den Kaiserlichen 60 Mann, den Schwedischen 80 Mann. Geführt wurde die Fußkompanie von einem Hauptmann, die berittene Kompanie von einem Rittmeister. Vgl. TROUPITZ, Kriegs-Kunst. Vgl. auch „Kornett“, „Fähnlein“, „Leibkompanie“.
[12] Soldatenkrankheiten: Gemeint ist normalerweise die Syphilis => Franzosen; vgl. aber auch EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 125ff.; kruenitz1.uni-trier.de/xxx/s/ks22319.htm: Kriegs=Krankheiten und Seuchen, Feld=Krankheiten.
[13] Annaberg-Buchholz [Erzgebirgskreis]; HHSD VIII, S. 5ff.
[14] Spießruten laufen: Der Spießrutenlauf wurde angeblich von Gustav Adolf eingeführt und geht vermutlich auf das „Recht der langen Spieße“ oder das Lanzengericht der Landsknechte zurück. Kam es zu unehrenhaften oder besonders schweren Straftaten, die die Ehre des gesamten Landsknechts-Fähnleins oder -Regiments befleckten, so traten der Profos als öffentlicher Ankläger und die Landsknechtsgemeinde als Richter auf. Die Landsknechtsgemeinde bestimmte drei Gruppen, die unabhängig voneinander ein Urteil empfahlen: Freispruch, Gnadenspruch oder Todesurteil. Während der Profos das Todesurteil begründete, konnte der Angeklagte seine Unschuld beteuern oder um Gnade flehen. Traten die Landsknechte für das Todesurteil ein, so begaben sie sich an die Hinrichtungsstätte und bildeten dort in Ost-West-Richtung eine Gasse, an deren Seiten die Spießträger sich in zwei fest geschlossenen Dreierreihen aufstellten. Ließ ein Spießträger eine Lücke, um den Todeskandidaten entrinnen zu lassen, so drohte jenem, an dessen Stelle durch die Gasse laufen zu müssen. Am Ende der Gasse standen die Fähnriche mit den gesenkten, in Unehre gefallenen Fahnen. Der Verurteilte musste vor seinen Kameraden bekennen, dass er ihnen deren Urteil verzeihe. Dreimal durchschritt der „arme Mann“ begleitet vom Provos nun die Gasse, um von seinen Kameraden Abschied zu nehmen und sie um Verzeihung für seine Schandtat zu bitten, dann rollten die Fähnriche die Fahnen ein und stießen sie umgekehrt in den Boden, der Profos schlug dem Sünder dreimal auf die Schulter, der Todgeweihte betrat die Gasse und marschierte auf die Fahnen zu. Richter und Henker waren in diesem Fall die Landsknechte selbst, die mit den zustoßenden Spießen die Schandtat straften und damit die Ehre der Fahne wieder herstellen konnten. Im Zeitalter des Absolutismus wurde der Spießrutenlauf zum festen Bestandteil der Disziplinargewalt. Unter Aufsicht von Offizieren bildeten ein oder mehrere hundert Soldaten mit vorgestelltem Gewehr eine etwa zwei Meter breite Gasse, die der bis zum Gürtel entblößte Verurteilte mit auf der Brust zusammengebundenen Händen mehrmals langsam bei Trommelschlag durchschreiten musste. Hierbei erhielt er von jedem Soldaten mit einer Hasel- oder Weidenrute (Spieß- oder Spitzrute) einen Schlag auf den Rücken. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, S. 336: „Denn 18. Junii [1635; BW] ist ein soldat in unser stad offentlich auf dem Marckt vorgestelt, der sich seiner obrigkeit widersetzt. Man hat ihm auf den Großen Freythoff gefuhrt, seinen ruck und gantzn brust gebloßet und was durch die spitzen gejaget und einn jeder soldat hat mit einer spitz ruthen auf seinen bloßen corper zugeschlagen, das er blutig gewordem“. Vgl. auch WINTER, Möser’s Aufzeichnungen (1635), S. 59. Aus Zwickau wird 1641 berichtet; SCHMIDT, Chronica Cygnea, S. 647f.: „Den 29. [April, 9.5.1641; BW] ließ der Obriste Schliebe [Hans Heinrich v. Schlieben; BW] einen Mußqvetirer / darumb daß er einẽ Hauptman hatte bestohlen / aufhängen. Dieser war nur für 14. Tagen durch die Spießruthen gejaget worden : Er hat etliche mal zuvor gesagt, er möchte es machen wie er nur wolt / so wurde er nicht gehänget / biß auff Ostern / da wär seine Zeit umb / und dieses erging auch in der That also. Denn in Oster-Feyertagen kam er ein / und den dem andern Tag nach dem Fest wurde er gehänget“
[15] Musketier: Fußsoldat, der die Muskete führte. Die Muskete war die klassische Feuerwaffe der Infanterie. Sie war ein Gewehr mit Luntenschloss, bei dem das Zündkraut auf der Pulverpfanne durch den Abzugsbügel und den Abzugshahn mit der eingesetzten Lunte entzündet wurde. Die Muskete hatte eine Schussweite bis zu 250 m. Wegen ihres Gewichts (7-10 kg) stützte man die Muskete auf Gabeln und legte sie mit dem Kolben an die Schulter. Nach einem Schuss wichen die Musketiere in den Haufen der Pikeniere zurück, um nachladen zu können. Nach 1630 wurden die Waffen leichter (ca. 5 kg) und die Musketiere zu einer höheren Feuergeschwindigkeit gedrillt; die Schussfolge betrug dann 1 bis 2 Schuss pro Minute (vgl. BUßMANN; SCHILLING, 1648, Bd .1, S. 89). Die zielfähige Schussweite betrug ca. 300 Meter, auf 100 Meter soll die Kugel die damals übliche Panzerung durchschlagen haben. Die Treffsicherheit soll bei 75 Metern Entfernung noch 50 % betragen haben. Die Aufhaltewirkung war im Nahbereich sehr hoch, die Getroffenen sollen sich förmlich überschlagen haben. Je nach Entfernung sollen jedoch im Normalfall nur 5-7% aller abgegebenen Schüsse eine Wirkung im Ziel gehabt haben. Vgl. WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß. Zudem rissen sie auf etwa 10 Meter Entfernung etwa dreimal so große Wundhöhlen wie moderne Infanteriegeschosse. Ausführlich beschrieben wird deren Handhabung bei ENGERISSER, Von Kronach nach Nördlingen, S. 544ff. Eine einfache Muskete kostete etwa 3 ¼ Gulden, die qualitativ besseren Suhler Waffen das Doppelte, so dass seine Ausrüstung nicht so kostenintensiv war. Die Muskete löste das Handrohr ab. Die ab 1630 im thüringischen Suhl gefertigte schwedische Muskete war etwa 140 cm lang bei einer Lauflänge von 102 cm und wog etwa 4,5 – 4,7 kg bei einem Kaliber von zumeist 19,7 mm. Sie konnte bereits ohne Stützgabel geschossen werden, wenngleich man diese noch länger zum Lade- und Zielvorgang benutzte. Die Zerstörung Suhls durch Isolanos Kroaten am 16./26.10.1634 geschah wohl auch in der Absicht, die Produktionsstätten und Lieferbetriebe dem Bedarf der schwedischen Armee endgültig zu entziehen. BRNARDÍC, Imperial Armies I. Für den Nahkampf trug er ein Seitengewehr – Kurzsäbel oder Degen – und schlug mit dem Kolben seiner Muskete zu. In aller Regel kämpfte er jedoch als Schütze aus der Ferne. Deshalb trug er keine Panzerung, schon ein leichter Helm war selten. Eine einfache Muskete kostete etwa 3 ¼ Gulden, die qualitativ besseren Suhler Waffen das Doppelte, so dass seine Ausrüstung nicht so kostenintensiv war. Im Notfall wurden die Musketiere auch als Dragoner verwendet, die aber zum Kampf absaßen. MAHR, Monro, S. 15: „Der Musketier schoß mit der Luntenschloßmuskete, die wegen ihres Gewichtes [etwa 5 kg] auf eine Gewehrgabel gelegt werden mußte. Die Waffe wurde im Stehen geladen, indem man den Inhalt der am Bandelier hängenden hölzernen Pulverkapseln, der sog. Apostel, in den Lauf schüttete und dann das Geschoß mit dem Ladestock hineinstieß. Verschossen wurden Bleikugeln, sog. Rollkugeln, die einen geringeren Durchmesser als das Kaliber des Laufes hatten, damit man sie auch bei Verschmutzung des Laufes durch die Rückstände der Pulvergase noch einführen und mit Stoff oder Papier verdämmen konnte. Da die Treffgenauigkeit dieser Musketen mit glattem Lauf auf die übliche Kampfentfernung von maximal 150 Metern unter 20 Prozent lag, wurde Salvenschießen bevorzugt. Die Verbände waren dabei in sog. Treffen aufgestellt. Dies waren Linien zu drei Gliedern, wobei das zweite Treffen etwa 50 Schritt, das dritte 100 Schritt hinter der Bataille, d. h. der Schlachtlinie des ersten Treffens, zu stehen kamen, so daß sie diese bei Bedarf rasch verstärken konnten. Gefeuert wurde gliedweise mit zeitlichem Abstand, damit für die einzelnen Glieder Zeit zum Laden bestand. Ein gut geübter Musketier konnte in drei Minuten zwei Schuß abgeben. Die Bleigeschosse bis zu 2 cm Kaliber verformten sich beim Aufprall auf den Körper leicht, und es entstanden schwere Fleischwunden. In den Kämpfen leisteten Feldscherer erste Hilfe; doch insgesamt blieb die medizinische Versorgung der Verwundeten mangelhaft. Selbst Streifschüsse führten oft aufgrund der Infektion mit Tetanus zum Tode, erst recht dann schwere Verletzungen“. Der Hildesheimer Arzt und Chronist Dr. Jordan berichtet den einzigen bisher bekannten Fall (1634), dass sich unter den Gefallenen eines Scharmützels auch ein weiblicher Musketier in Männerkleidern gefunden habe. SCHLOTTER; SCHNEIDER; UBBELOHDE, Acta, S. 194. Allerdings heißt es schon bei Stanislaus Hohenspach (1577), zit. bei BAUMANN, Landsknechte, S. 77: „Gemeiniglich hat man 300 Mann unter dem Fenlein, ist 60 Glied alleda stellt man welsche Marketender, Huren und Buben in Landsknechtskleyder ein, muß alles gut seyn, gilt jedes ein Mann, wann schon das Ding, so in den Latz gehörig, zerspalten ist, gibet es doch einen Landsknecht“. Bei Bedarf wurden selbst Kinder schon als Musketiere eingesetzt (1632); so der Benediktiner-Abt Gaisser; STEMMLER, Tagebuch Bd. 1, S. 181f.; WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß; BRNARDÍC, Imperial Armies I, S. 33ff.; Vgl. KEITH, Pike and Shot Tactics; EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 59ff.
[16] Militärgerichtsbarkeit: Der Pfennigmeister Bleymann aus Düren Anfang 1636: „Solch Brennen, Plünderen, Rauben mit adelichen Häusseren und Kirchen ist es, dass nicht wol zu beschreiben ist; hausen unchristlich, arger als Turken, und werden taglich arger. Als heud werden 6, 8, 10 hingericht – schrecklich, aber hilft nicht. Zeit ich hie gewesen, ist wol ein halb Compagnie Volk gericht, aber hilft nicht“. KAISER, Überleben im Krieg, S. 211. William Crowne [1617 – 1682], Lordsekretär, Offizier, Mitglied des Parlaments und 1636 Reisebegleiter des Thomas Lord Howard, Earl of Arundel and Surrey, berichtet über die Kämpfe Gustav II. Adolfs an der Alten Veste bei Zirndorf: „Der König von Schweden hatte hier drei seiner Soldaten für den Mord an zweien seiner Kommandanten und das Überlaufen zum Feind pfählen [im Original „set upon poles alive“] lassen. Nachdem die Schlacht ausgefochten war, hatte man die Soldaten gefangen genommen und hingerichtet“. RITTER; KEIL (Hgg.), William Crowne, S. 36. Labe stand als Kornett in kaiserlichen Diensten, als er am 26.3.1625 in Arnstadt vor dem Siechhof wegen „Freireiterei“ hingerichtet wurde. KLAUS, Chronik: Arnstadt 704-2000, Teil 1. SCHMIDT, Chronica Cygnea, S. 647f. (Zwickau 1641): „Den 29. [April, 9.5.1641; BW] ließ der Obriste Schliebe [Hans Heinrich v. Schlieben; BW] einen Mußqvetirer / darumb daß er einẽ Hauptman hatte bestohlen / aufhängen. Dieser war nur für 14. Tagen durch die Spießruthen gejaget worden: Er hat etliche mal zuvor gesagt, er möchte es machen wie er nur wolt / so wurde er nicht gehänget / biß auff Ostern / da wär seine Zeit umb / und dieses erging auch in der That also. Denn in Oster-Feyertagen kam er ein / und den dem andern Tag nach dem Fest wurde er gehänget“. Das Strafrecht wurde äußerst unterschiedlich gehandhabt, vgl. SCHMIDT, Chronica Cygnea, S. 683 (1643): „Den 16. Februarii [26.2.1643; BW] hat der Obrist. Leut. De La Tour, einen seiner Reuter / weil der bey Nächtlicher Weyl einen Schoß gethan / alsbald in einer Viertelstund nach begangener That auff dem Marckt an die Justitz / unerachtet er auch nur gebeten / man wollte ihm zuvor das H. Abendmahl (denn er war Evangelisch) reichen / lassen auffhängen: Dargegen hat ein anderer einer armen Frauen eine Hand abgehauen / und aber einer die St. Katharinen Kirche bestohlen / welchen gar keine Straff angethan worden“. GÜTHEN; SCHAUBACH, Poligraphia Meiningensis, S. 268 [1642]: „In solcher Zeit hat ein Reuter einen armen Taglöhner, Linhard Schleichern, auff dem Unter-Rasen über seiner Arbeit mit vielen Hieben und Stichen dergestalt ohne einige gegebene Ursach verwundet, daß er vor tod herein getragen worden, gleichwol durch Gottes Gnad und angewänden Fleiß der Wund-Aertzte wieder zu recht gebracht, der Reuter aber ist, andern zum Abscheu, auff dem Marckt allhier archibusiret worden“. GÜTHEN; SCHAUBACH, Poligraphia Meiningensis, S. 247f.: „Den 21.Julii ist, im Beyseyn des gantzen Leibregiments, Hertzog Wilhelms zu Sachsen, unter dem Commando dero Obristen Lieutenants, Rudolph Georg von Wolfframsdorff, so umb den auff dem Marckt auffgerichteten Galgen zu Pferd mit auffgezogenen Hahnen gehalten, öffentlich Stand-Recht gehalten worden, über Jacob R. ins gemein der lange Jacob genant, welcher zu Kaltennortheim, da er im Qvartier gelegen, voller Weiß den jenigen Stock, an welchen die Soldaten, an welchen die Soldaten wegen ein und des andern Verbrechens geschlossen worden, umbgerissen, und darbey Chur-Fürstlicher Durchläuchtigkeit zu Sachsen gelästert, und ist ihm daselbst zuerkännt worden, dass ihm erstlich die rechte Hand abgehauen, darnach das Maul geschlitzt, ein Zeichen auf die Brust geschnitten, und endlich gehängt werden solle. Welches alles so bald an ihm exeqviret worden, indem ihm auff einem hierzu gemachten Stock die rechte Hand abgehauen, an den Galgen genagelt, das Maul geschlitzt, die Brust zerschnitten, und endlich gehängt, gegen Abend aber wieder herab genommen, an die Land-Strassen beym Fröschlein-Brück begraben, und der von ihm umbgerittene Stock auff sein Grab gesteckt und eingegraben worden“.
MÜHLICH; HAHN, Chronik Bd. 3, S. 525f. (Schweinfurt 1640): „Etliche Baierische Reuter von der Compagnie des Obersten Druckmüller, die in Werneck einquartirt waren, ritten am Sonntage, den 19. April, bezecht zum Spitalthore hinaus und erblickten ein armes 25jähriges Mädchen von Westheim, das sich schon lange hier aufgehalten hatte, beym Hanenbrünnlein, wo es Hopfen pflückte. Einer von diesen Reutern sprengte auf dasselbe los und wollte es schänden. Aber das Mädchen, dem seine Ehre lieber war, als das Leben, rettete sich tief in den Main hinein; der Reuter ritte nach, hielt es mit dem Säbel, schleppte es heraus, und nachdem er es etliche Mal überritten hatte, schoß er es durch den Kopf, daß es starb. Der Thäter ritte nun seinen Cameraden nach; aber sein verdienter Lohn blieb nicht aus. […] Am 23. d. wurde abends vor dem Thorschlusse ein Galgen, den man zu Werneck verfertigt hatte, von vier Reutern begleitet, hieher geführt und an dem Orte, wo der Reuter das arme Mädchen so schändlich gemordet hatte, aufgerichtet. Am 25. d. zwischen 12 und 1 Uhr mittags brachten 20 Reuter den Uebelthäter geschlossen von Werneck hieher, der sogleich an diesen Galgen gehenkt wurde“.
[17] LEHMANN, Kriegschronik, S. 155. Lehmann datiert nach dem a. St.
[18] Fass (Erzgebirge): 1 Fass = 5 ½ Eimer + 24 Kannen = 3,93 hl.
[19] Scheffel: 1 Scheffel = 8 Achtel = 187, 376 Liter (Saalfeld).
[20] LEHMANN, Kriegschronik, S. 166.